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Er hörte die Backbord-Stückpforten beim Aufgehen quietschen; dann warfen sich auf Soames' Kommandogebell die Geschützbedienungen in die Züge, die schwarzen Mündungen schoben sich immer schneller rumpelnd ans Tageslicht und standen drohend über dem milchigen Wasser.

Davy faßte an den Hut.»Alle Geschütze ausgerannt, Sir!»

Sein Gesicht war hager vor Anspannung.

«Danke.»

Bolitho behielt den dunklen Kegel quer vor der Durchfahrt im Auge. Kein weiteres Mündungsfeuer blitzte aus diesen mächtigen Rohren. Es hatte geklappt. Selbst wenn die Besatzung der Festung noch imstande war, einige Geschütze von der Landseite herüber zu schaffen, geschah das doch zu spät, um die Undine noch zu treffen, die jetzt in den treibenden Rauchvorhang stieß.

Er beschattete die Augen und starrte auf den Fetzen Land, auf jene dunklen Striche — die Masten und Rahen der ersten Fregatte. Bald. Sehr bald. Er faßte den Degen so fest, daß seine

Knöchel weiß hervortraten. Tief innen fühlte er Schmerz und Zorn, eine wachsende, blinde Wut, die nur Rache für Herrick lindern konnte.

Und dann kehrte das Sonnenlicht zurück, wurde mit jeder Minute stärker. Bolitho enterte ein Stück in die Luvwanten auf, unbekümmert um Wind und Sprühwasser, das auf seinem Rock hängenblieb wie perlweiße Schmuckspangen. Vor der Undine lief ihr langer Schatten über das kabblige Wasser, sein eigener Schatten war dabei deutlich zu unterscheiden wie ein Detail in einem Webmuster.

Er blickte zu Mudge hinunter.»Klar zum Kurswechsel, sobald wir die Landspitze passiert haben!»

Er wartete, bis die Brassen bemannt waren, wo nun die Sonne die bloßen Rücken beschien, eine Tätowierung oder einen besonders langen Zopf hervorhebend. Dann sprang er an Deck und zerrte an seinem Halstuch, als würge es ihn.

«Marineinfanteristen, Achtung!«Bellairs hatte seinen eleganten Schleppsäbel gezogen und musterte seine Männer, die sich auf den dichtgepackten Hängematten eine Auflage für ihre langen Musketen suchten.

Neben jeder offenen Stückpforte kauerte ein Geschützführer und hatte seine Abzugsleine schon fast straffgespannt, während er darauf lauerte, daß er ein Ziel vors Rohr bekam.

Das Stückchen Land sprang ins Blickfeld, als ob es das Schiff berühren wollte. Die Bugwelle kräuselte das Wasser zwischen ein paar zerklüfteten Felsen, die Bolitho von seinem Besuch her noch in Erinnerung hatte.

«Klar bei Brassen!»

Mudge brüllte:»Ruder nach Backbord! Lebhaft!»

Wie ein Vollblutpferd warf sich die Undine unter dem Druck von Segel und Ruder herum; die Rahen kamen gleichzeitig über, als sie ins Sonnenlicht drehte.

«Ruder Nordost zu Ost!«Mudge warf sich mit der ganzen Kraft seines ungefügen Körpers mit in die Speichen.»Stützen, ihr Mistkerle!»

Ein paarmal krachte es dumpf, und eine Kugel flog mit einem Knall wie von einer Peitsche durch das Vormarssegel.

Bolitho nahm kaum Notiz davon. Er starrte die vor Anker liegende Fregatte an, das Gewimmel auf ihren Rahen und an Deck, die Vorbereitungen zum Ankerlichten.

Davy war ebenso enttäuscht wie er.»Das ist ja gar nicht die Argus, Sir!»

Bolitho nickte. Es war die andere Fregatte. Die, welche von ihrer Besatzung aufgegeben worden war. Er kniff die Augen zusammen und versuchte, jede einzelne Bewegung zu beobachten, um sich vorzustellen, was geschehen war.

Le Chaumareys war weg. Zufall? Oder hatte er wieder einmal seine Überlegenheit bewiesen, seine Gerissenheit, die noch nie übertrumpft worden war?

Wild schwang er die alte Klinge über seinem Haupt und brüllte:»Steuerbordbatterie! Auf das erkannte Ziel!«Blitzend fuhr der Degen nieder. »Feuer!»

Brüllend brach die Breitseite aus der Undine, Geschütz nach Geschütz erfaßte sein Ziel. Soames tobte an jedem rücklaufenden Verschlußblock vorbei, brüllte die Männer an und beobachtete durch die Stückpforten die Wirkung des Beschusses. Rauch drang aus den Pforten und rollte auf das gegnerische Schiff zu.

Hier und da blitzte drüben ein erwiderndes Geschütz auf; mindestens eine Kugel schmetterte in die Bordwand der Undine, Bolitho spürte die Decksplanken unter seinen Füßen erbeben.

Unter Flüchen und Gebrüll ihrer Bedienungen mischten sich jetzt auch die Achterdecksgeschütze ein. Die plumpen Sechspfünder stießen auf ihren Schienen innenbords, mit brennenden Augen wischten die Mannschaften die Rohre aus und rammten in Sekundenschnelle die neuen Ladungen hinein.

Hoch über ihren Köpfen, rechts und links geräuschvoll ins Wasser platschend, erreichte sie eine Salve kleinerer Kaliber, ob von der Festung oder der Fregatte, das wußte Bolitho nicht, und es war ihm auch gleich. Lebhaften Schrittes überquerte er das Deck und sah dabei nur die kahlgeschossenen Masten des gegnerischen Schiffes, den bunten Wimpel mit dem aufgebäumten Wappentier und die wachsende Qualmwolke der unaufhörlich einschlagenden Salven der Undine.

Einmal überlief ihn ein Schauder, als er ein verkohltes Treibgut achteraus vorbeischaukeln sah: einen kopflosen Leichnam, der sich im Kielwasser der Undine drehte, rote Blutfäden gleich obszönen Algen hinter sich herziehend.

Herrick hatte gewußt, daß die Argus verschwunden war, er hatte die Reede lange vor der Undine überblickt. Er hatte nicht gezögert. Wieder fühlte Bolitho ein stechendes Brennen in den Augen, Wut und Haß brodelten in ihm hoch. Wieder krachten die Achterdeckgeschütze, bei den scharfen Detonationen zog sich ihm der Magen zusammen. Die Bedienungen stürzten mit Handspeichen vor, um die Kanonen für die nächste Salve auszurichten.

Herrick hatte es akzeptiert — wie früher auch. Dafür hatte er gelebt.

Laut, ohne sich um Mudge und Davy zu scheren, stieß er hervor:»Diese idiotischen Intriganten! Hol sie der Teufel für ihre Dummheit!»

«Die Fregatte hat die Ankertrosse gekappt, Sir!«schrie Keen.

Bolitho rannte zu den Netzen, fühlte dabei dicht vor seinen Füßen eine Musketenkugel ins Deck schlagen. Es stimmte — Muljadis Schiff trieb unbeholfen in Wind und Strömung, sein Heck schwang wie ein Torflügel quer vor die Undine. Jemand mußte da die Nerven verloren haben, oder vielleicht war in dem Durcheinander ein Befehl mißverstanden worden.

Er brüllte:»Wir gehen längsseits! Klar bei Marsfallen! Ruder hart Lee!»

Wieder stürzten die Männer an die Brassen, donnernd schlugen die Marssegel in plötzlicher Freiheit, elegant schwang die Undine nach Backbord, bis ihr Klüverbaum auf die ferne Pier und die schwelenden Trümmer wies.

Soames kommandierte:»Richten! Fertig!«Seine rotgeränderten Augen wanderten an der Reihe keuchender Geschützbedienungen entlang, wie ein Marschallstab deutete sein Degen:»Schafft den Mann da weg!«Er rannte hin und half, einen Verwundeten von einem Zwölfpfünder wegzuziehen.»Jetzt!«Sein Degen fuhr nieder.»Breitseite!»

Diesmal feuerte die ganze Batterie in einer einzigen krachenden Flammenwand, aus der lange rote Zungen in den Qualm stießen, der sich wie in Todeszuckungen wand.

Heiseres Triumphgeschrei:»Da geht ihr Vormast!»

Bolitho rannte zum Decksgang, Seesoldaten und Matrosen polterten ihm nach. Hoch über dem Rauch schleuderten die behenden Toppsgasten bereits ihre stählernen Draggen, forderten einander lachend zum Wettkampf heraus; jede Mannschaft wollte schneller sein als die andere. Und noch ein Hurra, als die Undine knirschend gegen die steuerlos treibende Fregatte stieß, ihren Bugspriet hoch über die Kampanje des Gegners schob. Während ihre Restfahrt die Schiffe dichter gegeneinander trieb, bellten die Waffen lauter denn je, denn jetzt trugen sie ihre Zerstörungswut nur über knappe dreißig Fußbreit wirbelnden Wassers.

«Entern!»

Bolitho griff in die Großmastwanten und paßte den Moment ab, in dem Soames brüllte:»Feuer einstellen! Drauf, Jungs! Haut die Bastarde zusammen!«Dann war er drüben, krallte sich in die Enternetze des Gegners, die von den Breitseiten schon mächtige Risse aufwiesen. Muljadi schien seinen Angriffsplan schon fertig gehabt zu haben, denn aus den Decks quollen Hunderte von Männern, um die hurraschreienden, fluchenden Enterer zu empfangen.

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