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Bolitho lächelte.»Keine Angst, später werde ich schon Zeit finden, das zu essen.»

Es war sonderbar, daß allein schon das Auftauchen eines fremden Schiffes und der erste Hauch leiser Erregung ihm den Appetit zurückgegeben hatte. Während Stockdale ihm den Degen umgürtete und den Rock reichte, goß er sich etwas Kaffee hinunter.

Vielleicht hatte die Miranda einen Feind gesichtet und brauchte nun Hilfe, um ihn angreifen zu können. Vielleicht war der Krieg zu Ende oder ein anderer Krieg irgendwo in der Welt ausgebrochen. Er erwog eine schier endlose Reihe von Möglichkeiten.

Bolitho blickte auf und sah Tyrell durch das offene Skylight herunterspähen.

«Herr Kapitän, der Gig der Fawn legt von der Fregatte ab.»

«Danke. «Bolitho verbarg, so gut er konnte, seine Enttäuschung.

«Das ging aber schnell!»

Als Tyrell verschwunden war, fügte er ruhig hinzu:»Wir werden nun genug Zeit zum Frühstücken haben.»

Doch er hatte sich geirrt. Gerade als er seinen Degen ablegte, erschien Tyrells Gesicht wieder im Skylight. Seine Stimme dröhnte in der engen Kajüte.»Signal von der Fawn, Sir! Kapitäne umgehend an Bord kommen!»

Mit einem Satz verschwand Stockdale aus der Kajüte. Heiser krächzend rief er nach der Bootsbesatzung, die Tilby, der Bootsmann, vorsorglich bereits an Deck zusammengestellt hatte.

In irrsinniger Eile wurde das Boot außenbords geschwenkt und längsseits gefiert. Ohne an Würde oder Vorsicht zu denken, stürzte sich Bolitho über das Schanzkleid ins Heck der Gig hinunter. Sein Degen klapperte gegen das Dollbord und ließ ihn fast auf die Köpfe der Ruderer stolpern.

«Riemen bei, Ruder an!«brüllte Stockdale und flüsterte dann leise, doch mit drohendem Unterton:»Denkt dran, meine Schönen, wenn einer von euch einen Schlag verpatzt, werde ich-ihm gewaltig einheizen!»

Das Boot schien über die See zu fliegen. Als Bolitho endlich seine gelassene Haltung zurückgewonnen hatte und achteraus blickte, war die Sparrow schon eine Kabellänge entfernt. Sie lag beigedreht im blassen Sonnenschein und schlingerte fürchterlich in der Dünung. Ihre Segel flappten und schlugen haltlos.

Trotz seiner Besorgnis und der ruhelos jagenden Gedanken fand Bolitho Zeit, sein Schiff zu bewundern. Früher hatte er oft die Achterkajüte eines vorübersegelnden Kriegsschiffes angestarrt und über den Kapitän, der sie bewohnte, nachgedacht, welch ein Mensch er wohl war und welche Fähigkeiten er besaß. Und nun konnte er immer noch nicht so recht daran glauben, daß die Heckkajüte der Sparrow seine Kajüte war und daß sich andere nun über ihn selbst ihre Gedanken machten.

Er wandte sich wieder nach vorn und sah, wie die Umrisse der Fawn sich vor die träge dümpelnde Fregatte schoben. Bei der Pforte im Schanzkleid bewegten sich mehrere Männer, um ihn mit allen Förmlichkeiten zu empfangen. Er lächelte vor sich hin. Selbst im Rachen der Hölle war es undenkbar, daß ein Kapitän, mochte er auch noch so jung sein, ohne die angemessenen Ehrenbezeigungen behandelt wurde.

An der Pforte erwartete ihn Maulby, der Kommandant der Fawn. Er war sehr hager, und hätte er sich nicht stark vornüber geneigt gehalten, so wäre er um einiges länger als sechs Fuß gewesen. Bolitho fand, daß für solch einen Mann das Leben zwischen den niedrigen Decks einer Korvette sehr unbequem sein mußte.

Maulby schien einige Jahre älter als er zu sein und hatte eine lässige, gedehnte Art zu sprechen. Doch schien er einigermaßen umgänglich und hieß ihn an Bord seines Schiffes willkommen.

Als sie sich unter das Achterdeck bückten, meinte Maulby:»Der kleine Admiral scheint ziemlich aufgeregt zu sein.»

Bolitho blieb stehen und starrte ihn an.»Wer?»

Maulby zuckte schlaksig die Achseln.»In der Flottille nennen wir Colquhoun immer unseren kleinen Admiral. Er hat so eine Art, sich als solcher aufzuführen, ohne den entsprechenden Dienstrang zu haben. «Er lachte, seine gebeugten Schultern berührten die Decksbalken, und es sah aus, als ob er das Oberdeck mit seinem Körper stützte.»Sie machen aber ein entsetztes Gesicht, mein Freund!»

Bolitho grinste. Er fand, daß Maulby ein Mann war, den man vom ersten Augenblick an gern haben mußte und dem man trauen konnte. Aber niemals zuvor hatte er beim ersten Zusammentreffen zweier Untergebener solche Reden über ihren Vorgesetzten gehört. Auf manchen Schiffen hätte das zu einer Katastrophe geführt.

«Nein, Sie haben mich erfrischt und aufgeheitert«, antwortete er. Die Heckkajüte war so groß wie seine eigene, doch sonst gab es keine Ähnlichkeit. Sie war einfach, ja spartanisch. Er erinnerte sich an Tyrells Zorn, seinen bitteren Angriff gegen den» weiblichen Geschmack».

Colquhoun saß am Tisch, hatte sein Kinn in die Hand gestützt und starrte auf einige soeben geöffnete Depeschen.

Ohne aufzusehen, sagte er:»Nehmen Sie beide Platz, ich muß mich noch mit dieser Angelegenheit befassen.»

Maulby zwinkerte Bolitho bedeutungsvoll zu.

Bolitho blickte weg. Maulbys unbekümmerte Haltung ihrem Vorgesetzten gegenüber war beängstigend.»Der kleine Admiral!«Es paßte gut auf Colquhoun.

Maulby schien die Fähigkeit zu besitzen, sich lässig zu geben, ohne daß man ihm etwas vormachen konnte. Bolitho hatte bemerkt, wie flink sich seine Leute über das Geschützdeck bewegten, wie klar Befehle weitergegeben und befolgt wurden. Bolitho hatte die anderen Kapitäne der Flottille noch nicht getroffen. Wenn sie alle solch ausgefallene Vögel waren wie Maulby, dann war es kein Wunder, daß Colquhoun Zeichen von Überlastung zeigte. Vielleicht fielen solch eigenwillige Charaktere auf kleinen Schiffen auch mehr auf. Er dachte an Pears auf der alten Trojan, an seine zerfurchten Züge, die sich niemals, unter keinen Umständen, je verändert hatten. Im Sturm vor einer Leeküste, unter feindlichem Feuer, beim Auspeitschen oder Befördern eines Matrosen, immer war er zurückhaltend geblieben, und stets hatte er jenseits persönlichen Kontaktes gestanden. Bolitho fand es unmöglich, sich Maulby — seine Gedanken zögerten — oder sich selbst mit solch himmelhohen, gottähnlichen Kräften ausgestattet vorzustellen.

Colquhoun unterbrach mit scharfer, schneidender Stimme seine Gedanken.»Der Kapitän der Miranda hat ernste Nachrichten gebracht. «Er hielt seinen Blick noch immer auf die Depeschen gesenkt.»Frankreich hat einen Bündnisvertrag mit den Amerikanern unterzeichnet. Das bedeutet, daß General Washington die volle Unterstützung regulärer französischer Truppen und eine mächtige Flotte zur Verfügung haben wird.»

Bolitho fuhr in seinem Stuhl herum. Diese Neuigkeiten machten ihn betroffen. Die Franzosen hatten schon vorher viel für ihre neuen Verbündeten getan. Aber dies bedeutete, daß der Krieg nun ganz offen geführt wurde. Es bewies auch, daß die Franzosen stärkeres Vertrauen in die Siegeschancen der Amerikaner setzten.

Colquhoun stand rasch auf und starrte durch die Heckfenster.

«Die Miranda hat Depeschen und geheime Nachrichten für das Oberkommando in New York an Bord. Sie lief von Plymouth zusammen mit einer Brigg aus, die Duplikate der Depeschen nach Antigua bringen sollte. Kurz nachdem die Schiffe den Kanal passiert hatten, gerieten sie in einen Sturm, und seitdem ist die Brigg verschollen.»

«Von den Franzosen geschnappt, Sir?«fragte Maulby ruhig. Colquhoun fuhr zu ihm herum. Seine Stimme klang unerwartet zornig.

«Was, zum Teufel, macht das aus? Geschnappt oder gesunken, entmastet oder von Würmern aufgefressen, für uns macht das keinen Unterschied, oder?»

Plötzlich erkannte Bolitho die Ursache seines Angriffs. Wäre Colquhoun in Antigua geblieben, bis sein eigenes Schiff fertig überholt gewesen wäre, dann hätte Maulby das Kommando über den Geleitzug gehabt. Der Kapitän der Miranda, der höher im Dienstrang stand als Maulby, mußte seine Neuigkeiten auf schnellstem Wege nach New York bringen. So hätte er Maulby befohlen, Anordnungen zu treffen, damit die Depeschen ohne Verzögerung nach Antigua gebracht würden. Niemand hätte sich auf das Überleben der Brigg verlassen und Tatenlosigkeit damit entschuldigen können. Durch eine Wendung des Schicksals oder durch Colquhouns Auftrag, den Befehl über seine Schiffe auf See zu behalten, hatte der Kapitän der Miranda die Entscheidung an ihn weitergeben können.

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