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Ein angespanntes Schweigen hing in der Leitung.

„Riley, ich kann nicht sagen, dass mir das gefällt“, sagte Ryan. „Bist du bereit wieder zur Arbeit zu gehen? Du warst gestern ziemlich fertig. Und außerdem...“

Es folgte erneutes Schweigen.

Dann sagte Ryan: „Riley, wir brauchen das. Einen romantischen Abend zu zweit, meine ich. Es ist schon lange her, dass wir... du weißt schon.“

Es dauerte einen Moment, bis Riley verstand, was er meinte.

Dann begriff sie: Oh mein Gott. Er spricht von Sex.

Wir lange war es her, dass sie Liebe gemacht hatten? Sie wusste es nicht und begriff, dass sie in letzter Zeit überhaupt nicht daran gedacht hatte. Zwischen den zwei Fällen, an denen sie diesen Monat bereits gearbeitet hatte, war sie erschöpft gewesen. Und dazu kam noch, dass sie sich auf den bevorstehenden Mullins Prozess vorbereitete.

Sie sagte: „Ich mache das wieder gut, versprochen.“

„Riley, darum geht es nicht. Du hast das beschlossen, ohne mit mir zu sprechen.“

Riley verspürte einen Stich von Wut.

Werde ich Ryan jedes Mal zu Rate ziehen müssen, wenn ich einen neuen Fall annehme?

Aber das letzte was sie wollte, war mit ihm in diesem Moment darüber zu streiten. Sie hatte einfach keine Zeit dafür.

Sie sagte: „Es tut mir leid. Wirklich. Wir reden darüber, wenn ich nach Hause komme.“

„Ich möchte nicht, dass du fliegst“, sagte Ryan mit flehender Stimme.

„Ich muss hinfliegen“, sagte Riley. „Es ist mein Job.“

„Aber –– “

„Tschüss, Ryan. Ich muss den Zug erwischen. Ich liebe dich.“

Sie legte auf und sackte mit einem verzweifelten Seufzen zusammen.

Soll ich Crivaro zurückrufen? fragte sie sich.

Soll ich ihm sagen, ich kann den Fall doch nicht übernehmen?

Crivaro würde es sicherlich verstehen. Er hatte ihr das ja bereits so gesagt.

Doch dann spürte Riley eine Welle des Grolls in sich aufkommen. Ryan hatte kein Recht sie so unter Druck zu setzen, besonders nicht nach dem, was gestern passiert war. Sie hatte einen Job zu erledigen und sie konnte Ryan nicht für den Rest ihres Lebens um Erlaubnis bitten, ihn zu machen.

Sie eilte ins Schlafzimmer, holte ihre Reisetasche und verließ die Wohnung, um den Zug zu bekommen.

KAPITEL FÜNF

Das Leben begann sich für Riley wie ein einziger langer Flug mit Jake Crivaro anzufühlen. Gerade erst gestern Abend waren sie aus New York zurückgeflogen. Nun waren sie erneut im FBI Jet, auf dem Weg ins westliche Tennessee.

Es ist fast so, als wäre ich gar nicht zuhause gewesen, dachte sie.

Auf eine gewisse Art und Weise wünschte sie, dass es so gewesen wäre. Es wäre schön, glauben zu können, dass ihr Streit mit Ryan am Telefon heute morgen ein bloßer Traum gewesen war, dass alles gut war zwischen ihnen.

Leider wusste sie, dass all das wirklich geschehen war.

Und natürlich ging das auch die schrecklichen Ereignisse des gestrigen Tages an.

Mein ganzes Leben fühlt sich gerade wie ein böser Traum an, dachte sie. Wie ein Albtraum von endlosen Flügen, Gefahren und plötzlichem Tod.

Sie schüttelte ihre düsteren Gedanken ab und schaute zu Crivaro. Er saß neben ihr und schaute einige handschriftliche Notizen durch, die er zum bevorstehenden Fall gemacht hatte.

Er erklärte: „Vor ungefähr einer Woche wurde eine Leiche im Wald gefunden, in der Nähe von Brattledale in Raffel County, Kentucky. Das Opfer war ein junges Mädchen, Natalie Booker.“

„Wie wurde sie ermordet?“, fragte Riley.

„Erdrosselt“, sagte Crivaro. „Wenn es ein bloßer Einzelfall in nur einem Staat gewesen wäre, würde es uns nichts angehen. Aber gestern kam eine weitere Leiche dazu, ein weiteres junges Mädchen namens Kimberly Dent, auch erdrosselt, wahrscheinlich vom selben Mörder. Ihre Leiche befand sich am Waldrand in der Nähe von Dalhart, Tennessee –– hinter der Staatengrenze.“

„Was es zu einem FBI Fall macht“, sagte Riley. „Wenn wir ihn übernehmen wollten.“

„Genau“, sagte Crivaro. “Außerdem hat Raffel County Sheriff, Ed Quayle, ausdrücklich um die Hilfe der Verhaltensanalyseeinheit gebeten, also sind wir auf jeden Fall dabei.“

Crivaro schloss sein Notizbuch.

„Das ist so ziemlich alles, was ich bisher weiß“, sagte er. „Sheriff Quayle wird uns am Flughafen empfangen, ich bin mir sicher, er wird mehr haben.“

Riley nickte zustimmend und sie schwiegen eine Weile lang. Während sie dasaß und aus dem Fenster starrte, begannen Rileys Gedanken sich erneut um die schreckliche Schießerei von gestern zu drehen.

Riley hörte wie Crivaro leise sagte: „Du siehst müde aus.“

Sie drehte sich zu ihm und sah, dass er sie besorgt anschaute.

„Ich nehme an, das bin ich auch irgendwie“, sagte Riley. „Ich habe gestern Nacht nicht viel geschlafen.“

„Bist du sicher, dass du es schaffst, an diesem Fall zu arbeiten?“

„Ich bin mir sicher“, sagte Riley.

Doch sie merkte, dass sie sich gar nicht so sicher war. Und sie konnte an Crivaros besorgtem Blick ablesen, dass er ihre Zweifel spürte.

Er sagte mit sanfter Stimme: „Es ist hart, was dir gestern wiederfahren ist.“

Riley zuckte mit den Schultern und sagte: „Ich nehme an, Sie wissen wie sich das anfühlt.“

„Nicht wirklich, nein.“

Riley war überrascht, das zu hören.

Hat er nie jemanden getötet? fragte sie sich.

Crivaro hatte während der Fälle, an denen Riley mit ihm bisher gearbeitet hatte, nie schießen müssen. Es wäre einmal beinahe so weit gekommen, als ein Verrückter kurz davor gewesen war Riley eine tödliche Dosis Amphetamine zu spritzen. Doch Crivaros damaliger Partner Mark McCune hatte damals den Schuss abgegeben, der den Mörder niedergestreckt hatte.

Nichtsdestotrotz war Riley sich sicher, dass Crivaro auf irgendjemanden geschossen haben musste während seiner mehr als zwanzigjährigen Karriere als FBI Agent –– wahrscheinlich viele Male.

Aber es muss ein erstes Mal gegeben haben, dachte sie.

Vielleicht würde es ihr helfen, wenn er ihr davon erzählte.

Vorsichtig fragte sie: „Agent Crivaro... könnten Sie mir vom ersten Mal erzählen, als Sie auf jemanden schießen mussten?“

Crivaro zuckte mit den Schultern. Er schien nicht besonders beunruhigt von der Frage.

„Naja, das ist eine uralte Geschichte“, sagte er. „Hast du jemals von dem Magrette Bank Überfall von 1980 gehört?“

Riley machte große Augen.

„Natürlich habe ich davon gehört“, sagte sie. „Wir haben das an der Academy durchgenommen. Ich habe sogar mit anderen Kadetten Teile davon nachgestellt. Der Fall wird immer als Anti-Terrorismus- und Überlebenstraining genutzt. Hatten Sie etwas damit zu tun?“

Crivaro lächelte ein komisches Lächeln.

„Ja, zum Ende hin jedenfalls. Willst du davon hören?“

Riley nickte stumm.

Crivaro sagte: „Naja, erzähl mir, was zu bereits darüber weißt. Ich will dich nicht mit Details langweilen, die du bereits eine Millionen Mal gehört hast.“

Riley schnaubte beinahe auf. An der Geschichte des Magrette Überfalls gab es rein gar nichts Langweiliges.

Nichtsdestotrotz sagte sie: „Naja, ich weiß, dass das ganze Ding verrückt war –– und extrem gewalttätig. Eine Gang aus sechs Bankräubern hat eine Bank in Magrette, Pennsylvania gestürmt, bewaffnet bis an die Zähne und in Kampfanzüge des Militärs gekleidet. Sie zwangen die Bankschalterbeamten $20,000 in Bar rauszugeben.“

„Das war damals viel Geld“, sagte Jake.

„Aber die örtliche Polizei hat Wind davon bekommen, während der Überfall noch im Gange war,“ sagte Riley. „Als sie am Tatort anrückten, brach eine Schießerei direkt dort vor der Bank aus.“

Jake schüttelte den Kopf.

„Diese armen Cops“, sagte er. „Sie hatten keine Ahnung, wie unterbewaffnet sie waren.“

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