«Marssegel Geitaue! Vorwärts Leute!«Bethunes Stimme übertönte die gebrüllten Befehle und das flappende Schlagen der Segel.»Vom Flaggschiff an Sparrow, Sir. Kapitän an Bord melden. «Bolitho nickte.»Bestätigen. «Der Admiral schien es recht eilig zu haben.»Ruder legen!»
Sanft und mühelos drehte die Sparrow ihren Klüverbaum gegen den Wind. Die Toppsgasten wetteiferten miteinander, die störrischen Segel aufzutuchen.
«Fallen Anker!»
Mit kurzem Platschen tauchte der Anker in die See und sank auf den Grund. Noch bevor sich Graves umwandte, um dem Achterdeck das Zeichen zu geben, daß der Anker gefaßt hatte, brüllte Tilby, der Bootsmann, bereits nach Leuten, die die Gig ausschwenken sollten.
Tyrell kam nach achtern und tippte an den Hut.
«Hoffentlich gibt's gute Nachrichten, Sir!»
«Danke.»
Bolitho fragte sich, wie es wohl in Tyrells Gedanken aussehen mochte. Er war nach seiner heimatlichen Küste zurückgekehrt. Sandy Hook. Auf seines Vaters Schoner mußte er hier oft entlanggesegelt sein. Aber außer einer zurückhaltenden Wachsamkeit, die er seit dem Gefecht zeigte, verrieten seine Züge nichts von dem, was er dachte. Tyrell hatte keine Mühen gescheut, die Schäden am Schiff zu reparieren. Er hatte eine Art, die man im ersten Augenblick als lässig, ja sogar flüchtig bezeichnen würde. Aber es gab keinen Zweifel an seinen Fähigkeiten oder an der Schärfe seiner Worte, wenn jemand töricht genug war, sein Gebaren für Schwäche zu halten.
«Ich glaube nicht, daß ich lange auf dem Flaggschiff sein werde. «Bolitho sah zu, wie die Besatzung der Gig sich über die Seite ins Boot hinunterschwang.
«Vielleicht wird Sie der Admiral zum Essen einladen, Sir. «Tyrells Augen zwinkerten mit verhaltenem Lächeln.»Ich glaube, die alte Parthian ist für ihre gute Küche berühmt.»
«Gig ist klar, Sir«, rief Stockdale.
Bolitho sah Tyrell an.»Treffen Sie die erforderlichen Maßnahmen zur Frischwasser- und Proviantübernahme. Ich habe Mr. Lock bereits gesagt, er solle sehen, frisches Obst zu beschaffen.»
Tyrell folgte ihm bis zur Schanzkleidpforte, wo die Seitenwache angetreten war.
Nach kurzem Zögern fragte er leise:»Wenn Sie irgend etwas erfahren könnten, was mit. «Er zuckte die Achseln.»Aber ich glaube, Sie werden zu viel zu erledigen haben.»
Bolitho ließ seine Augen über die Seeleute schweifen. Hatte er sie kennengelernt, seitdem er das Kommando übernommen hatte? Wußte er überhaupt, was sie von ihm dachten?
«Ich werde tun, was ich kann«, antwortete er dann.»Vielleicht hat Ihr Vater irgendeine Nachricht für Sie geschickt.»
Tyrell starrte ihm nach, wie er ins Boot kletterte. In seinen Ohren schrillten die Bootsmannspfeifen.
Als Bolitho durch eine vergoldete Gangwaypforte die Parthian bestieg und mit dem Hut zum Achterdeck hin grüßte, fühlte er sich augenblicklich an die Trojan erinnert, an das Leben, das er erst vor kurzer Zeit hinter sich gelassen hatte. All die bekannten Gerüche, die vertrauten Bilder stürmten auf ihn ein, und er wunderte sich, daß er schon so vieles aus jenen Tagen vergessen hatte.
Ein Leutnant führte ihn zur Kajüte des Flaggkapitäns und nahm ihm die Depeschen und einen Postsack ab, den die Miranda aus England mitgebracht hatte.
«Der Admiral wird das zuerst lesen wollen, Sir. «Seine Augen glitten rasch über Bolithos neuen Uniformrock. Vielleicht suchte er nach einer Antwort auf die ständige Frage: Warum er und nicht ich?
Eine ganze, endlos sich dehnende Stunde lang mußte Bolitho warten. Um sich selbst davon abzuhalten, immer wieder nach der Uhr zu sehen, zwang er sich, auf die Geräusche an Bord zu achten, auf den altbekannten Lärm einer wimmelnden Gemeinschaft, die in einem einzigen mächtigen Schiffsrumpf zusammengepfercht war. Er brauchte seine Einbildungskraft kaum zu bemühen, um Kapitän Pears' schneidende Stimme tadeln zu hören:»Mr. Bolitho, sehen Sie denn nicht, daß die Luv-Fockbrasse so lose ist wie ein Sauschwanz? Bei meiner Seele, Sir, Sie werden sich mehr anstrengen müssen, wenn Sie weiterkommen wollen.»
Er lächelte wehmütig, als der Leutnant endlich zurückkehrte und ihn ohne weitere Umstände nach achtern in die große Heckkajüte führte. Sir Evelyn Christie, Konteradmiral und Kommandeur des Küstengeschwaders, fächelte sein Gesicht mit einer Serviette, und nach einem prüfenden Blick auf Bolitho sagte er kurz:»Ein Glas Bordeaux, Kommandant?»
Er wartete nicht auf eine Antwort, sondern winkte seinem Diener, einem prächtig aussehenden Mann in roter Jacke und leuchtendgelben Hosen.
«Ich war ein wenig überrascht, den Bericht mit Ihrem Namen unterzeichnet zu sehen.»
Die Augen des Admirals waren auf den Bordeaux gerichtet, als ob er den Diener warnen wollte, nur ja keinen Tropfen zu verschütten.
«Sie schreiben, daß Ransome am Fieber gestorben ist.»
Er nahm sein Glas und prüfte es kritisch.
«Eine verdammt faule Sache. Wenn Sie mich fragen, war er ein junger Fatzke, zuviel Geld und verdammt keine Ehrlichkeit.»
Nachdem er Ransome so mit ein paar Worten abgetan hatte, fuhr er ruhig fort:»Ich nehme an, daß Sie sich über die Änderung der Pläne Gedanken gemacht haben, eh?»
Bolitho fühlte, wie ein Stuhl hinter seine Beine geschoben wurde, und bemerkte, daß es der schweigende Diener irgendwie fertiggebracht hatte, geräuschlos und fast ohne sich zu bewegen, ein Glas Bordeaux auf einem kleinen Tischchen abzustellen und einen Stuhl zu holen.
Der Admiral runzelte die Stirn.»Beachten Sie ihn nicht. Der Kerl ist ein Narr. «Mit Schärfe fügte er hinzu:»Nun?»
Bolitho war ein wenig aus der Fassung gebracht.
«Ich erwartete, daß.»
Konteradmiral Christie unterbrach ihn:»Ja, natürlich, das kann ich mir denken.»
Er machte eine Pause und hielt seinen Kopf schief wie ein gereizter Vogel.»Der Bordeaux, ist er gut?»
«Sehr gut, Sir Evelyn!»
«Hmm. «Der Admiral ließ sich vorsichtig in einem vergoldeten Sessel nieder.»Hab' ihn im vergangenen Monat einem Blockadebrecher abgenommen. Schmeckt angenehm.»
Über ihm krachte irgendein Metallgegenstand auf das Deck.
Der Admiral fuhr hoch und zischte seinen Diener böse an:»Gehen Sie und melden Sie dem Wachoffizier mit meiner freundlichen Empfehlung, daß ich ihn persönlich zur Verantwortung ziehen werde, wenn ich während dieser Unterredung noch einen einzigen unpassenden Laut höre.»
Der Diener stürzte aus der Kajüte, und in den Zügen des Admirals erschien ein leichtes Grinsen.
«Man muß sie in Trab halten, das ist meine Antwort. Man darf ihnen nicht zuviel Zeit zum Nachdenken geben.»
Im nächsten Augenblick ging er wieder auf anderen Kurs.
«Tatsache, Bolitho, die Dinge stehen nicht sehr gut für uns. Gott sei Dank sind wenigstens Sie ein Mann, der seine Befehle zu befolgen weiß. Vielleicht hätte ich an Ihrer Stelle gesagt, zum Teufel, wegen so einem verdammten Patrouillenboot herumzulungern. Am Ende wäre ich gar so weit gegangen, die Transportschiffe direkt der Armee zu übergeben.»
Bolitho horchte auf. Es klang zwar ziemlich echt, aber vielleicht wollte der Admiral eine gewisse Kritik durchblicken lassen. Vielleicht meinte er, daß er selbst die Initiative hätte ergreifen und seine ursprünglichen Befehle befolgen sollen, anstatt so zu handeln, wie er es getan hatte.
Aber die nächsten Worte des Admirals nahmen diese Besorgnis wieder von ihm.
«Sie konnten das natürlich nicht wissen, aber die Armee ist im Begriff, Philadelphia zu räumen. Rückzug!«Er betrachtete sein leeres Glas.»Klingt besser als Flucht, aber es bedeutet letztlich dasselbe.»
Bolitho war wie betäubt. Gelegentliche Rückschläge konnte er verstehen. Dieser Krieg war so ausgedehnt, die Gebiete so weit und unbekannt, daß man einen Kriegsplan im alten Stil nicht erwarten konnte. Aber es war undenkbar, Philadelphia, die wichtigste Garnison am Delaware, zu räumen. Trotz seiner Vorsicht fuhr es ihm heraus:»Aber das war doch sicher unnötig, Sir? Ich dachte, wir hätten alle amerikanischen Forts und Vorposten am Delaware im vergangenen Jahr zerstört?»