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Foley fragte ruhig:»Wann werden Sie Anker lichten, Kapitän?»

Bolitho fiel die Qual in seinen Augen auf und das Zögern, mit dem er die Frage widerwillig hindehnte.

«Wie mir mitgeteilt wurde, stehen Tide und Strömung eine Stunde nach der Morgendämmerung günstig für uns.»

Der General machte mit dem erhobenen Weinglas eine plötzliche Bewegung, so daß der Bursche den Wein aus der Karaffe über die Planken goß.

«Zum Teufel, von was reden Sie eigentlich?«Er rappelte sich im Stuhl hoch.»Sie können sofort segeln. Ich hörte, wie Ihre Leute sagten, die Zeit sei jetzt ebensogut zum Auslaufen.»

Bolitho blickte ihm kalt ins Gesicht.»Das ist nur teilweise richtig, Sir. Aber wenn ich zu warten habe, bis die Verwundeten und Kranken die Bucht erreichen, so muß ich mich auf die nächste Tide einstellen. «Seine Stimme wurde härter.»Ich habe meinen Ersten Leutnant mit vierzig Mann losgeschickt, um ihnen auf dem Marsch hierher zu helfen. Ich bete zu Gott, daß wir ihnen noch mehr Leiden ersparen können.»

Der General kam wankend auf seine Füße, seine Augen blitzten zornig.»Foley, sagen Sie diesem jungen Emporkömmling folgendes: Weiter oben im Fahrwasser liegt ein feindliches Schiff, und es darf keine Zeit vertan werden. Ich habe in den letzten paar Tagen genug mitgemacht, und ich befehle Ihnen, daß Sie…»

Bolitho fiel ihm ins Wort:»Meine Befehle, Sir, lauten, daß ich bei diesem Unternehmen das Kommando über den Transport habe. Diese Befehle machen keinen Unterschied zwischen Goldbarren und Menschen.»

Der Zorn rumorte ihm im Magen wie Brandy.»Das bezieht sich auch auf die Leute, die zu schwach und krank sind, um für sich selbst zu sorgen. Ist es nicht so, Oberst?»

Foley starrte ihn an. Seine Augen lagen im Schatten. Als er zu sprechen anfing, war seine Stimme verändert, heiser.

«Es ist wahr, Kapitän. Sie haben das Kommando. «Er fuhr herum und wandte sich gegen seinen erstaunten Vorgesetzten.»Wir, Sir James, sind ebenso Fracht.»

Bolitho drehte sich um und verließ die Kajüte. An Deck schien ihm die Luft reiner zu sein, und er blieb an der Reling über einen Zwölfpfünder gelehnt einige Minuten regungslos stehen.

Unten auf dem Geschützdeck bewegten sich überall Leute, und von der Kombüse wehte der Geruch geschmorten Fleisches herüber. Sogar Lock mußte wohl von dem Anblick der abgerissenen, erschöpften Soldaten so überwältigt sein, daß er den Koch nicht zurückhalten mochte.

Bolitho hörte Foleys Stiefel neben sich, aber er wandte sich nicht um.

«Vielen Dank, Kapitän, von mir und meinen Männern. Und von jenen, die ihr Leben Ihrer Menschlichkeit verdanken — und Ihrem Mut. «Als Bolitho sich umdrehte, hielt er ihm seine Hand hin.»Wegen dieser Haltung können Sie Ihre ganze Laufbahn aufs Spiel setzen. Sie wissen das sehr gut.»

Bolitho zuckte die Achseln.»Lieber das, als mit einer üblen Erinnerung leben.»

Irgendwo im Finstern erscholl ein Ruf, und ein Kutter wurde auf die Küste zugerudert.

«Ich konnte diese Männer nicht zurücklassen. «Er schritt zu den Wanten.»Wenn notwendig, werde ich eher das Gold über Bord werfen lassen.»

«Ja, Kapitän, ich glaube Ihnen.»

Aber Foley hatte in die leere Finsternis gesprochen. Als er die Reling erreichte, sah er die Gig schon unterwegs zum Ufer. Und Bolitho saß neben Stockdale an der Pinne. Der Oberst spähte aufs Geschützdeck hinunter. Wo würden all die Leute untergebracht werden? Er hörte das Quietschen der Riemen, als das erste Boot von der Küste ablegte. Eines schien ihm sicher. Bolitho würde irgendwo Platz schaffen und wenn es ihn seinen Rang kosten sollte.

VII Wagen oder Sterben

Bolitho öffnete seine Augen und starrte auf die Schale dampfenden Kaffees, die Stockdale ihm über die Kojenkante reichte. Mühsam setzte er sich auf. Seine Gedanken versuchten mit den außergewöhnlichen Umständen zurechtzukommen. Draußen begann es bereits zu dämmern. Er befand sich in der kleinen Kajüte Tyrells, die durch eine Stellwand vom Meßraum abgetrennt war, und als er die Tasse an seine Lippen hielt, konnte er sich noch immer nicht erinnern, wie er hierher gekommen war.

Stockdale wisperte heiser:»Sie haben eine gute Stunde lang geschlafen, Sir. Ich wecke Sie nur sehr ungern auf. «Er zuckte schwerfällig die Achseln.»Aber Ihr letzter Befehl war, alle Männer vor Dämmerung zu wecken.»

Bolithos wirre Gedanken klärten sich plötzlich. Er spürte jetzt die ungleichmäßige Bewegung um sich, das Ächzen von Stagen und Wanten.

«Der Wind, wie ist er?«Er warf seine Beine über die Kojenkante und versuchte, ein Gefühl der Unsauberkeit und Zerschlagenheit zu überwinden.

«Legt zu, Sir. «Stockdales Stimme klang unglücklich.»Aus West.»

«Verdammt. «Bolitho hielt die Tasse noch in der Hand, als er sich aus der Kajüte stürzte. Beinahe wäre er über eine Reihe schlafender Soldaten gestolpert. Obwohl er sich so rasch wie möglich ein Bild von der Lage machen mußte, blieb er einen Augenblick bewegungslos stehen und starrte sie an. Er erinnerte sich an die langen Nachtstunden, an den Strom kranker und verwundeter Soldaten, den seine Seeleute an Bord geleitet hatten. Einige würden den nächsten Tag nicht mehr erleben, andere, von Fieber oder der Qual faulender Wunden gepeinigt, waren zu Skeletten abgemagert.

Immer noch fühlte er in sich jenen kalten Zorn und die Scham, als es ihm bewußt geworden war, daß die meisten dieser Männer auf den Maultieren hätten transportiert werden können, anstatt in der Nacht Schritt für Schritt hinter ihren Kameraden hertaumeln zu müssen. Dieser General!

Er stieg über die erschöpften Menschen zum Achterdeck hinauf. Tyrell kam sofort auf ihn zu.

«Sie wissen schon über den Wind Bescheid, Sir?»

Bolitho nickte und ging zu den Wanten. Die Bucht lag im blassen Morgenlicht wie aufgerauhter Stahl. Kleine Wellen schlugen gegen den Schiffsrumpf und schoben sanft, doch stetig, so daß die Ankertrossen straff gespannt waren.

Buckle erschien an seiner Seite. Sein Gesicht war grau vor Müdigkeit.»Wir können nicht einmal den kleinsten Fetzen Segel setzen, Sir. Wir haben die Küste genau in Lee. «Bolitho starrte über die Backbordseite zu dem dunklen Landstreifen, der sich in der Dämmerung immer deutlicher abzeichnete, dann zu dem Vorsprung, um den der Fluß und das tiefe Fahrwasser herumströmten.

«Wir werden bleiben müssen, wo wir sind, und können nur hoffen, daß der Franzmann das gleiche im Sinn hat«, meinte Graves. Aber seine Stimme war voller Zweifel.

Bolitho schüttelte den Kopf. Leise sprach er seine Gedanken aus.»Der Franzose wird denken, daß wir hier sind, auch wenn er unsre Stärke nicht genau kennt. In jedem Fall wird er bald Anker lichten und in offenes Wasser auslaufen. Wenn er uns im Vorbeisegeln sieht, wird er ohne Zögern seine Breitseiten auf uns abfeuern.»

Er spähte zu den Rahen hinauf, wo einige Toppsgasten die letzten Reste der Laubtarnung über Bord warfen. Über ihren Köpfen deutete die Spitze des Standers auf das Ufer zu, und die Bucht enthüllte im fahlen Licht wieder ihre Formen. Bolitho sah die vielen Fußstapfen, die kleinen Erdhügel, wo einige Soldaten, die Rettung bereits vor Augen, gestorben waren und begraben lagen. Rettung! Er rieb sich das Kinn und versuchte, folgerichtig zu denken.

Waren sie erst draußen in der Delaware Bay, konnten sie Segel setzen und zur Ausfahrt in die offene See hinauskreuzen. Anderseits lag der Franzose günstiger zur Windrichtung. Er konnte, wenn er wollte, sogar ankern und die Sparrow, die hilflos in der kleinen Bucht lag, zu einem Wrack zusammenschießen. Wenn sie sank, würden ihre Masten über die Wasseroberfläche ragen. Eine grausige Vorstellung!

Bolitho kam zu einem Entschluß.»Mr. Tyrell, lassen Sie den Warpanker ausbrechen und alle Boote an Bord hieven.»

Er blickte auf die Laschings mit den langen Riemen.»Wir werden sehen, was wir heute damit ausrichten können.»

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