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Bolitho zog seinen Dolch und zerrte den Hut tiefer über die Augen.

«Fertig, Jungs!»

Er blickte nach rechts und links, die vertrauten Gesichter verwischten sich und verschwanden, als er nur noch den Feind vor sich sah.

Irgendwo fing ein Mann heftig an zu husten, einen anderen hörte man nervös mit dem Fuß trommeln.

«Feuer!»

XIV Ein zu hoher Preis

Als die obere Batterie, unmittelbar gefolgt von den Zweiunddrei-ßigpfündern des unteren Batteriedecks, ihre volle Breitseite herausdonnerte, bebte die Trojan so heftig, als wolle sie auseinanderbersten.

Obwohl jedermann es erwartet und sich darauf vorbereitet hatte, war der betäubende Krach der Salve unvorstellbar. Der Donner rollte und rollte weiter, während jedes Geschütz durch den Rückstoß wieder binnenbords geschleudert wurde.

Bolitho beobachtete, wie der dichte Qualm mit dem Wind davonzog, und starrte dann auf das französische Schiff, das umgeben war von aufbrandenden Wassersäulen. Die See hatte sich in eine Masse weißer Springbrunnen verwandelt. Die Argonaute steuerte auf konvergierendem Kurs, die Rahen hart angebraßt, um von der nächsten Landspitze freizukommen. Ohne Fernglas konnte man unmöglich feststellen, ob sie getroffen worden war, obgleich bei einer so massiven Breitseite ein paar Treffer dabeisein sollten. Aber die Trojan hatte bei erstbester Gelegenheit gefeuert, Bolitho schätzte die Entfernung auf mindestens acht Kabellängen.*

Auf beiden Seiten schrien die Geschützführer wie die Teufel, die Bedienungsmannschaften rammten frische Ladungen in die Rohre, während andere mit Handspaken bereitstanden, um die schweren Geschütze wieder auszufahren.

Es klang alles verschwommen, unwirklich, und Bolitho rieb sich heftig die Ohren, um wieder hören zu können. Das Schiff holte leicht über, da Pears eine Kursänderung zu dem Franzosen hin befohlen hatte. Wie unverwundbar der aussah! Mit killenden Marssegeln und Fock versuchte der Kommandant der Argonaute, höher an den Wind zu gehen, um der Umklammerung des Landes zu entkommen und freien Seeraum zu gewinnen.

Was hatte er vor? fragte sich Bolitho. Was mochte Coutts Gegenspieler beabsichtigen? Vielleicht wollte er die Trojan von der Insel weglocken, um dem Schoner Zeit zum Entkommen zu verschaffen, oder wollte er — nachdem er die Spite außer Gefecht gesetzt hatte — sich vielleicht davonstehlen und jeden weiteren Konflikt vermeiden? Vielleicht hatte er andere Befehle, sollte womöglich im Falle * 1480m der Behinderung sofort einen anderen Treffpunkt aufsuchen und dort seine Ladung löschen?

Es war unglaublich, daß Bolitho überhaupt denken konnte. Er blickte das Deck entlang, sah die Geschützführer die Hände heben, ihre Gesichter wirkten maskenhaft vor Konzentration.

Er blickte nach achtern.»Fertig, Sir!»

Wieder schob der älteste Midshipman des unteren Batteriedecks den Kopf durch die Luke und schrie:»Fertig, Sir!»

Couzens lief mit einer Meldung an Cairns auf dem Achterdeck vorbei.

Als er bei Fähnrich Huss vorbeikam, rief er:»Ihr wart diesmal die letzten!«Sie grinsten sich an, als wäre das Ganze ein ungeheurer Spaß.

Bolitho wandte sich wieder dem Feind zu. Jetzt war er näher gekommen, das Deck lag ein wenig schräg durch den Winddruck, die Reihen der Geschütze blitzten in der Sonne wie Zähne.

Bolitho wußte im Innersten seines Herzens, daß der französische Admiral dem Kommandanten der Argonaute nicht befehlen würde, abzufallen. Er würde kämpfen. Was die Welt später einmal dazu sagte, das zählte hier draußen wenig. Rechtfertigung konnten beide Seiten suchen und finden, aber der Gewinner hatte das gewichtigere Wort zu reden.

Die Bordwand des französischen Schiffes verschwand unter wirbelndem Rauch, unterbrochen nur durch orangefarbene Zungen, als es jetzt auf die Herausforderung der Trojan antwortete.

Bolitho biß die Zähne aufeinander in der Erwartung, den Rumpf beim krachenden Einschlag der Salve erbeben zu spüren. Aber nur ein paar Kugeln schlugen in den oberen Teil der Bordwand, während über ihnen die Luft zu heulendem, pfeifendem Leben erwachte, als die Kettenkugeln durch die Takelage fegten.

Er sah, wie die Schutznetze unter dem Aufprall herabstürzender Blöcke und abgerissener Takelage federten. Jetzt stürzte ein Marineinfanterist kopfüber aus dem Großmars, schlug auf dem Fallreep auf und verschwand über Bord, ohne einen einzigen Laut von sich zu geben.

Bolitho schluckte heftig. Das erste Blut! Er schaute nach achtern und sah Pears, den Blick auf den Feind gerichtet, die Hand bis auf Schulterhöhe heben, und rief rasch:»Fertig, Jungs!»

Des Kommandanten Arm fiel herab, und wieder war die Luft erfüllt vom Donner der Geschütze.»Auswischen! Laden!»

Die Seeleute, die Kommandant und Offiziere verflucht hatten, wenn sie immer und immer wieder gedrillt worden waren, führten ihre Bewegungen jetzt völlig mechanisch aus. Sie blickten nicht einmal hin, als einige ihrer Kameraden aufenterten, um in der Takelage die notwendigsten Reparaturen vorzunehmen.

Bolitho sah den großen Riß im Fockmarssegel sich rasch ausbreiten, als der Wind hineinstieß. Es war ihm klar, daß der Feind eine bestimmte Taktik verfolgte, und zwar die, den Gegner durch Zerfetzen der Takelage möglichst schnell manövrierunfähig zu schießen. Wenn das feindliche Schiff dann sein ungeschütztes Heck darbot, kam die Gelegenheit für eine mörderische Breitseite. Bei Gefechtsbereitschaft war jedes Linienschiff im Inneren von vorn bis achtern offen und ohne Trennwände, so daß eine wohlgezielte Salve durchs Heck die Batteriedecks in ein Schlachthaus verwandeln mußte.

Auch die Argonaute zeigte schon einige Spuren des Kampfes: Durchschüsse in den Segeln, ein großes, klaffendes Loch beim Backbord-Fallreep, wo zwei Kugeln zugleich getroffen hatten.

Fünf Kabellängen, eine halbe Meile also*, betrug jetzt die Entfernung zwischen ihnen, und beide Schiffe gewannen noch an Fahrt, da sie inzwischen nicht mehr unter Land waren.

Wieder die wirbelnde Rauchwand, wieder das schrille Heulen und Pfeifen der Ketten über ihnen. Es war unglaublich, daß noch keine Stenge getroffen worden war, aber das schreckliche Kreischen ließ manchem der Männer das Mark in den Knochen gerinnen.

Stockdale hielt in seinen Anstrengungen kurz inne und rief:»Wir halten den Wind, Sir, trotz der Löcher im Tuch!«Sein zerschlagenes Gesicht war rußgeschwärzt, er wirkte unerschütterlich.

«Klar zum Feuern!»

Bolitho hörte, wie Fähnrich Huss das Kommando an Dalyell unten im Deck weitergab.

«Feuer!»

Das Deck stieß, als sei das Schiff auf Grund gelaufen, dann hörte

** 926m

man lautes Jubelgeschrei, als des Gegners Großbramstenge wild schwankte, bevor sie splitternd abbrach und wie eine Lanze herabschoß.

Ein glücklicher Treffer. Niemand würde je wissen, wer ihn abgefeuert hatte.

Pears dröhnende Stimme übertönte mühelos das Poltern und Knirschen beim Laden der Geschütze.

«Gut gemacht, Trojaner! Gebt es ihnen!»

Weitere Jubelrufe wurden erstickt durch des Gegners Feuererwiderung, durch das fürchterliche Krachen von Eisen, das in die Bordwand schlug und in einige der unteren Pforten.

Bolitho fuhr zurück und fragte sich, warum der Franzose seine Taktik geändert hatte. Er hörte das fürchterliche Donnergepolter einer Kanone, die durch das untere Batteriedeck geschleudert wurde, bis sie mit lautem Knall gegen etwas Hartes prallte. Männer schrien dort unten seltsam erstickt wie gemarterte Seelen.

Die Argonaute schien sich langsam nach vorn zu schieben, als ob ihr Klüverbaum den Bugsprit der Trojan berühren wolle. Mit dem Windvorteil auf seiner Seite würde Pears möglicherweise abfallen, mehr Segel setzen und versuchen, des Gegners Heck zu kreuzen.

Schon hörte er Cairns Stimme durch das Sprachrohr:»Enter auf! Bramsegel los!»

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