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«Und du bist nicht mal wert, seine Schuhe zu putzen. «Herrick fuhr herum, als Vibart zwischen sie trat.

«Ich dulde keinen Streit auf meinem Schiff, Mr. Herrick. Noch ein Wort, und ich mache eine Eintragung ins Logbuch. «Er sah Okes fest an.»Kommen Sie in die Kajüte. Ich habe mit Ihnen zu reden.»

Herrick sah ihnen elend und hilflos nach, und der kleine Neale fragte:»Was bedeutet das alles, Sir?»

Herrick sah ihn ernst an:»Es bedeutet, daß wir in der nächsten Zeit auf jeden unserer Schritte achten müssen, mein Junge. Ohne den Kapitän fühle ich mich hier nicht mehr sicher.»

Er erstarrte, als Zahlmeister Evans, einen bekümmerten Ausdruck im Frettchengesicht, auf das Achterdeck zugeeilt kam. Profoß Thain, der ihm folgte, schob zwei verängstigte Matrosen vor sich her. Sein Gesicht ließ in Herrick keinen Zweifel darüber aufkommen, was als nächstes geschehen würde: Auspeitschungen und nochmals Auspeitschungen. Jetzt würden alle alten Rechnungen beglichen werden.

Er sah Evans fest an und fragte scharf:»Nun? Was ist jetzt schon wieder los?»

Evans lächelte nervös.»Ich habe diese Leute auf frischer Tat ertappt. Sie haben Rum gestohlen.»

Es gab Herrick einen Stich, und er rief die Männer zu sich heran.»Stimmt das?«Er erinnerte sich, daß beide Matrosen der Landeabteilung angehört hatten.

Einer sagte mürrisch:»Aye, Sir. Der Rum war für einen unseren Kameraden. Er ist verwundet. Wir dachten, er würde ihm helfen. «Sein Gefährte nickte bekräftigend.

Herrick nahm Evans beiseite.»Es könnte stimmen.»

«Natürlich stimmt es. «Evans sah ihn verdutzt an.»Aber darum geht es jetzt nicht. Diebstahl bleibt Diebstahl. Es gibt keine Entschuldigung dafür, und Sie wissen das. «Er sah Herrick mit kaum verhohlener Schadenfreude an.»Also melden Sie es lieber Mr. Vibart. «Er blies sich auf.»Oder ich tue es, Mr. Herrick.»

«Kommen Sie mir nicht so, Mr. Evans. «Herricks Gesicht verzerrte sich vor Wut.»Oder ich zahle es Ihnen heim, das können Sie mir glauben. «Doch es war nur ein Wutausbruch. Ihm blieb gar nichts anderes übrig, als Vibart zu informieren. Er übergab die Wache an Neale und ging niedergeschlagen nach unten. Der Posten öffnete die Kajütentür, ehe Herrick sie überhaupt erreicht hatte, und er vermutete, daß der Seesoldat seine Überraschung richtig vorausgesehen hatte, denn Vibart war bereits in Bolithos Quartier umgezogen. Das steigerte nur noch Herricks Gefühl alptraumhafter Unwirklichkeit.

Vibart schaute vom Arbeitstisch hoch und blickte Herrick an.

«Zwei Mann zur Bestrafung. «Herrick sah, daß Okes gedankenverloren am Heckfenster stand.

Vibart lehnte sich im Stuhl zurück.»Sagen Sie >Sir<, wenn Sie mich anreden, Mr. Herrick. «Er zog die Stirn in Falten.»Ich kann mir nicht vorstellen, warum Sie es so darauf anlegen, Ihre Position zu verschlechtern. «Kalt fuhr er fort:»Machen Sie eine Eintragung ins Logbuch, Mr. Herrick. Bestrafung um acht

Glasen morgen früh. Jeder zwei Dutzend Hiebe.»

Herrick schluckte.»Aber ich habe Ihnen doch die Vergehen noch gar nicht mitgeteilt, Sir.»

«Auch nicht notwendig. «Vibart deutete zum offenen Oberlicht.»Ich habe Ihr unsinniges Gespräch mit Mr. Evans gehört. Und lassen Sie sich gesagt sein, daß mir Ihr offensichtlicher Wunsch, sich bei Lügnern und Dieben anzubiedern, mißfällt.»

Herrick hatte das Empfinden, als ob ihn die Kajüte erdrücke.»Ist das alles?«Er schluckte wieder.»Sir?»

«Im Augenblick ja. «Vibart sah fast heiter aus.»Wir nehmen in einer Stunde Kurs nach Süden. Sorgen Sie dafür, daß die Leute während Ihrer Wache nicht nachlässig werden.»

«Aye, aye, Sir. «Herrick mußte mit aller Macht an sich halten. Draußen drehte er sich kurz um und blickte zurück. Die Tür war geschlossen, und der Posten unter der schwingenden Laterne starrte ausdruckslos vor sich hin. Es war geradeso, als sei Pomfret zurückgekehrt und säße wieder in der großen Kajüte. Herrick schüttelte den Kopf und stieg zum Achterdeck hinauf. Alles fügte sich so schnell zu einem Muster, daß Herrick sich unvermittelt fragte, ob Pomfret tatsächlich die kontrollierende Instanz gewesen war, die die Phalarope in eine schwimmende Hölle verwandelt hatte.

Als er an Deck zurückkam, war die Sonne tiefer zur Kimm hinabgesunken. Das Meer war leer, eine weite Wüste aus Silber und purpurnen Schatten, begrenzt durch einen messerscharfen Horizont. Hier draußen ist ein Kapitän tatsächlich Gott, dachte er bitter. Nur unter Bolitho hatte er gespürt, was Zweckmäßigkeit und Verständnis bedeuteten, und nach der Zeit mit Pomfret war ihm das wie der Beginn eines neuen Lebens vorgekommen.

Er blickte zur Heckreling, als erwarte er, die hohe Gestalt Bolithos zu sehen, der das Brassen der Rahen beobachtete oder bloß auf den Sonnenuntergang wartete. Herrick hatte Bolitho in solchen Augenblicken nie gestört, aber sonst jede Gelegenheit genutzt, ihn besser verstehen zu lernen. Vor seinem geistigen Auge standen Bolithos ausgeprägtes Profil und der feste Mund, der gleichzeitig belustigt und traurig wirken konnte. Es schien undenkbar, daß ein solcher Mann wie ein Licht ausgelöscht worden sein sollte.

Mit gesenktem Kopf ging er von neuem langsam auf und ab. In dieser Welt, dachte er, kann man sich auf nichts verlassen.

Den erschöpften Männern in dem kleinen Boot kam die Nacht kalt und trostlos vor, und selbst jenen, die die grelle Sonne verflucht und über brennenden Durst geklagt hatten, brachte die Dunkelheit keine Linderung.

Bolitho kroch nach achtern zurück, wo Farquhar neben der Ruderpinne saß. Mit Stockdales Hilfe hatte er gerade einen toten Matrosen über Bord geworfen, während die anderen schweigend zugeschaut hatten. Dem Matrosen war das Schlimmste an Schmerzen und Durst erspart geblieben, da er seit seiner Verwundung durch die Wache auf der Korvette fast nie aus seiner Bewußtlosigkeit erwacht war. Unter dem kleinen Segel machte das Boot nur wenig Fahrt, und es schien eine Ewigkeit zu dauern, ehe der Leichnam nach achtern trieb. Sie hatten nicht einmal einen Anker, um den Körper zu beschweren. Sie hatten so gut wie überhaupt nichts. Nur ein Faß brackiges Wasser, die Tagesration pro Kopf betrug nicht mehr als einen Becher.

Bolitho sank auf die Achterducht und blickte nach den Sternen.»Steuern Sie genau Süd, wenn Sie können. «Durst und Müdigkeit setzten ihm zu.»Wenn wir bloß ein bißchen mehr Wind in dieses kümmerliche Segel bekämen.»

«Ich glaube, dann würde das Boot sinken, Sir«, sagte Farquhar.»Es ist rost- und wurmzerfressen.»

Bolitho streckte die Beine aus und dachte darüber nach, wie langsam die Zeit verstrichen war. Wenn das der erste Tag war, grübelte er, was würde morgen werden und was übermorgen? Die Männer verhielten sich ruhig, aber auch das konnte gefährlich sein. Die Erleichterung, daß sie den Franzosen entkommen waren, konnte bald in Mißtrauen und Gegenbeschuldigungen umschlagen. Das Elend, Kriegsgefangener zu sein, konnte ihnen bald als trostreich erscheinen im Vergleich zu der Aussicht, zu verdursten und zu verhungern.

«In Hampshire liegt jetzt Schnee auf den Hügeln, nehme ich an«, sagte Farquhar abwesend.»Die Schafe werden zu Tal getrieben worden sein, und die Knechte trinken am Feuer ihr Bier. «Er leckte sich die Lippen.»Ein paar denken vielleicht an uns.»

Bolitho nickte. Ihm fielen die Augen zu.»Ein paar. «Er dachte an seinen Vater in dem großen Haus und an die Ahnengalerie. Nach diesem Abenteuer hier würde es keinen Erben geben, der den Familiennamen weiterführen konnte. Wenn sein Vater starb, erwarb das Haus vielleicht ein reicher Kaufmann und betrachtete dann verwundert die Porträts und anderen Zeugnisse schnell vergessener Menschen und Taten.»Ich will versuchen, eine Stunde zu schlafen«, sagte er.»Wecken Sie mich, wenn es nötig ist.»

Die Augen fielen ihm zu, er hörte nicht einmal mehr Farquhars Antwort. Dann merkte er, daß ihn jemand am Arm zog. Das Boot schwankte, als die Matrosen sich plötzlich erregt im Bug drängten. Einen Augenblick glaubte er, noch zu träumen. Dann hörte er Farquhar rufen:»Sehen Sie, Sir! Da haben sie uns also doch gesucht.»

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