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VIII Fort Exeter

Die Landung um ein Uhr nachts verlief ohne Zwischenfälle. Ein günstiger Wind ermöglichte es der Korvette, bis dicht unter Land zu segeln, wo sie ankerte. Dann wurde mit der Ausschiffung der Truppen begonnen, als sei es ein Übungsmanöver in Friedenszeiten.

Major Paget fuhr mit dem ersten Boot an Land, und als Bolitho schließlich auf den nassen Strand watete, bewunderte er seine geschickte Planung. Er hatte zwei Kanadier mitgebracht, wild aussehende, bärtige Männer in grober Trapperkleidung und nach Fellen riechend, von denen er behauptete, sie seien besser als jeder Spürhund.

Einer der beiden, ein traurig dreinblickender Schotte namens Macdonald, hatte früher einige Jahre in South Carolina gelebt, bis er nach der Niederlage der Loyalisten von seinem Grund und Boden vertrieben worden war. Er erinnerte Bolitho an den einfallsreichen Moffitt.

Paget grüßte Bolitho mit der ihm eigenen Abruptheit.»Alles ruhig. Ich will unsere Leute in Stellung bringen, bevor es hell wird. Wir geben hier Verpflegung und Wasser aus. «Dann musterte er den sternenklaren Himmel und knurrte:»Zu verdammt heiß für meinen Geschmack.»

Stockdale krächzte:»Mr. Couzens kommt mit der letzten Gruppe, Sir.»

«Gut. «Bolitho beobachtete Probyn, der aus einem dunklen Gebüsch stolperte und nach allen Richtungen wie ein Fuchs witterte.»Alles an Land, Sir!»

Hinter ihnen stapften die Seesoldaten vorbei, die Waffen sorgsam verhüllt, wie die stummen Gespenster einer längst vergessenen Schlacht.

Probyn ließ sich vernehmen:»Wenn man bedenkt — hier stehen wir jetzt, Meilen von unserem Schiff entfernt, und marschieren wer weiß in was hinein… Wofür?»

Bolitho lächelte. Er hatte dasselbe gedacht. Die Seesoldaten schienen an Land genauso zu Hause zu sein wie an Bord, aber er spürte die Vorsicht der Seeleute und ihre Neigung, dicht zusammenzubleiben, als würden sie bereits bedroht.

D'Esterre erschien von irgendwoher und zeigte grinsend die Zähne.»Geh zur Marine, und du siehst die Welt, Dick!«Damit lief er weiter, um seinen Leutnant zu suchen, den Säbel wie einen Spazierstock schwingend.

Bolitho blickte hinunter zum Strand, der in der Dunkelheit schwach heraufschimmerte. Die Boote waren schon weg, und er meinte, die Geräusche des Segelsetzens hören zu können. Dann wurde ihm bewußt: an dieser unbekannten Küste waren sie nur auf die Geschicklichkeit zweier kanadischer Späher angewiesen, die Paget sich von der Armee» entliehen «hatte.

Wenn sie nun schon belauert wurden? Wenn ihr Vormarsch in einen vorbereiteten Hinterhalt hineinführte? Doch die Nacht blieb bis auf das Säuseln des Windes in den Bäumen und den gelegentlichen Schrei eines aufgeschreckten Vogels still. Selbst der Wind klang hier anders, was nicht verwunderlich war, dachte Bolitho, als er die seltsamen Palmen betrachtete, die bis fast zum Wasser hinunter wuchsen und dem Land ein fremdartiges, tropisches Aussehen verliehen.

Leutnant Raye von den Marineinfanteristen der Trojan marschierte aus der Dunkelheit heran und meinte fröhlich:»Ah, hier sind Sie. Der Major läßt Ihnen sagen, Sie sollen mit der Nachhut folgen, Mr. Bolitho. Stellen Sie sicher, daß die Leute mit Ihren Leitern und sonstigem Gerät nicht aufeinanderprallen. «Er grüßte Probyn und sagte:»Sie möchten mit zur Hauptgruppe kommen,

Sir.»

Probyn nickte und knurrte:»Verdammte Stoppelhopser, das sind wir jetzt, nichts anderes!»

Bolitho trat beiseite und ließ die Seeleute vorbeiziehen. Einige trugen Sturmgerät, andere Gewehre und Munition. Der Rest war beladen mit Proviant und Wasser.

Leutnant Quinn ging ganz hinten, flankiert in einigem Abstand von undeutlichen Gestalten, den Scharfschützen der Marineinfanterie, die ihren Marsch sicherten.

Bolitho fiel etwas zurück, bis er mit Quinn gleichauf war, und fragte:»Was macht die Wunde, James?»

«Ich spüre sie nicht sehr. «Quinns Stimme klang zittrig.»Aber ich wollte, wir wären an Bord und nicht hier.»

Bolitho fiel ein, daß er vor dem letzten Einsatz fast dasselbe gesagt hatte. D'Esterre und Thorndike, der Arzt, hatten damals unter einer Lampe Karten gespielt, alle anderen schliefen schon.

Quinn fuhr fort:»Ich habe Angst vor meinen Reaktionen, wenn es wieder zum Kampf Mann gegen Mann kommt. «Und dann fügte er beinahe flehend hinzu:»Ich fürchte, das kann ich nicht aushaken!»

«Nur die Ruhe, James, sieh keine Gespenster, bevor es wirklich soweit ist.»

Er wußte genau, wie Quinn zumute war. Dasselbe hatte auch er empfunden, damals nach seiner Verwundung. Für Quinn war es schlimmer, denn er war davor noch nie im Einsatz gewesen.

Quinn schien nicht zu hören.

«Ich denke viel an Sparke, wie er tobte und raste. Ich mochte ihn nie richtig, aber ich bewunderte seinen Mut, seinen. «Er suchte nach Worten.»Seinen Stil.»

Bolitho griff zu, als ein Seemann mit seiner Ladung Gewehre über eine Wurzel stolperte und beinahe gestürzt wäre.»Stil«, ja das beschrieb Sparkes Art am besten.

Quinn seufzte.»Ich könnte niemals tun, was er getan hat. Nicht in tausend Jahren.»

Plötzlich ertönte ein dumpfes Geräusch' einer der Soldaten stieß gerade zum zweiten Mal mit dem Gewehrkolben in ein Gestrüpp.

«Schlange!«Er wischte sich das Gesicht ab.»Verdammtes Biest, das hat uns gerade noch gefehlt!»

Bolitho sah plötzlich Cornwall im Juli vor sich: Heckenrosen, saftige Wiesen und Felder, über die Hänge Schafe und Kühe verstreut. Er konnte das Land beinahe riechen, konnte das Summen der Bienen hören, das Hacken der Farmarbeiter auf den Feldern.

Fähnrich Couzens sagte keuchend:»Der Himmel wird heller,

Sir!»

Bolitho erwiderte:»Dann müssen wir bald am Ziel sein.»

Aber was, wenn sie statt eines günstigen Verstecks, wie es Macdonald, der Kanadier, versprochen hatte, ein Lager des Feindes vorfanden?

Die Nachhut stieß bereits auf den Haupttrupp, wo Pagets Unteroffiziere die Leute in kleinere Gruppen aufteilten. Man sah die weißen Kreuzgürtel und die karierten Hemden gehorsam in die jeweils zugewiesene Richtung verschwinden.

Im Mittelpunkt der flachen, bewaldeten Senke fanden sich die Offiziere zusammen und erwarteten ihre Weisungen.

Bolitho fühlte sich ungewöhnlich müde und konnte nur mit Mühe ein Gähnen unterdrücken. Sein Kopf war jedoch völlig klar, und er vermutete, daß das Gähnen ein Zeichen von Anspannung war. Er hatte das früher schon erlebt, zu oft schon.

Major Paget, noch immer sehr aufrecht und ohne das geringste Anzeichen von Ermüdung, sagte:»Bleiben Sie bei Ihren Leuten, lassen Sie die Rationen ausgeben, aber passen Sie auf, daß nichts vergeudet wird und daß kein Abfall zurückbleibt. Er blickte d'Esterre bedeutsam an.»Sie wissen, was Sie zu tun haben. Überprüfen Sie alles, verdoppeln Sie die Wachen und schärfen Sie ihnen ein, daß sie in Deckung bleiben. «Zu Probyn sagte er:»Sie übernehmen natürlich hier das Kommando. Aber ich brauche einen Offizier, der mich begleitet.»

Probyn seufzte.»Gehen Sie mit, Bolitho. Wenn ich Quinn schik-ke, wird der Major ihn zum Frühstück verspeisen!»

Bolitho meldete sich bei Paget, nachdem die anderen in der Dämmerung verschwunden waren. Er nahm statt Stockdale Cou-zens mit. In einem Kampf oder Sturm auf See war Stockdale unschlagbar, aber behutsames Schleichen durch unbekanntes Gelände war nicht seine Stärke.

Couzens sprudelte vor Aufregung. Bolitho hatte dergleichen noch nie erlebt. Den Jungen schien all das Schreckliche, das er sah und hörte, nicht im geringsten zu beeindrucken, er schüttelte es mit der Elastizität der Jugend ab.

Major Paget trank aus einer silbernen Feldflasche und reichte sie dann herum. Bolitho stockte der Atem, als der starke Brandy über seine Zunge floß. Couzens dagegen leckte sich die Lippen.»Danke, Sir, das schmeckte himmlisch!»

Paget blickte Bolitho an und rief aus:»„Himmlisch!" In Dreiteufelsnamen, was für eine Marine ist das?»

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