Литмир - Электронная Библиотека
A
A

»Mombars betrügt niemals. Er raubt, brandschatzt, foltert und mordet, aber niemals betrügt er.«

Sebastián Heredia sprang auf, als hätte ihn eine giftige Schlange gebissen.

»Mombars, der Todesengel!« rief er entsetzt aus. »Gütiger Gott! Bist du verrückt geworden? Dieser Kerl ist ein Sadist.«

»Nicht bei seinen Leuten«, tönte es seelenruhig zurück. »Seine Männer verehren ihn.«

»Wilde, die ihn für einen Gott halten!« entgegnete der Margariteno, ging auf eine winzige Balustrade hinaus und betrachtete das Meer, in dem sich die Mondsichel spiegelte. »Außerdem soll er sich schon vor Jahren zurückgezogen haben. Einige sagen sogar, daß er tot ist.«

»Er ist quicklebendig, kehrt aufs Meer zurück und wird bald kommen, auch wenn er sein Schiff niemals in der Bucht ankern läßt. Soll ich ein Treffen mit ihm arrangieren?«

»Mit Mombars?« empörte sich Sebastián Heredia. »Ich müßte verrückt sein!«

Bei der Eroberung Jamaikas leisteten sich die Engländer eine Reihe kapitaler Irrtümer, die es durchaus mit der stellenweise geradezu stümperhaften Vorgehensweise aufnehmen konnten, mit der sich die Spanier in der Neuen Welt etablierten.

Als Oliver Cromwell den Zeitpunkt für gekommen sah, seinen schlimmsten Feind im Herzen des spanischen Weltreichs zu bekämpfen, ernannte er William Penn – den Vater des Mannes, der das spätere Pennsylvania kolonisierte – zum Kommandanten einer 38 Schiffe zählenden Flotte. Auf dieser sollten sich Soldaten unter dem Oberbefehl von General Robert Venables einschiffen, um die Insel Santo Domingo oder Hispaniola zu erobern, die zu dieser Zeit entvölkert und weitgehend ohne Verteidigung war.

Nach kurzem Aufenthalt auf Barbados gingen knapp 7000 Männer an der Küste von Santo Domingo an Land. Sie wußten, daß der spanische Gouverneur, der Conde de Pefialva, lediglich auf etwas über hundert Veteranen zählen konnte.

Die Schlacht zwischen zwei so ungleichen Gegnern hätte man getrost als Fußnote der Geschichte abhaken können, wäre Robert Venables nicht einer der unfähigsten Strategen in einer langen Kette unfähiger Generäle gewesen. Statt die Hauptstadt im. Sturm zu nehmen, landete er weit entfernt an einer unwirtlichen Küste und zwang seine Männer, tagelang in brütender Hitze vorzurücken. Wie die Fliegen sanken die bedauernswerten Soldaten zu Boden, die an ein wesentlich milderes Klima gewohnt waren.

Admiral Penn, der den General verachtete und haßte, ließ ihn voller Schadenfreude an Land herumirren und wartete in aller Seelenruhe darauf, daß Venables ihn schließlich um Hilfe anflehen würde, um ihn aus der grausamen Falle zu befreien, die er sich selbst gestellt hatte. Eine kleine, aber kampferprobte Schar spanischer Soldaten des Conde de Penalva wandte nämlich eine schlaue Guerilla-Taktik an, mit der sie die blauäugigen Engländer unbarmherzig dezimierte.

Als es Penn schließlich dämmerte, daß eine spanische Hundertschaft ausreichte, das starke Expeditionskorps zu vernichten, war es bereits zu spät: Die meisten Männer waren tot oder desertiert, und diejenigen, die es schafften, an Bord der Schiffe zurückzukehren, boten ein Bild des Jammers.

Angesichts eines so kapitalen Fehlschlags, für den sich beide in gleicher Weise verantwortlich fühlten, kamen William Penn und Robert Venables überein, die Anker zu lichten und die Nachbarinsel Jamaika zu »erobern«. Dort, davon waren sie überzeugt, gab es keine gefürchteten spanischen Soldaten. Sie nahmen die Insel in Besitz, pflanzten ihre Fahne auf, gründeten Port-Royal und hinterließen dort eine große Garnison. Anschließend kehrten sie nach London zurück, um Oliver Cromwell zu berichten, daß sie statt des »dürren« Santo Domingo lieber das fruchtbare Jamaika erobert hatten.

Als Lohn für ihre Mühe warf sie der Lord Protector von England in den Tower von London, netterweise immerhin in benachbarte Verliese. So konnten sie sich zu jeder Tages- und Nachtzeit Beleidigungen an den Kopf werfen.

Selbst Cromwell mußte aber einräumen, daß er endlich einen Brückenkopf in den Antillen hatte, auch wenn es nur das wilde Jamaika war. Doch um sich dort zu halten, mußte er die Insel mit englischen Bürgern bevölkern.

Die englischen Bürger teilten jedoch seine Begeisterung für das heiße Moskitoreich überhaupt nicht. Auf die patriotischen Aufrufe antworteten sie, wenn Cromwell von Engländern verlangte, sich von Moskitos auffressen zu lassen, sollte er gefälligst selbst fahren.

Weil sich die Engländer stur stellten, ließ Oliver Cromwell seinen Sohn Henry, den er zum General der in Irland stationierten Truppen ernannt hatte, gesunde junge Männer und Frauen einfangen, um Jamaika zu bevölkern. Er selbst verfrachtete alle Schotten, die in diesem Augenblick im Gefängnis saßen, in die Karibik.

Auf diese Weise schickte Großbritannien in nicht einmal vier Jahren über siebentausend weiße Sklaven nach Jamaika. Diese mußten auf ihre klingenden Nachnamen schottischer oder irischer Herkunft verzichten und solche annehmen, die dem Lord Protector besser gefielen und von Städten, Farben, Blumen oder Berufen hergeleitet wurden.

Auf Jamaika zahlten die Zuckerpflanzer 1500 Pfund für jeden dieser Sklaven, und bis zu zweitausend, wenn es sich um ein schönes Mädchen handelte.

Mit dem steigenden Rumkonsum wurden aber auch die Plantagen immer größer, was den Bedarf an Arbeitern in die Höhe schnellen ließ. So entwickelte sich in England ein regelrechter Handel mit geraubten Kindern niedriger Herkunft, die man als Schmuggelware in die Kolonien schickte. Gleichzeitig stand auf das lächerlichste Delikt, das noch nicht einmal bewiesen sein mußte, eine Mindeststrafe von vier Jahren Zwangsarbeit auf den Zuckerplantagen.

Natürlich kassierte die Krone einen saftigen Anteil an dem Preis, den die »Importeure« für diese menschliche Fracht bezahlten. Dann entschlossen sich die Königin, der Herzog von York und Prinz Rupert dazu, die Royal African Company zu gründen, die Sklaven auf dem schwarzen Kontinent einfing. Es hatte sich nämlich erwiesen, daß Afrikaner die harte Arbeit in drückender Hitze eher aushielten als Weiße.

In einem Zeitraum von etwas über zwanzig Jahren führte das königliche Unternehmen an die 80 000 schwarze Sklaven zum durchschnittlichen Preis von 17 Pfund pro Kopf ein. Der Handel war allgemein soweit akzeptiert und einträglich, daß sich sogar Lloyds einschaltete, die menschliche Fracht versicherte und zehn Pfund für jeden Kranken zahlte, der »ins Meer zu werfen war, damit er die übrige Ladung nicht anstecken konnte«.

Der grausame Menschenhandel wäre auf diese Weise wohl noch lange weitergegangen, hätte nicht ein Jahrhundert später ein gewisser Kapitän Collingwood aus Liverpool nahezu tausend Männer, Frauen und Kinder ins Meer werfen lassen. Das war der Mehrheit des bis dahin »verständnisvollen« Parlaments dann doch zu viel.

Als Sebastián Heredia bei Tagesanbruch fast widerstrebend das warme Bett der feurigen Astrid verließ, war er überrascht, daß es in den Straßen von Port-Royal trotz der frühen Morgenstunde vor Leuten geradezu wimmelte. Jetzt waren es aber keine Huren und Betrunkene mehr, sondern Geschäftsleute, die in der Morgenkühle ihre Transaktionen abwickelten, bevor sie vor der Tropenhitze in ihre vornehmen Häuser flüchteten.

England war zwar mit anderthalb Jahrhunderten Verspätung in der Neuen Welt gelandet, das aber mit der Geschäftstüchtigkeit eines Privatunternehmens, dessen Aktivitäten nicht ständig von bürokratischen Blutsaugern der Casa de Contratación von Sevilla abgewürgt wurden.

Während man in der übrigen Karibik zur höheren Ehre Gottes und der Krone eher schlecht als recht lebte, machte man auf Jamaika und Barbados lieber Geschäfte zur höheren Ehre der Menschen. Das »weiße Gold«, der Zucker, versetzte Berge, während die Seeräuberei inzwischen die Meere zum Kochen brachte.

Das Geld wechselte mit faszinierender Geschwindigkeit den Besitzer, und der Geruch des schnöden Mammons zog Menschen aus allen möglichen Ländern an. Denen ging es nicht mehr so sehr um das schnelle Geld mit Seeräuberei, Glücksspiel oder Prostitution: Sie wollten lieber auf »ehrlichere« Weise reich werden, auch wenn das länger dauerte.

43
{"b":"155279","o":1}