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Moffitt sah Sparkes kurzes Nicken und meinte beiläufig:»Einer ist genug. Die sehen ja aus, als könnten sie ein ganzes Arsenal an Bord nehmen.»

Haskett nickte.»Stimmt, aber wir haben noch mehr vor, weiter südlich in Richtung der Chesapeake Bay. Unsere Leute haben dort vor einer Woche eine bewaffnete Brigantine geschnappt, sie sitzt auf Grund, ist aber voller Gewehre und Munition. Einer der Kutter soll ihre Ladung übernehmen, es ist genug, um eine ganze Armee damit zu bewaffnen!»

Bolitho wandte sich ab, denn es fiel ihm schwer, weiterhin Spar-kes Gesicht zu sehen. Er konnte dessen Gedanken lesen, sich dessen Angriffsplan ausmalen. Da die Korvette zu weit weg war, um helfend einzugreifen, würde er den Ruhm für sich allein beanspruchen.

Die nächsten Augenblicke waren die schlimmsten, an die Bolitho sich erinnern konnte: das langsame Heranmanövrieren der beiden schweren Kutter mit ihrer seltsamen Tarnung und ihren langen Galeerenriemen. Es mußten wohl dreißig bis vierzig Leute an Bord sein, schätzte er, einige sicherlich Seeleute, der Rest vielleicht örtliche Miliz oder einer von Washingtons Spähtrupps.

Der Wimpel an der Mastspitze der Faithful hing naß und lustlos herab, und Bolitho sah den ersten der beiden Kutter jetzt mit der Strömung ins offene Wasser triften — nur noch Minuten, und es war zu spät für ihn, Segel zu setzen und freizukommen.

Moffitt befahl:»Aufpassen da vorn, nehmt die Leinen wahr!«Wenn er nervös war, so zeigte er es zumindest nicht.

Ein Seemann rief zurück: «Aye, aye, Sir!»

Bolitho erstarrte, obwohl es schließlich zu erwarten gewesen war, daß irgendeiner früher oder später aus der Rolle fiel. Die schneidige Antwort auf Moffitts Anweisung war nicht der Ton eines Deserteurs oder eines nur notdürftig ausgebildeten Handelsschiffsmatrosen gewesen.

Haskett fuhr fluchend herum:»Ihr dreckigen Halunken!»

Der Knall einer Pistole ließ sie alle zusammenfahren; Rufe aus dem längsseits liegenden Dory mischten sich mit dem schrillen Geschrei der aufgeschreckten Seevögel, aber Bolitho starrte nur wie gebannt auf den grauhaarigen Haskett, der zur Reling taumelte, blutigen Schaum vorm Mund, während er seine Hände wie rote Krallen auf den Magen preßte.

Sparke senkte die Pistole und befahl:»Drehbassen, Feuer!»

Während die vier Schwenkgeschütze bellten und das Deck des vorderen Kutters mit heulendem Kartätschenfeuer überschütteten, rissen Rowhursts Leute die Persenning vom Neunpfünder und wuchteten ihn mit Taljen und Handspaken zur Bordwand.

Ein paar Schuß kamen vom Kutter zurück, aber der unerwartete Angriff hatte die von Sparke beabsichtigte Wirkung gebracht. Der Kartätschenhagel war zwischen die Ruderer gefahren und hatte sie niedergemäht, der bis dahin gleichmäßige Schlag der Riemen endete in einem fürchterlichen Chaos. Der Kutter, durchlöchert wie ein Sieb, trieb quer, während Rowhursts andere Männer bereits mit brennenden Lunten bei den Sechspfündern warteten, die, vorher sorgfältig mit Kartätschen geladen, ebenfalls klar zum Feuern waren.

«Feuer frei!«Bolitho zog seinen Degen und trat mitten zwischen seine Leute, als diese aus ihrer Erstarrung erwachten. Er zwang sich zur Ruhe. Eine Kugel pfiff ihm am Kopf vorbei, ein Seemann stürzte schreiend und zuckend neben dem toten Elias Haskett zu Boden.

Sparke ließ sich seine nachgeladene Pistole reichen und bemerkte wie abwesend:»Ich hoffe, Rowhursts Schießkünste sind so gut wie seine Zoten.»

Selbst der sonst so sture Rowhurst schien aus seiner Lethargie erwacht zu sein. Er sprang um den Neunpfünder herum und beobachtete zugleich, wie der zweite Kutter Großsegel und Klüver setzte. Die langen Riemen waren fallen gelassen worden und trieben mit dem Tarnmaterial in der Strömung, als der Wind jetzt die Segel blähte.

Rowhurst fluchte, weil einer seiner Leute mit einer Stirnwunde zur Seite rollte. Er schrie:»Fertig, Sir!«Dann wartete er, bis die Faithful an ihrer Kette zurückschwoite, und hielt die Lunte an des Neunpfünders Verschlußstück.

Doppelt geladen, den Rest des Rohres bis zur Mündung mit Blei-und Eisenschrott gefüllt, fuhr das Geschütz auf seiner Behelfslafette zurück wie ein wütendes Tier, dann krachte die Detonation über die See, der aufsteigende Rauch verstärkte noch die Schreckensszene. Der Mast des Kutters stürzte, ein Gewirr von Takelage und zerfetzten Segeln mit sich reißend.

«Nachladen! Feuer!»

Der Schock nach Sparkes Pistolenschuß war bei allen wilder Erregung gewichen. Dies war etwas, das sie verstanden, wofür sie ausgebildet worden waren, Tag für Tag, in ermüdendem, sich immer wiederholendem Drill.

Während die Drehbassen und die Sechspfünder ihr mörderisches Bombardement des ersten Kutters fortsetzten, feuerte Rowhursts Crew Schuß auf Schuß in den anderen, der — inzwischen entmastet — auf eine Sandbank getrieben war. Plötzlich schoß eine gewaltige Feuersäule aus seinem Heck und breitete sich rasch im Wind aus. Das regennasse Holz qualmte, bis es schließlich Feuer fing und der Kutter vom Bug bis zum Heck in Flammen stand.

Durch den Kampfeslärm hörte Bolitho D'Esterre rufen:»Los, Feldwebel Shears, lebhaft, sonst gibt es für uns nichts mehr zu tun!«D'Esterre blinzelte in den dicken Qualm, den der brennende

Kutter und Rowhursts Neunpfünder verursachten, und sagte:»Verdammt, der kommt ja gleich längsseits!»

Bolitho sah nun ebenfalls, daß der erste Kutter wie betrunken auf den Bug der Faithful zuschwankte. Auf seinem Deck waren jetzt mehr Leute zu sehen, aber auch viele, die sich nie mehr bewegen würden. Blut lief in Bächen aus den Speigatten und zeugte von der Verheerung, die Kartätschen und Kettenkugeln angerichtet hatten.

«Seesoldaten, vorwärts!»

Wie Marionetten marschierten sie zur Reling, die langen Musketen im Anschlag.

«Legt an!«Shears wartete und ignorierte die Kugeln, die an ihnen vorbeipfiffen oder klatschend ins Holz schlugen. »Feuer!»

Bolitho sah, wie die schon im Bug des Kutters klar zum Entern versammelten Leute schwankten und dann durcheinanderfielen, als die wohlgezielte Salve zwischen ihnen einschlug.

Shears zeigte keinerlei Bewegung, während er seinen Stab hochhielt und die Ladestöcke der Soldaten sich im Takt hoben und senkten.

«Richten! Feuer!»

Die Salve fiel zusammen mit der Kollision der beiden Schiffe, riß aber wiederum eine große Lücke in die Gruppe der wütend schreienden Männer, die jetzt Entermesser schwingend, an Bord kletterten oder auf die Mannschaft des Neunpfünders feuerten.

Sparke schrie:»Stoßt zu, verdammt!»

Feldwebel Shears kommandierte:»Bajonett, pflanzt auf!«Dann beobachtete er d'Esterres hocherhobenen Säbel.»Soldaten, vorwärts!»

Die Marineinfanteristen rückten gleichmäßig vor, Schulter an Schulter, eine lebende rote Mauer; sie schnitten die Enterer von den Geschützmannschaften ab, von ihrem eigenen Schiff und von jeglicher Hoffnung.

Plötzlich sah Bolitho jemanden sich geschickt unter den Bajonetten ducken und blitzschnell nach achtern laufen, ein Messer vor sich haltend wie einen Schild.

Bolitho hob seinen Degen. Als er jedoch erkannte, daß es sich um einen Knaben handelte, rief er:»Ergib dich!»

Aber der Junge lief weiter auf ihn zu, heulte dann auf vor Schmerz und Enttäuschung, als Bolitho ihm mit einem flachen

Hieb das Messer aus der Hand schlug, das in hohem Bogen an Deck fiel. Selbst dann noch versuchte er, Bolitho mit bloßen Händen anzugreifen, schluchzend und geblendet von Wut und Tränen.

Stockdale schlug ihn schließlich mit dem flachen Entermesser auf den Kopf, worauf er bewußtlos zusammenbrach.

Sparke kommandierte:»Feuer einstellen!«Dann ging er an d'Esterre vorbei und musterte die übriggebliebenen Angreifer mit kalten Blicken. Es waren nicht mehr viele. Der Rest, getötet oder verwundet von der geschlossenen Reihe der Bajonette, lag herum wie erschöpfte Statisten.

Bolitho steckte den Degen in die Scheide. Ihm war übel, und seine Narbe schmerzte.

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