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Zerrt' ihn grausam, ich sage nicht mehr — Erbärmlich zu schreien

Und zu heulen begann der Wolf mit offenem Munde.

Reineke zog die Tatze behend aus den klemmenden Zähnen,

Hielt mit beiden den Wolf nun immer fester und fester,

Kneipt' und zog; da heulte der Wolf und schrie so gewaltig

Daß er Blut zu speien begann, es brach ihm vor Schmerzen

Über und über der Schweiß durch seine Zotten, er löste

Sich vor Angst. Das freute den Fuchs, nun hofft' er zu siegen,

Hielt ihn immer mit Händen und Zähnen, und große Bedrängnis,

Große Pein kam über den Wolf, er gab sich verloren.

Blut rann über sein Haupt, aus seinen Augen, er stürzte

Nieder, betäubt. Es hätte der Fuchs des Goldes die Fülle

Nicht für diesen Anblick genommen; so hielt er ihn immer

Fest und schleppte den Wolf und zog, daß alle das Elend

Sahen, und kneipt' und druckt' und biß und klaute den Armen,

Der mit dumpfem Geheul im Staub und eigenen Unrat

Sich mit Zuckungen wälzte, mit ungebärdigem Wesen.

Seine Freunde jammerten laut, sie baten den König:

Aufzunehmen den Kampf, wenn es ihm also beliebte.

Und der König versetzte: Sobald Euch allen bedünket,

Allen lieb ist, daß es geschehe, so bin ichs zufrieden.

Und der König gebot: die beiden Wärter des Kreises,

Lynx und Lupardus, sollten zu beiden Kämpfern hineingehn.

Und sie traten darauf in die Schranken und sprachen dem Sieger

Reineke zu: es sei nun genug, es wünsche der König,

Aufzunehmen den Kampf, den Zwist geendigt zu sehen.

Er verlangt, so fuhren sie fort: Ihr mögt ihm den Gegner

Überlassen, das Leben dem Überwundenen schenken.

Denn, wenn einer getötet in diesem Zweikampf erläge,

Wäre es schade auf jeglicher Seite. Ihr habt ja den Vorteil!

Alle sahen es, Klein und Große. Auch fallen die besten

Männer Euch bei, Ihr habt sie für Euch auf immer gewonnen.

Reineke sprach: Ich werde dafür mich dankbar beweisen!

Gerne folg ich dem Willen des Königs, und was sich gebühret,

Tu ich gern; ich habe gesiegt, und Schöners verlang ich

Nichts zu erleben! Es gönne mir nur der König das Eine,

Daß ich meine Freunde befrage. Da riefen die Freunde

Reinekens alle: Es dünket uns gut, den Willen des Königs

Gleich zu erfüllen. Sie kamen zu Scharen zum Sieger gelaufen,

Alle Verwandte, der Dachs und der Affe und Otter und Biber.

Seine Freunde waren nun auch der Marder, die Wiesel,

Hermelin und Eichhorn und viele, die ihn befeindet,

Seinen Namen zuvor nicht nennen mochten, sie liefen

Alle zu ihm. Da fanden sich auch, die sonst ihn verklagten,

Seine Verwandte anjetzt, und brachten Weiber und Kinder,

Große, mittlere, kleine, dazu die kleinsten; es tat ihm

Jeglicher schön, sie schmeichelten ihm und konnten nicht enden.

In der Welt gehts immer so zu. Dem Glücklichen sagt man:

Bleibet lange gesund! er findet Freunde die Menge.

Aber wem es übel gerät, der mag sich gedulden!

Ebenso fand es sich hier. Ein jeglicher wollte der nächste

Neben dem Sieger sich blähn. Die einen flöteten, andre

Sangen, bliesen Posaunen und schlugen Pauken dazwischen.

Reinekens Freunde sprachen zu ihm: Erfreut Euch, Ihr habet

Euch und Euer Geschlecht in dieser Stunde gehoben!

Sehr betrübten wir uns, Euch unterliegen zu sehen,

Doch es wandte sich bald, es war ein treffliches Stückchen.

Reineke sprach: Es ist mit geglückt, und dankte den Freunden.

Also gingen sie hin mit großem Getümmel, vor allen

Reineke mit den Wärtern des Kreises, und so gelangten

Sie zum Throne des Königs, da kniete Reineke nieder.

Aufstehn hieß ihn der König und sagte vor allen den Herren:

Euren Tag bewahrtet Ihr wohl, Ihr habet mit Ehren

Eure Sache vollführt, deswegen sprech ich Euch ledig;

Alle Strafe hebet sich auf, ich werde darüber

Nächstens sprechen im Rat mit meinen Edlen, sobald nur

Isegrim wieder geheilt ist; für heute schließ ich die Sache.

Eurem Rate, gnädiger Herr, versetzte bescheiden

Reineke drauf: ist heilsam zu folgen; Ihr wißt es am besten.

Als ich hierher kam, klagten so viele, sie logen dem Wolfe,

Meinem mächtigen Feinde, zulieb, der wollte mich stürzen,

Hatte mich fast in seiner Gewalt; da riefen die andern:

Kreuzige! klagten mit ihm, nur mich aufs letzte zu bringen,

Ihm gefällig zu sein; denn alle konnten bemerken:

Besser stand er bei Euch als ich, und keiner gedachte

Weder ans Ende, noch wie sich vielleicht die Wahrheit verhalte.

Jenen Hunden vergleich ich sie wohl, die pflegten in Menge

Vor der Küche zu stehn und hofften, es werde wohl ihrer

Auch der günstige Koch mit einigen Knochen gedenken.

Einen ihrer Gesellen erblickten die wartenden Hunde,

Der ein Stück gesottenes Fleisch dem Koche genommen

Und nicht eilig genug zu seinem Unglück davonsprang.

Denn es begoß ihn der Koch mit heißem Wasser von hinten

Und verbrüht' ihm den Schwanz; doch ließ er die Beute nicht fallen,

Mengte sich unter die andern, sie aber sprachen zusammen:

Seht, wie diesen der Koch vor allen andern begünstigt!

Seht, welch köstliches Stück er ihm gab! Und jener versetzte:

Wenig begreift ihr davon, ihr lobt und preist mich von vorne,

Wo es euch freilich gefällt, das köstliche Fleisch zu erblicken;

Aber beseht mich von hinten und preist mich glücklich, wofern ihr

Eure Meinung nicht ändert. Da sie ihn aber besahen,

War er schrecklich verbrannt, es fielen die Haare herunter,

Und die Haut verschrumpft' ihm am Leib. Ein Grauen befiel sie,

Niemand wollte zur Küche, sie liefen und ließen ihn stehen.

Herr, die Gierigen mein ich hiermit. Solange sie mächtig

Sind, verlangt sie ein jeder zu seinem Freunde zu haben.

Stündlich sieht man sie, sie tragen das Fleisch in dem Munde.

Wer sich nicht nach ihnen bequemt, der muß es entgelten,

Loben muß man sie immer, so übel sie handeln, und also

Stärkt man sie nur in sträflicher Tat. So tut es ein jeder,

Der nicht das Ende bedenkt. Doch werden solche Gesellen

Öfters gestraft, und ihre Gewalt nimmt ein trauriges Ende.

Niemand leidet sie mehr, so fallen zur Rechten und Linken

Ihnen die Haare vom Leibe. Das sind die vorigen Freunde,

Groß und klein, sie fallen nun ab und lassen sie nackend;

So wie sämtliche Hunde sogleich den Gesellen verließen,

Als sie den Schaden bemerkt und seine geschändete Hälfte.

Gnädiger Herr, Ihr werdet verstehn, von Reineken soll man

Nie so reden, es sollen die Freunde sich meiner nicht schämen.

Euer Gnaden dank ich aufs beste, und könnt ich nur immer

Euren Willen erfahren, ich würd ihn gerne vollbringen.

Viele Worte helfen uns nichts, versetzte der König:

Alles hab ich gehört und, was Ihr meinet, verstanden.

Euch, als edlen Baron, Euch will ich im Rate wie vormals

Wiedersehen, ich mach Euch zur Pflicht, zu jeglicher Stunde

Meinen geheimen Rat zu besuchen. So bring ich Euch wieder

Völlig zu Ehren und Macht, und Ihr verdient es, ich hoffe.

Helfet alles zum besten wenden. Ich kann Euch am Hofe

Nicht entbehren, und wenn Ihr die Weisheit mit Tugend verbindet,

So wird niemand über Euch gehn und schärfer und klüger

Rat und Wege bezeichnen. Ich werde künftig die Klagen

Über Euch weiter nicht hören. Und Ihr sollt immer an meiner

Stelle reden und handeln als Kanzler des Reiches. Es sei Euch

Also mein Siegel befohlen, und was Ihr tuet und schreibet,

Bleibe getan und geschrieben. — So hat nun Reineke billig

Sich zu großen Gunsten geschwungen, und alles befolgt man,

Was er rät und beschließt, zu Frommen oder zu Schaden.

Reineke dankte dem König und sprach: Mein edler Gebieter,

Zu viel Ehre tut Ihr mir an, ich will es gedenken,

Wie ich hoffe Verstand zu behalten. Ihr sollt es erfahren.

Wie es dem Wolf indessen erging, vernehmen wir kürzlich.

Überwunden lag er im Kreise und übel behandelt,

Weib und Freunde gingen zu ihm und Hinze, der Kater,

Braun, der Bär, und Kind und Gesind und seine Verwandten.

Klagend legten sie ihn auf eine Bahre, man hatte

Wohl mit Heu sie gepolstert, ihn warm zu halten, und trugen

Aus dem Kreis ihn heraus. Man untersuchte die Wunden,

Zählete sechsundzwanzig; es kamen viele Chirurgen,

Die sogleich ihn verbanden und heilende Tropfen ihm reichten.

Alle Glieder waren ihm lahm. Sie rieben ihm gleichfalls

Kraut ins Ohr, er nieste gewaltig von vornen und hinten.

Und sie sprachen zusammen: Wir wollen ihn salben und baden;

Trösteten solchergestalt des Wolfes traurige Sippschaft,

Legten ihn sorglich zu Bette, da schlief er, aber nicht lange,

Wachte verworren und kümmerte sich, die Schande, die Schmerzen

Setzten ihm zu, er jammerte laut und schien zu verzweifeln;

Sorglich wartete Gieremund sein, mit traurigem Mute,

Dachte den großen Verlust. Mit mannigfaltigen Schmerzen

Stand sie, bedauerte sich und ihre Kinder und Freunde,

Sah den leidenden Mann, er konnt es niemals verwinden,

Raste vor Schmerz, der Schmerz war groß und traurig die Folgen.

Reineken aber behagte das wohl, er schwatzte vergnüglich

Seinen Freunden was vor und hörte sich preisen und loben.

Hohen Mutes schied er von dannen. Der gnädige König

Sandte Geleite mit ihm und sagte freundlich zum Abschied:

Kommt bald wieder! Da kniete der Fuchs am Throne zur Erden,

Sprach: Ich dank Euch von Herzen und meiner gnädigen Frauen,

Eurem Rate, den Herren zusamt. Es spare, mein König,

Gott zu vielen Ehren Euch auf, und was Ihr begehret,

Tu ich gern, ich lieb Euch gewiß und bin es Euch schuldig.

Jetzo, wenn Ihrs vergönnt, gedenk ich nach Hause zu reisen,

Meine Frau und Kinder zu sehn, sie warten und trauren.

Reiset nur hin, versetzte der König: und fürchtet nichts weiter.

Also machte sich Reineke fort, vor allen begünstigt.

Manche seines Gelichters verstehen dieselbigen Künste,

Rote Bärte tragen nicht alle; doch sind sie geborgen.

Reineke zog mit seinem Geschlecht, mit vierzig Verwandten,

Stolz von Hofe, sie waren geehrt und freuten sich dessen.

Als ein Herr trat Reineke vor, es folgten die andern.

Frohen Mutes erzeigt' er sich da, es war ihm der Wedel

Breit geworden, er hatte die Gunst des Königs gefunden.

War nun wieder im Rat und dachte, wie er es nutzte.

Wen ich liebe, dem frommts, und meine Freunde genießens,

Also dacht er: die Weisheit ist mehr als Gold zu verehren.

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