Der Schiffsrumpf bebte und bockte, als Geschütz nach Geschütz seine doppelte Ladung über die Wellenkämme spie und in den hilflosen Feind schmetterte. Die Fregatte beantwortete das Feuer aus einigen Drehbassen. Als ihr aber die ersten schweren Geschosse zusammen mit den Kartätschen in die Flanken und über das Deck fuhren, schwiegen auch diese.
Bolitho hob wieder die Hand.»Feuer einstellen! Geschütze sichern!«Dann wandte er sich an Buckle:»Wir gehen sofort über Stag. Kurs Nordost zu Nord!«Er blickte zum rauchenden Wrack zurück.»Es wird dort liegen bleiben, bis jemand kommt. Freund oder Feind, es macht keinen Unterschied mehr.»
Tyrell sah ihn ernst an.»Aye, Aye, Sir!«Er schien noch auf irgend etwas zu warten.
Bolitho ging zur Reling und blickte auf die Leute hinunter. Sie zurrten die Kanonen fest, begannen die Schäden zu flicken und das durcheinandergebrachte Rigg zu klarieren. Überall wurde gearbeitet, um die Sparrow für die nächste Herausforderung bereitzumachen. Es gab kein Freudengebrüll. Alles ging sehr still vonstatten. Nur ein paar Seeleute grinsten, als sie Freunde noch lebend antrafen. Hier ein Nicken, dort ein Schulterklopfen. All dies erzählte Bolitho mehr, als Worte es vermocht hätten.
«Die Männer haben eine Menge gelernt, Mr. Tyrell.»
Er sah Dalkeith aufs Achterdeck heraufsteigen und nahm all seinen Mut zusammen, um die Liste der Toten und Sterbenden in Empfang zu nehmen.
«Von diesem Tag an werden sie zu allem bereit sein. «Er übergab seinen Degen an Stockdale. Obwohl er sich nicht erinnern konnte, ihn bemerkt zu haben, hatte er sich doch die ganze Zeit über in seiner Nähe gehalten.»Bereit, wie ich es will.»
VIII Des Kapitäns Entscheidung
Der Aufenthalt der Sparrow in New York war die enttäuschendste und langweiligste Zeit, an die sich Bolitho erinnern konnte. Er hatte gehofft, mit einigen Wochen für Reparaturarbeiten und Auffüllen der Vorräte davonzukommen. Statt dessen aber mußte er mit wachsender Ungeduld warten und zusehen, wie alle anderen Schiffe vor ihm klar gemacht wurden. Jedenfalls kam es ihm so vor.
Als sich die Zeit in den zweiten Wartemonat hineinschleppte, war er bereit, eher zu verhandeln als zu fordern, ja, die ihm zustehende Unterstützung von den Hafenbehörden eher zu erbitten als zu erwarten. Und den Gerüchten nach, die er da und dort aufschnappte, waren alle kleineren Schiffe in derselben Lage.
Die Arbeiten an Bord schritten ständig voran, schon glich die Sparrow einem erprobten Veteran. Die Segel wurden sorgfältig geflickt und keineswegs großzügig erneuert. Anscheinend wußte niemand, wann Nachschub aus England eintreffen würde, und was bereits in New York lagerte, wurde eifersüchtig bewacht, oder, wie Bolitho befürchtete, fir entsprechende Trinkgelder gehortet. Die zerbrochene Großbramstenge war aus dem Wasser gefischt und repariert worden. Von Deck aus schien sie so gut wie neuwertig zu sein. Ob sie aber einem wirklichen Sturm widerstehen oder wie sie sich bei der Jagd auf einen Blockadebrecher bewähren würde, beschäftigte oft Bolithos Gedanken. Dazu kamen noch der ständige Strom fälliger Berichte, die Ersatzteil- und Lebensmittellisten, die endlos mit den Leuten der Ausrüstungsdepots besprochen werden mußten. Schließlich fing er an zu glauben, daß weder er noch sein Schiff jemals diesen Hafen wieder verlassen würden.
Der Stolz und die Erregung, eine französische Fregatte auf Grund gejagt und die geretteten Soldaten sicher an Land abgesetzt zu haben, waren düsterer Niedergeschlagenheit gewichen. Tag um Tag ertrug die Schiffsbesatzung die Arbeit in glühender Hitze, obwohl sie wußte, daß sie keine Möglichkeit hatte, an Land zu gehen, es sei denn unter strenger Aufsicht und nur in dienstlichen Angelegenheiten. Bolitho wußte, daß die Gründe für diese Vorschrift bis zu einem gewissen Grade gesund und vernünftig waren. Jedes Schiff, das einlief oder ausreiste, war unterbemannt, und es war bekannt, daß skrupellose Kapitäne darauf aus waren, Seeleute anderer Schiffe zu stehlen, wann immer sich eine Gelegenheit bot.
Auch Bolitho fehlten, seitdem er das Kommando übernommen hatte, fünfzehn Mann, die entweder gefallen oder so schwer verletzt waren, daß sie für weiteren Dienst nicht mehr in Frage kamen.
Und die Neuigkeiten waren wenig ermutigend. Überall auf dem Festland befanden sich die britischen Truppen in Schwierigkeiten. Im Juni wurde eine ganze Armee durch die Angriffe General Washingtons in der Schlacht von Monmouth zum Rückzug gezwungen, und den Berichten nach, die bis zu den ankernden Schiffen durchsickerten, war keine Besserung der Lage zu erhoffen.
Hinzu kam eine weitere Sorge für die Flotte. Der erste Hurrikan der Saison war über die See gefegt. Wie eine Sichel durch das Korn war er von der Karibischen See heraufgezogen und hatte auf seinem Weg etliche Schiffe zerstört, andere so zugerichtet, daß sie nun, da sie so dringend gebraucht wurden, nicht einsatzbereit waren. Bolitho konnte die Sorgen des Admirals gut verstehen, denn die ganze Strategie an der amerikanischen Küste hing von der Wachsamkeit der Patrouillen und der einsam kreuzenden Fregatten ab. Sie waren seine Augen und die Verlängerung seines Willens.
Nur für eines war Bolitho sehr dankbar. Sein Schiff war unter der Wasserlinie nicht so schwer beschädigt worden, wie er zuerst befürchtet hatte. Garby, der Schiffszimmermann, hatte recht, als er sagte, die Korvette sei wie eine kleine Festung.
Bei seinen regelmäßigen Inspektionsgängen unter Deck hatte er den Stolz des Zimmermanns verstehen gelernt, denn die Sparrow war als Kriegsschiff gebaut worden. Sie war nicht, wie viele andere Einheiten, von der Handelsmarine, die geringere Ansprüche stellte, sondern durch die Kriegsflotte angekauft worden. Die kräftigen Spanten der Korvette waren in ihren Krümmungen gewachsen und nicht mit der Säge ausgeschnitten worden, so daß der Rumpf die ganze zusätzliche Sicherheit natürlicher Stärke besaß. Abgesehen von einigen zerfaserten Einschußlöchern unter dem Achterdeck, welche die Werkzeuge und Hilfe der New Yorker Werften erforderten, konnte sein Schiff segeln und kämpfen wie zuvor. Dies machte die Verzögerung im Hafen um so unerträglicher.
Bolitho hatte den Konteradmiral Christie an Bord des Flaggschiffs besuchen dürfen, hatte aber dabei nicht viel darüber erfahren, wann sein Schiff wieder auslaufen könne. Ironisch hatte der Admiral bemerkt:»Wenn Sie mit General Blundell weniger Scherereien gehabt hätten, stünden die Dinge vielleicht anders.»
Als Bolitho versucht hatte, mehr aus ihm herauszubringen, hatte er ärgerlich geantwortet:»Ich weiß, der General war im Unrecht, als er sich so verhielt, wie er es tat. Ganz New York weiß das inzwischen. Vielleicht wird er sogar zur Rechenschaft gezogen werden, wenn er nach England zurückkehrt. Da ich aber seinen Einfluß in gewissen Kreisen kenne, muß ich das bezweifeln. Es ist Ihre Sache, Bolitho, daß Sie ihn gedemütigt haben. Sie haben recht gehandelt, und ich habe bereits einen Bericht abgefaßt, der mein Vertrauen in Sie bezeugt. Aber man macht sich mit dem rechten Weg nicht immer beliebt.»
Eine besondere Nachricht aber hing über Bolitho wie eine dunkle Wolke. Sie schien ihn zu quälen, während er Tag um Tag versuchte, sein Schiff seeklar zu machen. Eine einlaufende Brigg hatte Neuigkeiten von dem KaperschiffBonaventure gebracht. Es hatte einigen Versorgungs- und Kriegsschiffen Gefechte geliefert, zwei Prisen genommen und eine Korvette, ein Geleitschiff, versenkt. Genau, wie er es geahnt hatte. Aber das Schlimmste für ihn war, daß der Freibeuter an die Stelle des damaligen Seegefechtes zurückgekehrt war und die zerschossene Fregatte Miranda gefunden hatte.
Eine Handvoll Überlebender war in einem kleinen treibenden Boot entdeckt worden. Einige waren verwundet oder vor Durst halb irr, die anderen niedergeschlagen und wie betäubt, da sie doch so viel gearbeitet hatten, um ihr Schiff zu retten.