«Aber Sie haben doch ein Erkennungssignal?»
Aas ling gab es kleinlaut zu.
«Dann benutzen Sie es, wenn's gefällig ist.»
Jenour flüsterte warnend:»Schweden mag darin eine Kriegshandlung sehen, Sir Richard.»
Bolitho spähte zum dunklen Land hinüber.»Neutralität im Krieg gibt es nicht, Stephen. Ehe Stockho lm davon erfährt, ist hoffentlich alles vorbei und vergessen. «Grob fügte er hinzu:»Ich habe schon eine Menge dieser angeblich neutralen Krämer erlebt, darum bewacht den Mann gut.»
Und mit erhobener Stimme, die den schwedischen Kapitän aufhorchen ließ:»Nur ein verräterisches Zeichen, und ich lasse ihn an der Rah hängen!»
Weitere Seeleute kamen mit ihren Waffen an Bord geklettert. Was scherten sie sich um Neutralität und jene, die sich dahinter verbargen, solange sie davon profitierten? Für ihr einfaches Denken war man entweder Freund oder Feind.
Parris grinste in der Dunkelheit mit weißen Zähnen.»Hiernach, Sir Richard, überrascht mich nichts mehr.»
Bolitho massierte sein Auge.»Gut für Sie.»
Parris schritt davon, man hörte ihn jeden Mann beim Namen rufen. Sie antworteten ihm in vertrautem Ton. Kein Wunder, daß die kleine Besatzung des Schoners eingeschüchtert war. Die britischen Matrosen hantierten auf ihrem Deck herum, als ob sie es ihr ganzes Leben gekannt hätten. Bolitho entsann sich dessen, was ihm sein Vater einmal über britische Seeleute gesagt hatte:»Setze sie in völliger Dunkelheit auf ein fremdes Schiff, und sie werden in wenigen Minuten oben auf den Rahen auslegen, so gut beherrschen sie ihr Handwerk. «Was hätte er wohl hierzu gesagt?» Ankerspill besetzt, Sir!»
Das war ein Fähnrich namens Hazlewood, dreizehn Jahre alt und in seiner ersten Stellung. Bolitho hörte, wie ihn Parris scharf anwies, in Rufweite zu bleiben.»Ich wünsche keine verdammten Helden, Mr. Hazlewood.»
Genauso war Adam gewesen.
«Hievt, ihr Burschen!»
Aus der Dunkelheit kam die Stimme eines Spaßvogels:»Unser Dick besorgt uns heute spanisches Gold für Grog, eh?«Er wurde von einem Feldwebel schnell zur Ordnung gerufen.
Bolitho stand neben dem schwedischen Kapitän und versuchte, sein Mitgefühl zu unterdrücken, das er trotz allem für den Mann empfand. Nach dieser Nacht würde sich sein ganzes Leben ändern. Eines war sicher: Er würde nie wieder ein Schiff führen.
«Anker ist auf, Sir!»
«Setzt die Segel, Jungs!»
Bloße Füße klatschten auf die feuchten Planken, als der vom Ankerkabel befreite Schoner abfiel. Die Stagen zitterten und summten, das Großsegel blähte sich über geduckten Gestalten. Bolitho hielt sich an den Wanten fest und faßte sich in Geduld, bis der Schoner in Gang kam und mit Booten und Leichter im Schlepp seinen Bugspriet nach Osten richtete.
Parris schien überall zugleich zu sein. Hatte der Überfall Erfolg, konnte er leicht der ranghöchste Überlebende sein. Bolitho war überrascht, daß er der Möglichkeit seines eigenen Todes ohne Gefühlsregung ins Auge sah. Nun bat Parris, die Geschütze laden zu dürfen.»Ich denke, es ist das Beste, die Sechspfünder mit Doppelkugeln laden zu lassen, Sir, und das braucht seine Zeit.»
Bolitho war einverstanden, es schien ihm eine vernünftige Vorsichtsmaßnahme.»Und, Mr. Parris, schärfen Sie Ihren Leuten ein, die Schonerbesatzung gut zu bewachen. Ich möchte sie nicht auf ihrem eigenen Schiff eingesperrt untergehen lassen, falls die Spanier uns beschießen, aber ich traue keinem von ihnen auch nur einen Finger breit.»
Parris lächelte.»Bootsmannsgehilfe Dacie ist gut darin, Sir Richard.»
Um die Geschütze flitzten Gestalten. Bolitho hörte sie flüstern, während sie Pulverladungen und Kugeln in die Rohre rammten. Nun taten sie etwas, das sie verstanden und das man ihnen täglich eingepaukt hatte, seit sie des Königs Schiff betreten hatten.
Jenour schien ein wenig Schwedisch zu können und wechselte hin und wieder ein Wort mit dem Steuermann der Spica. Schließlich wurden zwei große Flaggen gebracht und von Fähnrich Hazlewood an die Leine geknüpft.
Es wurde langsam heller. Bolitho bewegte sich an Deck, prägte sich Gesichter ein, sah nach, wo jeder Mann seine Station hatte. Spica zog gut unter dem Druck der Segel. Zunehmende Erregung erfüllte ihn, die auch der Singsang des Lotgasten nicht dämpfen konnte. Er sah den schlanken Rumpf des Schoners vor sich, der sich unablässig zwischen versteckten Sandbänken hindurchwand, zuweilen mit nur wenigen Fuß Wasser unterm Kiel. Bei Tage hätten sie den Schatten der Spica auf dem Meeresboden gesehen.
«Alle Geschütze geladen, Sir!»
«Sehr gut.»
Bolitho fragte sich, wie es wohl Leutnant Dalmain mit seinen zwei Mörsern auf dem geschleppten Leichter ging. Für den Fall, daß der Angriff fehlschlug und Thor nicht mehr in der Lage war, die Leute abzuholen, sollte sich Dalmain an die Küste treiben lassen und sich ergeben. Bolitho schnitt eine Grimasse. Er wußte, was er unter solchen Umständen getan hätte. Seeleute hegten Mißtrauen gegen das Land. Während andere die See als Feind oder als Hindernis ansahen, würden Männer wie Dalmain die
Fluchtchance ergreifen, die sie bot, selbst in einem so untauglichen Fahrzeug wie einem Leichter.
Jenour gesellte sich zu ihnen am Ruder und meldete:»Der schwedische Steuermann sagt, wir sind schon an der Batterie vorbei. Das größte Schatzschiff ankert in Linie mit dem ersten Fort. Es ist die Ciudadde Sevilla.»
Bolitho klopfte ihm auf die Schulter.»Das haben Sie gut gemacht. «Er sah die Karte vor sich. Es war genauso wie von Price beschrieben: das neue Fort erhob sich auf einem Felsensockel aus der See.
Der Lotgast rief plötzlich:»An der zweiten Marke!»
Parris murmelte:»Allmächtiger Gott, so flach!»
Bolitho befahl:»Einen Strich abfallen!«Er starrte ins Kompaßgehäuse.»Wer steht am Ruder?»
«Laker, Sir.»
Bolitho drehte sich wieder um. Der Seemann, der ausgepeitscht werden sollte.
Laker meldete:»Südost liegt an, Sir!»
Der Lotgast vorn gab Entwarnung:»An der Marke sieben!»
Bolitho öffnete die geballten Fäuste. Spica hatte also die Untiefen hinter sich gelassen und tieferes Wasser erreicht. Doch wehe, wenn die Karte mit ihren spärlichen Daten unrecht hatte.
«Marke fünfzehn!«Der Jubel in des Mannes Stimme war nicht zu überhören. Die Karte war nicht falsch, sie waren durch.
Bolitho ging zur Heckreling und spähte nach ihrem Schleppzug aus. Die weißen Bugwellen leuchteten wie Flaumfedern auf dunklem Grund.
Allday bemerkte:»Sonnenaufgang jede Minute, Sir Richard. «Es klang gereizt.»Ich wäre wirklich froh, sie wieder untergehen zu sehen.»
Bolitho lockerte den Degen in seiner Scheide; er vermißte seine alte Waffe. Er malte sich aus, wie Adam sie trug, dazu Belindas beherrschtes Gesicht, wenn sie die Nachricht von seinem Tod erhielt.
Laut aber brummte er:»Genug der Melancholie, alter Freund! Wir haben schon Schlimmeres überstanden.»
Allday beobachtete ihn unbewegt in der Dämmerung.»Ich weiß, Sir Richard, ich werde nur manchmal.»
Seine Augen leuchteten auf, Bolitho ergriff ihn am Arm.
«Die Sonne! Unser Freund oder Feind? Das fragt sich noch.»
«Klar zum Wenden!«Parris' Stimme klang sorglos.»Zwei Mann mehr an die Vorbrasse, Keats!»
«Aye, aye, Sir.»
Bolitho versuchte, sich Keats' Gesicht vorzustellen. Statt dessen kamen andere, ältere zum Vorschein: die Toten der Hyperion. Standen sie auf, um ihn, der zu ihnen gehörte, nun zu sich zu holen? Der Gedanke ließ ihn erschauern. Er schnallte die Scheide ab und warf sie fort, während er den Degen in der Hand balancierte.
Tageslicht floß golden übers Wasser. An Steuerbord dehnte sich die noch formenlose Masse des Landes. Irgendwo reflektierte ein Glasfenster kurz einen Sonnenstrahl, der Wimpel an ihrer Mastspitze glühte im ersten Licht wie eine Lanzenspitze auf. Das Fort lag fast in Linie mit dem Klüverbaum: ein Viereck, das sich deutlich vom Land abhob und auf das sie direkt zuhielten.