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Überall arbeiteten Matrosen und besserten Sturmschäden aus. Sie wechselten oder spleißten Tauwerk und nahmen Segel herunter, die geflickt und fortgelegt wurden. Bolitho schaute zum Niedergang, wo ein Bootsmannsmaat das Abtakeln einer Gräting beaufsichtigte. Wieder war ein Mann ausgepeitscht worden. Es war schlimmer als sonst gewesen, auch nachdem Ozzard das Oberlicht geschlossen hatte: das Kreischen des Sturms in der Takelage, das gelegentliche Knallen der gerefften Marssegel, und die ganze Zeit hindurch das Rattern der Trommeln und das widerliche Klatschen der Peitsche auf dem nackten Rücken eines

Mannes. Bolitho sah Blut auf den Planken, schon verwaschen von dem überkommenden Spritzwasser. Drei Dutzend Hiebe. Ein auf der Höhe des Sturms überforderter Mann, dazu ein Offizier, der unfähig war, die Angelegenheit auf der Stelle zu bereinigen.

Haven hielt sich in seinen Räumen auf, und Bolitho war froh, daß er ihm nicht an Deck begegnet war. Die Männer sahen erschöpft und verärgert aus. Sogar Jenour, der noch nicht lange auf See diente, hatte es bemerkt.

Der Admiral erbat sich das Fernglas des Signalfähnrichs und sah dank der starken Linse die Korvette klar vor sich, dazu die jedesmal aufschäumende Gischt, wenn sie mit ihren Stückpforten in die hochgehende See tauchte. Er fragte sich, was ihr Kommandant wohl denken mochte, während er Wind und Wellen abritt, um in der Nähe seines Admirals zu bleiben. Es war ein weiter Weg für den einstigen Fähnrich der Euryalus.

Weit voraus an Backbord lag mit grünen Büschen bestandenes Land, die Insel Barbuda. Sie hätten sie schon am ersten Tag passieren sollen. Er dachte wieder an den Schoner und an Catherine; statt die Straße zu benutzen, hatte sie den Skipper gebeten, sie die kurze Strecke von Antigua nach St. John's zu segeln.

Ein kleines Schiff hatte gegen einen derartigen Sturm keine Chance. Sein Skipper mußte entweder vor dem Wind ablaufen oder Schutz suchen. Selbst größere Schiffe hatten schwer unter diesem Wetter zu leiden und konnten stranden. Bolitho umfaßte das Teleskop so fest, daß seine Finger schmerzten. Warum hatte sie das nur getan? Vielleicht klammerte sie sich jetzt verzweifelt an ein Wrackstück oder lag schon tief unten auf dem Meeresboden. Sie konnte die Topplaternen der Hyperion gesehen und gewußt haben, daß es sein Schiff war, das sich entfernte.

Der Segelmeister riet dem Wachoffizier:»Ich schlage vor, daß Sie die Bramsegel setzen, Mr. Mansforth.»

Der Leutnant nickte. Sein Gesicht war ziegelrot vom Gischthagel.»Ich informiere den Kommandanten.»

Er warf einen Blick auf die hohe Gestalt des Vizeadmirals an der Windseite. Ohne Hut, mit dem in die Stirn geklatschten schwarzen Haar, sah er einem Straßenräuber ähnlicher.

Jenour grüßte.»Irgendwelche Befehle, Sir Richard?»

Bolitho gab dem Fähnrich das Glas zurück.»Der Wind läßt nach. Bitte signalisieren Sie den Transportern, dicht beieinander zu bleiben. Wir sind noch nicht außer Gefahr.»

Die vier Schiffe, die sich die Ladung teilten, standen in Lee der zwei Vierundsiebziger. Mit einer vorausspähenden und einer wie ein Wachhund hinterdrein ziehenden Brigg mußten sie rechtzeitig gewarnt werden, sollte sich ein verdächtiges Segel zeigen. Dann konnten die beiden Linienschiffe Hyperion und Obdurate entscheiden, wann sie sich dem Konvoi zu nähern oder aufzukreuzen und sich mit Phaedra zu vereinigen hatten.

Bunte Flaggen schwirrten zur Rah empor und standen so steif im Wind wie bemaltes Metall.»Signal bestätigt, Sir Richard.»

Jenour wisperte:»Der Kommandant kommt.»

Bolitho fühlte aufsteigenden Ärger. Sie verhielten sich eher wie Verschwörer statt wie eine Mannschaft.

Haven schritt langsam das Deck ab. Seine Blicke überflogen die Reihe der Kanonen, die aufgeschossenen Taue, alles. Dann war er anscheinend überzeugt, daß er sich dessen, was er sah, nicht zu schämen brauchte, und näherte sich Bolitho.

Er salutierte mit ausdruckslosem Gesicht, Bolithos nasses Hemd und die von den Spritzern fleckige Hose musternd.»Ich beabsichtige, mehr Segel zu setzen, Sir Richard. Wir können sie jetzt vertragen.»

Bolitho war einverstanden.»Signalisieren Sie der Obdurate, sie soll sich uns anpassen. Ich möchte nicht, daß wir auseinandergeraten.»

Kapitän Thynne hatte in der vergangenen Nacht zwei Mann über Bord verloren und bei backgebraßtem Kreuzmarssegel ein Boot ausgesetzt. Aber keiner der Unglücklichen wurde gefunden. Entweder waren sie von ganz oben gefallen und hatten beim Aufschlagen aufs Wasser die Besinnung verloren, oder aber sie konnten wie die meisten Seeleute nicht schwimmen. Bolitho wollte den Zwischenfall nicht mehr erwähnen.

Doch Haven schnaubte übellaunig:»Ich setze das Signal sofort, Sir Richard. Thynne sollte seine Leute wirklich besser drillen, dann muß er auch nicht trödeln, wenn irgendein Narr durch eigene Unvorsichtigkeit über Bord geht. «Er winkte dem Leutnant der Wache.»Vorwärts! Aufentern und Bramsegel losmachen, Mr. Mansforth. «Dann befahl er dem Fähnrich:»Signal an alle: mehr Segel setzen.»

Er schaute sich suchend um. Plötzlich schnellte sein Zeigefinger vor.»Der Mann da! Was, zum Teufel, untersteht er sich?«geiferte er.

Der Betreffende war dabei, sein nasses Hemd auszuwringen. Er stand vor Schreck stocksteif, während andere sich seitwärts verdrückten, damit sie nicht Havens Zorn auf sich zogen.

In diesem Moment rief ein Bootsmannsmaat:»Das geht in Ordnung, Sir, ich hab's ihm erlaubt.»

Zornig wandte sich Haven ab.

Aber Bolitho hatte die Dankbarkeit in den Augen des Matrosen gesehen und ahnte, daß der Bootsmannsmaat nichts dergleichen erlaubt hatte. War die Crew Havens schon so überdrüssig, daß sich sogar die Unteroffiziere gegen ihn stellten?

«Kapitän Haven!«rief er.

Havens Ärger schien verraucht. Es war widerwärtig zu sehen, wie schnell er in Wut geriet und sich vor dem Admiral wieder zu beherrschen wußte.

«Auf ein Wort, wenn's beliebt. «Bolitho fuhr fort:»Dieses Schiff ist unter Ihrem Befehl oder unter meiner Flagge noch nie im Gefecht gewesen. Ich lege Ihnen nahe, daran zu denken, wenn Sie demnächst wieder einen Mann beschimpfen, der seit zwei Tagen und Nächten ununterbrochen schuftet. «Es fiel ihm schwer, ruhig zu sprechen.»Wenn die Zeit kommt, alle Mann auf Gefechtstation zu rufen, werden Sie unbedingte Loyalität brauchen.»

Haven stotterte:»Ich kenne diese Unruhestifter.»

«Hören Sie zu, Kapitän Haven. Alle diese Männer, gute und schlechte, Geduldige und Unruhestifter, wird man zum Kampf aufrufen. Habe ich mich klar ausgedrückt? Loyalität aber will verdient werden. Einem Kommandanten mit Ihrer Erfahrung sollte man das nicht erst sagen müssen. Ebensowenig sollten Sie mich zwingen, Sie daran zu erinnern, daß ich keine sinnlosen Brutalitäten dulde.»

Haven starrte ihn an, seine Augen glühten vor Entrüstung.»Ich habe keine Unterstützung, Sir Richard! Einige in meiner Offiziersmesse sind so grün wie Gras, und mein Erster, Mr. Parris, ist mehr damit beschäftigt, sich selbst in günstiges Licht zu setzen, als die Besatzung zu drillen. Bei Gott, ich könnte Ihnen Dinge über ihn erzählen…»

Bolitho fuhr auf.»Schluß damit! Sie sind mein Flaggkapitän und haben meine Unterstützung. «Er ließ die Worte wirken, ehe er fortfuhr:»Ich weiß, was Sie quält, aber wenn Sie mein Vertrauen noch einmal mißbrauchen, schicke ich Sie mit dem nächsten Schiff nach England!»

In diesem Augenblick erschien Parris an Deck. Während die Toppgasten wieder einmal herausgepfiffen wurden, um mehr Segel zu setzen, schaute er erst den Admiral an und dann seinen Kommandanten. Haven drückte seinen Hut fester und sagte nur:»Machen Sie weiter, Mr. Parris.»

Parris schien überrascht, daß es keinen Anpfiff gab.

Die Seeleute enterten behende wie Affen auf, und Haven sagte steif:»Auch ich habe meine Maßstäbe, Sir Richard.»

Doch Bolitho entließ ihn wortlos und wandte sich wieder der fernen Insel zu. Allday stand wenige Schritte entfernt, er schien ihn neuerdings nicht mehr allein zu lassen. Jetzt meinte er:»Diese Inselschoner sind kräftige Fahrzeuge, Sir Richard.»

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