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Bolitho kam hoch und versuchte, über die Köpfe der Männer hinweg die Dunkelheit zu durchdringen. Dann sah er, was sie meinten. Es war eher eine Lücke im vertrauten Stand der Sterne als ein Umriß. Doch nach und nach erkannte er Konturen: ein

Schiff.

«Zünden Sie etwas an, Stockdale«, stieß Bolitho hervor.»Ein paar Lumpen.»

Die schmale Mondsichel schlug Silber aus den fernen Segeln. Vor dem dunklen Mantel der Nacht zeichnete sich das dunklere Gitterwerk der nach hinten geneigten Masten und der Takelage ab. Es war tatsächlich eine Fregatte.

Der als Signal dienende Lumpen knisterte und loderte dann auf. Die Flamme blendete sie und begrenzte die Sicht auf den Umkreis ihres eigenen Bootes. Einige Matrosen riefen Hurra, andere umarmten sich und grinsten wie Kinder.

«Jetzt wird sich das Geheimnis lüften, Mr. Farquhar. «Bolitho legte Ruder, als sich der Umriß des Schiffes veränderte und die Fregatte auf sie zuhielt. Er hörte das Knarren der Rahen und das Schlagen der Segel, als die Fregatte backbraßte und beidrehte. Er glaubte, einen schwachen Ruf zu vernehmen und das Geräusch laufender Füße.»Nimm das Segel weg, Stockdale«, sagte er.»Und ihr da vorn, gebt auf eine Leine acht. «Aber er brauchte niemanden zu ermuntern.

Der Bugspriet schwang ein paar Fuß entfernt schwindelerregend hoch über ihnen herum. Stockdale zündete noch einen

Lumpen an, und Bolitho spürte, wie ihm eine eisige Hand nach dem Herzen griff. Die Galionsfigur der Fregatte tanzte und flimmerte in dem Licht, als wäre sie lebendig: ein vergoldeter Dämon, der ein Paar Schüreisen wie Waffen schwang.

Stockdale warf das Notsignal ins Wasser und fuhr zu Bolitho herum.»Haben Sie gesehen, Sir? Haben Sie das gesehen?»

«Ja, Stockdale. «Bolithos Arme baumelten leblos herab.»Es ist die Andiron.»

Rufe und Jubel erstarben, und die Männer saßen oder standen geschlagen da, als vom Deck her Laternenschein auf sie fiel und ein Enterhaken sich in das Schanzkleid des Bootes biß.

Die Matrosen traten beiseite, um Bolitho vorbeizulassen. Er ging zum Bug und griff nach der Jakobsleiter, die plötzlich auftauchte. Er war vom Wechsel der Dinge noch zu niedergeschmettert, um die Geschehnisse klar gegeneinander abzugrenzen. Sein Verstand registrierte nur kurze, unwirkliche Bilder, vergrößert und verzerrt durch die Lichtflecken der Laternen, die blitzenden Bajonette und die herandrängenden, neugierigen Gesichter. Während er in den Laternenschein trat, hörte er verwunderte Ausrufe und Bemerkungen. Eine irische Stimme sagte:»Das ist ein englischer Offizier!«Eine andere warf mit näselndem Kolonialakzent dazwischen:»Zum Teufel, das stimmt. Sogar ein Kapitän.»

Die Männer der Phalarope erklommen einer nach dem anderen die Jakobsleiter und mußten sich in einer Reihe aufstellen. Ein Offizier in dunklem Mantel und mit Dreispitz schob sich durch die dichtgedrängte Mannschaft und musterte Bolitho erheitert.

«Willkommen an Bord, Kapitän. Wirklich ein Vergnügen. «Er wandte sich um und rief:»Stellt sie unter Bewachung und versenkt diesen Sarg von einem Boot. «Und zu einem großen Neger:»Sondere die Offiziere aus und bringe sie nach achtern. «Dann verbeugte er sich spöttisch vor Bolitho.»Wenn Sie mir folgen wollen? Ich denke, der Kapitän wird sich freuen, Ihre Bekanntschaft zu machen.»

Selbst in dem ungewissen Laternenlicht erkannte Bolitho vertraute Einzelheiten. Das letzte Mal war er auf dem Schiff gewesen, um Kapitän Masterman zu besuchen, einen ernsten, aber freundlichen Offizier, der im Gegensatz zu anderen stets bereit gewesen war, sein Wissen und seine Erfahrungen zu teilen, und Bolithos viele Fragen gern beantwortet hatte.

Die klare Erinnerung half ihm, die nagende Verzweiflung zurückzudrängen, so daß er sich automatisch gerade aufrichtete und sogar über die Schrammen und die notdürftig ausgebesserten Schäden, die die Breitseiten der Phalarope angerichtet hatte, bittere Genugtuung zu empfinden vermochte. Der Kapitän der Andiron wollte sicher zur Insel Mola, um dort die Reparaturen zu vollenden, ging es ihm durch den Kopf. Womöglich waren das Segeltuch und die Spieren, die der Lugger geladen hatte, für die Andiron bestimmt gewesen.

Er senkte den Kopf, als ihn der Offizier nach achtern führte. Bei jedem Schritt bemerkte er neugierige Gruppen der Besatzung, die ihn musterten. Eine zusammengewürfelte Mannschaft, dachte er.

Einige zeigten offene Feindseligkeit und riefen ihm Beleidigungen zu. Andere blickten zu Boden oder verbargen ihre Gesichter. Bestimmt englische Deserteure, dachte Bolitho, manche gehörten vielleicht sogar zur ursprünglichen Besatzung der Andiron. Er bemerkte Neger und olivfarbene Mexikaner, wortgewaltige Iren und dunkelhäutige Matrosen, die wahrscheinlich aus dem Mittelmeergebiet stammten. Dennoch offenbar eine eng verknüpfte Gemeinschaft, wenn auch möglicherweise nur durch die gemeinsame Gefahr und die Risiken des von ihnen gewählten Gewerbes verbunden.

Der Offizier stieß eine schwere Tür auf und trat beiseite, um Bolitho in eine kleine, kärglich eingerichtete Kajüte eintreten zu lassen.

«Warten Sie hier. Wir müssen erst wieder Fahrt aufnehmen. Ich nehme aber an, daß der Kapitän Sie bald zu sehen wünscht. «Er streckte die Hand aus.»Ihren Degen. «Er bemerkte Bolithos empörten Blick und setzte hinzu:»Und falls Sie an irgendeine Heldentat denken sollten, möchte ich Ihnen nur sagen, daß die Tür bewacht ist. «Er nahm den Degen entgegen und betrachtete ihn von allen Seiten.»Eine ziemlich alte Klinge für einen englischen Kapitän. «Er grinste.»Aber es wird eben alles ein bißchen knapp in England, wie?»

Bolitho gab keine Antwort. Der Offizier wollte ihn reizen. Es hatte keinen Sinn, mit ihm zu reden oder Vergünstigungen zu erbitten. Er sah den Degen seines Vaters im Laternenschein aufglänzen und drehte sich ostentativ um. Er war ein

Gefangener. Er mußte alle Kraft für später aufsparen. Die Tür schlug zu, und er hörte die sich entfernenden Schritte.

Bolitho ließ sich müde auf eine Seekiste fallen und stierte vor sich hin. Farquhar und Belsey waren sicher jeder für sich festgesetzt worden. Zweifellos wollte der Kommandant der Andiron jeden einzeln vernehmen. Er hätte es ebenso gemacht. Sonderbar, sich vorzustellen, daß erst zwei Tage vergangen waren, seit er den vor Angst schlotternden Spanier auf seinem Schiff verhört hatte. Seither war so viel geschehen. Es war beinahe unmöglich, sich den Zeitablauf und die Vorfälle der Reihe nach zurückzurufen. Eins war sicher, er hatte sein Schiff verloren, und die Zukunft lag leer und öde vor ihm.

Die stickige Luft und die Erschöpfung wirkten sich schließlich aus. Als sich das Schiff überlegte und Fahrt aufnahm, lehnte sich Bolitho gegen ein Schott und schlief sofort ein.

Jemand rüttelte ihn am Arm, und er erwachte. Einige Sekunden hoffte er, daß alles nur Teil eines furchtbaren Traumes sei und er zu einer ganz anderen Wirklichkeit erwachen würde, und wenn es die der Ungewißheit in dem überladenen Boot wäre. Doch es war der Offizier, der ihn in die Kajüte gebracht hatte. Als Bolitho sich aufrichtete, sagte er:»Ich dachte schon, Sie wachen überhaupt nicht mehr auf.»

Bolitho bemerkte, daß Tageslicht den Gang vor der Tür erhellte, und während er nach und nach sich der tatsächlichen Lage bewußt wurde, hörte er auf dem Oberdeck das Geräusch von Scheuersteinen und Wassergüssen.

«Wie spät ist es?»

«Sieben Glasen. «Der Offizier zuckte mit den Schultern.»Sie haben fast sieben Stunden geschlafen. «Er winkte einem Matrosen.»Hier ist Wasser und Rasierzeug. «Er musterte Bolitho kalt.»Der Mann bleibt bei Ihnen, um aufzupassen, daß Sie sich nicht die Kehle durchschneiden.»

«Sehr aufmerksam von Ihnen. «Bolitho nahm die Schüssel mit heißem Wasser und ignorierte das faszinierte Interesse des Matrosen.»Aber keine Sorge, Leutnant. Bevor ich sterbe, möchte ich noch sehen, wie Sie gehenkt werden.»

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