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Tyrells Stimme brachte ihn wieder in seine Kajüte zurück.

«Dann haben Sie also jetzt den Oberbefehl, Sir?»

Die Leutnants blickten ihn aufmerksam an. In ihren Gesichtern standen Zweifel und Besorgnis.

Bolitho nickte langsam.»Wir werden vor Einbruch der Dunkelheit mit dem Geleitzug weitersegeln. Vorher werden wir die Verwundeten auf die Transporter bringen und der Fregatte helfen, so gut wir können. «Er versuchte, nicht an die endlosen Probleme zu denken, die auf ihn einstürmten.

«Wenn wir, wie befohlen, Kontakt mit dem Geschwader aufgenommen haben, werden wir mit den Depeschen zum Hauptquartier weiterfahren.»

Seine Augen schweiften in der Kajüte umher. Alles erschien ihm plötzlich kleiner, seine Korvette verwundbarer.

«Und die Miranda, Sir?«Tyrells Stimme klang gedämpft.

Bolitho antwortete mit gleichgültiger und kühler Stimme. Er wußte, daß seine Leute alles Vertrauen in ihn verlieren würden, wenn er ihnen auch nur für einen Augenblick seine wahren Gefühle zeigte.

«Die Männer auf der Miranda werden tun, was sie tun müssen.

Wir können nicht bei ihnen bleiben, und sie würden das auch gar nicht wünschen.»

Gischt prasselte gegen die dicken Fensterscheiben. Der Wind frischte bereits leicht auf.

Tyrell leckte über seine Lippen. Seine Augen starrten wie abwesend auf die entmastete Fregatte.

«Das ist alles«, fügte Bolitho hinzu.»Achten Sie darauf, daß alle Leute bis zur letzten Minute arbeiten.»

Wortlos verließen die Leutnants in ihren schmutzigen Hosen und Hemden die Kajüte.

Bolitho blickte Fitch an.»Sie können auch gehen. Ich möchte nachdenken.»

Nachdem Fitch und seine Helfer gegangen waren, stützte er seinen Kopf in die Hände und ließ seinen Körper entspannt in den unbehaglichen Schiffsbewegungen mitschwingen.

Wahrscheinlich hielt Tyrell ihn für herzlos, weil er das andere Schiff hilflos und ohne Begleitung zurückließ.

Bolitho kämpfte gegen seine Müdigkeit und Erschöpfung an und stand auf. Er wußte, daß ihn ihre Ansichten nicht kümmern durften. Sie standen im Krieg, den sie schon zu lange wie Zuschauer betrachtet hatten. Wenn sie lernen mußten, dann war es besser, das sofort zu tun. Dann erinnerte er sich wieder an den Leutnant auf der Miranda, an die Bitterkeit in seiner Stimme, als er das Gefecht beschrieb. Er konnte zu dem, was Bolitho bereits geahnt und gewußt hatte, kaum etwas hinzufügen. Nur eines war neu für ihn, der Name des großen Kaperschiffes. Bonaventure. Niemals würde er diesen Namen vergessen.

Es klopfte an die Tür. Lock trat ein. Mit düsterem Gesicht begann er eine Liste jener Vorräte herunterzulesen, die in dem kurzen Kampf mit der Brigg verlorengegangen waren.

Bolitho blickte ihn an und sagte mit ruhiger Stimme:»Nun, machen Sie mir eine komplette Aufstellung, Mr. Lock. Wir werden dann später darüber reden.»

Es war sinnlos, an das zu denken, was vorüber war. Er stand nun ganz allein, und nur die Zukunft und der ferne Horizont hatten wirklich noch Bedeutung für ihn.

V Der Auftrag

«Das Wachboot kommt, Sir!«Bolitho nickte.»Danke.»

Er hatte es schon gesehen, sich aber auf die hintereinander verschobenen Umrisse der vor Anker liegenden Schiffe konzentriert. Ein mächtiger Zweidecker zeigte am Besan die Konteradmiralsflagge.

Dann streifte er mit einem raschen Blick die eifrige Arbeit auf dem Geschützdeck. Zum ersten Mal, seitdem sie Antigua verlassen hatten, trafen sie Vorbereitungen, Anker fallen zu lassen.

Zehn Tage waren vergangen, seit die verwüsteten Umrisse der Miranda mehr und mehr zurückgefallen und endlich ganz hinter dem Horizont verschwunden waren. Es waren Tage quälender Ungeduld gewesen. Wiederholt hatten sie Segel kürzen müssen, um den schwerfälligen Transportschiffen nicht davonzulaufen. Als sie dann endlich auf eine Fregatte des Küstengeschwaders stießen, hatten sie keine Freiheit erlangt, sondern abermals eine Verlängerung der Reise auf sich nehmen müssen. Die Sparrow hatte die Verantwortung über die Transporter nicht abgeben können, noch durfte sie geraden Weges die Küste anlaufen, um das Löschen der Ladungen zu überwachen. Statt dessen mußte sie mit allen Depeschen nach New York segeln. Der Kapitän der Fregatte hatte in seiner Ungeduld weiterzureisen nur einen Fähnrich mit seinen Befehlen zur Sparrow hinübergeschickt. Aus dem wenigen, das er bemerkt hatte, schloß Bolitho, daß die Fregatte drei Wochen lang patrouilliert und darauf gewartet hatte, ihre Nachrichten an den Geleitzug weiterzugeben, und nur den einen Wunsch hatte, mit der Sache weiterhin nichts mehr zu tun zu haben. Er wandte seinen Blick dem Wachboot zu, das sich sanft in der atlantischen Dünung wiegte. Eine große, blaue Flagge flatterte an seinem Bug, um die Stelle zu markieren, wo die Korvette ankern sollte.

Das Ruderrad knarrte und ächzte, als Buckle seine Anweisungen an die Rudergänger weitergab. Vorne auf der Back hob sich die Gestalt Leutnant Graves' dunkel von dem glitzernden Wasser ab. Er wartete auf den Befehl, den Anker fallen zu lassen, Bolitho hörte jemand lachen und sah die Transportschiffe schwerfällig auf einen anderen Ankerplatz zuschwanken. Seeleute liefen dort nun auf die Rahen hinaus und tuchten die Segel auf.

Dalkeith blickte Bolitho an.»Froh, sie von hinten zu sehen, Sir?«Er wischte sich das Gesicht mit einem Taschentuch ab.

«Sie sind viel zu lange mit uns gefahren, dachte schon, wir hätten die Biester im Schlepp.»

Der Geschützführer kletterte halb an der Leiter hoch und fragte:»Feuererlaubnis für den Salut, Sir?»

Bolitho nickte.»Bitte, Mr. Yule.»

Er wandte sich ab. Hätte ihn der Artillerist nicht an die Salutschüsse erinnert, hätte er, ganz in Gedanken an die nächste Zukunft, diese Formalität vergessen.

Als die Sparrow mit aufgegeiten Segeln nur unter Marssegeln und Klüver sanft auf das Wachtboot zuglitt, schulterte die Luft vom regelmäßigen Donnern der Geschütze, die der Konteradmiralsflagge den Respekt erwiesen.

Bolitho hätte gern mit Bethunes großem Fernglas die anderen Schiffe beobachtet, aber er vermutete, daß nun zu viel andere Gläser auf ihn gerichtet seien. Seine natürliche Neugier könnte als Unsicherheit ausgelegt werden oder als die Aufgeregtheit eines jungen, unerfahrenen Kapitäns, der einen fremden Ankerplatz anlief. So zwang sich Bolitho, an der Luvseite ruhig auf und ab zu gehen. Mit Befriedigung stellte er fest, daß alles nicht benützte Tauwerk entweder belegt oder säuberlich an Deck aufgeschossen war. Vom Gefecht mit der Brigg war an der Sparrow nichts mehr zu bemerken. In den zehn Tagen waren alle Möglichkeiten genützt worden, neue Planken einzuziehen und zu malen.

Tyrell stand mit dem Sprachrohr unter dem Arm an der Reling. Im blauen Rock und dem Dreispitz auf dem Kopf kam er ihm wieder sehr fremd vor, ein Unbekannter wie an jenem Tag, an dem er nach dem Besuch auf dem Flaggschiff in seine Kajüte gestapft war.

Die Rauchfahne des letzten Salutschusses trieb voraus über die Männer am Ankergeschirr hin, und Bolitho wandte nun alle Aufmerksamkeit der letzten Kabellänge zu, die sie noch vom Ankergrund trennte. Zu beiden Seiten lagen andere Schiffe. Sie sahen recht eindrucksvoll und unzerstörbar aus.

Langsam hob Bolitho die Hand.

«Lee brassen, Mr. Tyrell. Klar zur Wende.»

Warum nur war er so beunruhigt? Lag hinter den knappen Befehlen der Fregatte vielleicht Dunkles verborgen? Er versuchte, die Besorgnis aus seinen Gedanken zu vertreiben. Schließlich hatte die langsame Reise mit den Transportschiffen ihn vor Ungeduld halb krank gemacht, wieviel schlimmer mußte das für die einsame Fregatte gewesen sein.

Tyrells Stimme löste den Jammerchor der kreisenden Möwen aus, die schon seit Tagen die Sparrow begleitet hatten.

«Marssegel schoten!«Er blinzelte in das Sonnenlicht und beobachtete die flinke Arbeit der Männer hoch über Deck.

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