Foley öffnete seinen Mund und schloß ihn wieder.
«Ich habe meine Befehle«, sagte er matt.»Der General muß gerettet werden.»
«Und das Gold. «Bolitho konnte seine Bitterkeit nicht verbergen.»Das gewiß doch auch, oder?»
Foley rieb sich die Augen. In seinem Gesicht zeigte sich plötzlich die Überanstrengung.»Man müßte ein Regiment zur Verfügung haben, um dieses Gebiet abzusuchen. Und sogar dann noch. «Seine Stimme verlor sich in undeutlichem Gemurmel.
Bolitho nahm ein Fernglas und versuchte den flimmernden Sonnenglast zu durchdringen. Von der Gig war nichts mehr zu sehen.
«Mr. Tyrell hat mein volles Vertrauen. Vielleicht wird er etwas entdecken.»
Foley blickte über das Deck hin.»Hoffentlich, Kapitän. Sonst werden Sie Ihr Schiff verlieren, und damit würden all Ihre Sorgen ein Ende haben.»
Graves erschien auf der Leiter, sah sie beisammen stehen und verschwand wieder. Bolitho runzelte die Stirn. So war er es gewesen, der dem Oberst von Tyrells Unternehmen berichtet hatte.
«Dieser General, wer ist es, Sir?»
Foley riß sich von seinen düster brütenden Gedanken los.»Sir James Blundell. Er kam auf einer Inspektionsreise hier heraus. «Er lachte kurz auf.»Damals, als er in New York ankam, gab es weniger zu inspizieren, als er erwartet hatte. In Pennsylvania besaß er ein großes Vermögen, genug, um tausend Schiffe wie dieses zu kaufen.»
Bolitho wandte sich ab. Er hatte noch nie von diesem Mann gehört, aber das war mehr, als er wissen wollte. Bolitho wußte nun genug. Offensichtlich war Blundell von dem plötzlichen militärischen Rückzug überrascht worden, als er seinen persönlichen Besitz in Sicherheit bringen wollte. Schlimmer, er hatte seine Tätigkeit als inspizierender General für seine eigenen Angelegenheiten ausgenützt und eine Kompanie verzweifelt benötigter Soldaten in Gefahr gebracht.
Foley blickte ihm einige Sekunden lang in die Augen.»Die Männer bei ihm sind meine Leute — alles, was von einem ganzen Bataillon übriggeblieben ist. Sie sehen nun, warum ich dies hier unternehmen muß.»
Bolitho antwortete leise:»Wenn Sie mir das gleich gesagt hätten, Oberst, wäre es für uns beide besser gewesen.»
Foley schien nicht zugehört zu haben.»Sie waren die besten Soldaten, die ich hier befehligt habe, und in einem Dutzend Gefechten haben wir zusammengestanden. Bei Gott, in einer Schlachtlinie gibt es niemand, der die englischen Fußtruppen schlagen kann. Sogar ein kleines Karree dieser Leute wird der Elite der französischen Kavallerie standhalten.»
Er deutete zu den waldigen Hügeln hinüber.»Aber hier draußen sind sie wie verlorene Kinder. Sie können nicht gegen Männer antreten, die ihr ganzes Leben in den Prärien und Wäldern zugebracht haben, die Tage erlebt haben, da eine einzige Musketenkugel über Leben oder Verhungern entschied.»
Bolitho wußte nicht, wie er die Frage aussprechen sollte. Schließlich sagte er langsam:»Aber Sie waren nicht bei Ihren Soldaten, als das alles geschah?»
«Nein. «Foley blickte zwei Möwen nach, die schreiend um die Royal Rahen kreisten.»Ich war mit einem Geleitzug nach New York geschickt worden. Er bestand hauptsächlich aus unwichtigen Ausrüstungsstücken und Soldatenweibern.»
Mit harten Augen schaute er Bolitho ins Gesicht.»Und der Nichte des Generals, ich sollte nicht vergessen, sie zu erwähnen. «Schnell sprach er dann weiter:»Selbst auf sicheren Pfaden spürten uns die feindlichen Flankier nach, und es verging kein Tag, ohne daß ein paar arme Teufel von ihren langen Musketen abgeknallt wurden. Bei Gott, ich glaube, manche von ihnen können auf fünfzig Schritt einer Fliege das Auge herausschießen!»
Das Deck bewegte sich leise, und als Bolitho nach oben schaute, sah er den Stander im Masttopp leicht auswehen und dann wieder leblos zusammenfallen. Aber immerhin, es war der erste Hauch einer Brise.
«Ich schlage vor, Herr Oberst, daß Sie sich ein wenig ausruhen, solange Sie noch Zeit dazu haben. Ich werde Ihnen berichten, wenn ich irgend etwas höre.»
Foley antwortete düster:»Wenn Ihr Mr. Tyrell zurückkommt. «Aber im selben Atemzug fügte er hinzu:»Das eben war ungerecht von mir. All das hat mich aus dem Gleichgewicht gebracht, ich bin nicht mehr ich selbst.»
Bolitho blickte ihm nach, wie er im Niedergang verschwand. Dann setzte er sich auf einen Poller. Wenn nicht bald etwas geschah, mußte Foley neue Entscheidungen treffen. Wenn Tyrell nicht zurückkehrte und das ganze Unternehmen scheiterte, konnte er nach seiner Rückkehr nach Sandy Hook nicht mehr viel von seiner Zukunft erhoffen. Den ganzen Nachmittag über bis in den Abend hinein lag die Sparrow wie festgenagelt in greller Sonnenglut. Die Decks waren so heiß, daß man mit dem Fuß im aufgeweichten Teer der Nähte hängenblieb, und die Geschützrohre waren erhitzt wie nach einem vielstündigen Gefecht. Die Wachen wechselten, Posten zogen auf und wurden abgelöst. Nichts war zu hören oder zu sehen.
Der erste rosige Abendschimmer hatte sich über der Bucht niedergelassen, und die Hügel schimmerten in tiefem Purpur, als Foley wieder an Deck erschien.
«Es bleibt uns nichts mehr zu tun«, sagte er niedergeschlagen.
Bolitho biß sich die Lippen. Tyrell war nicht zurückgekehrt. Vielleicht war er schon in Richtung Süden über Land unterwegs. Oder er führte gar amerikanische Kundschafter in diese Bucht. Er schüttelte sich wie ein Hund. Seine Müdigkeit, seine Enttäuschung zerrten an seinen Widerstandskräften, an seinem Vertrauen.
Fähnrich Heyward stand am Steuerbordschanzkleid. Wie im Halbschlaf lehnte er an den Planken. Plötzlich fuhr er hoch.
«Die Gig, Sir«, rief er mit heiserer Stimme.»Sie kommt von der Landzunge her!»
Bolitho rannte zu ihm hin. Es war ihm gleichgültig, ob Tyrell etwas entdeckt hatte oder nicht. Er war zurückgekommen, das war mehr als genug.
Als die Gig längsseits kam, sah er die Ruderer wie Marionetten in den Duchten hängen. Ihre Gesichter und Arme sahen wie rohes Fleisch aus. Tyrell kletterte mit verdreckten Füßen und Beinen auf das Achterdeck. Seine Kleider waren zerrissen.
Schwerfällig begann er seinen Bericht:»Ihre Scouts konnten die vorausgeschickten Männer nicht finden, Oberst. Aber wir haben sie entdeckt.»
Er nahm eine Wasserkanne und schluckte in tiefen Zügen.»Sie sind alle tot. Flußaufwärts in einem ausgebrannten Fort.»
Foley starrte auf die düsteren Bäume hinter der Bucht.»So sind also meine Leute immer noch auf der Suche.»
Tyrell beachtete ihn nicht.»Wir pullten die Gig den Flußarm hinauf. Stießen zufällig auf dieses alte Fort. Aber leider ist das noch nicht alles.»
Bolitho wartete. Er konnte ihm die Anstrengungen und die Qual über das Gesehene deutlich ansehen.
Langsam fuhr Tyrell fort:»Gerade ein Stückchen den Kanal hinauf liegt groß und breit eine verdammte Fregatte!«Foley warf sich herum.»Amerikanisch?»
«Nein, Oberst, nicht amerikanisch. «Er blickte Bolitho ernst an.»Ihrem Schnitt nach ein Franzmann. Keine Flagge. Also wohl ein Kaperschiff.»
Bolitho zwang seine rasenden Gedanken zur Ruhe. Hätten sie sich unter Tyrells ortskundiger Führung nicht so heimlich in die Bucht geschlichen, wären sie der Fregatte vor die Kanonen gelaufen, oder sie wären vor Anker liegend angegriffen worden.
Tyrell redete weiter:»Es sieht also so aus, als ob Ihr General in Gefangenschaft geraten ist, Oberst. Hat nicht viel Zweck, hier so lange zu warten, bis es uns genauso geht, eh?»
«Konnten Sie ausmachen, was sie taten?»
Bolitho versuchte sich den großen Fluß vorzustellen, der um die Landzunge herumströmte. Die Fregatte ankerte in der Gewißheit, daß sie jeden Angreifer aus jeder Richtung abwehren konnte.
Tyrell zuckte die Achseln.»Am Strand waren Spuren zu sehen. Ich nehme an, daß sie mit Booten ans Land gerudert sind, um Frischwasser aufzunehmen. Aber kein Zeichen von Gefangenen.»
«So müssen wir also vermuten, daß die gesuchten Soldaten immer noch vermißt sind. «Bolitho blickte den Oberst an.»Ich glaube, daß die Fregatte Anker lichten wird, sobald der Wind einfällt. Sie wird es kaum wagen, bei Nacht auszulaufen. Wir sind also bis zur Morgendämmerung sicher, danach. «Er kam nicht mehr dazu, seinen Satz zu Ende zu sprechen.