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»Und den Pekor mit der dicken Lippe haben in der Früh die Mönche weggeschleppt. Ist seither noch nicht zurück. Und auch zur Prüfung ist er nicht gekommen.«

»Ach, ich hätte die Fleischmühle betätigen sollen, und ich habe ihn versehentlich seitlich hineingelegt, na, halt eine Rippe gebrochen. Da schnappt mich aber der Vater Kin bei den Haaren und tritt mit dem Stiefel gegen das Steißbein – aber so genau, sage ich euch, daß es mir schwarz vor den Augen wurde, so weh hat es getan. Was fällt dir ein, sagt er, willst du mir das Material verderben?« Schaut, schaut! Schaut her, meine Freunde, dachte Rumata und wendete langsam den Kopf von einer Seite auf die andere. Das hier ist keine Theorie. Das hat von unseren Leuten auf der Erde noch niemand gesehen. Schaut nur, horcht und filmt fleißig … Und schätzt und liebt unsere eigene Zeit – hol euch der Teufel – und verneigt euch vor dem Andenken derer, die das alles durchgemacht haben! Schaut euch nur alles genau an: diese Fratzen, junge, stumpfe, gleichgültige, die an alle Arten von Bestialität gewöhnt sind; aber rümpft nicht die Nase, unsere eigenen Vorfahren waren um nichts besser …

Dann bemerkten sie ihn. Ein Dutzend Augenpaare aller möglichen Schattierungen starrten ihn an.

»He, ein edler Don läßt sich zu uns herab. Belieben ganz blaß zu werden?«

»Oho …! Sind denn die Edlen nicht schon aus der Mode?«

»In solchen Fällen, sagt man allgemein, da setzt man ihnen Wasser vor, aber mit einer zu kurzen Kette, daß sie es nicht erreichen können …«

»Was schnüffelt er hier herum …«

»So einer sollte mir unter die Finger geraten … Die antworten einem auf jede Frage, da kannst du Gift drauf nehmen …«

»Ein bißchen leiser, Kameraden! Der ist imstand und zieht sein Schwert … Wie viele Armreifen er hat … und das Papier!«

»Mir scheint, er mustert uns schon irgendwie … Gehn wir weg, Kameraden, meiden wir die Sünde!«

Sie räumten schließlich das Feld, verkrochen sich ins Dunkle, aus dem sie mit argwöhnischen Spinnenaugen hervorblitzten. Na, die habe ich wenigstens los, dachte Rumata. Er wollte schon einen der vorüberhuschenden Mönche an der Kutte fassen, als er drei andere Mönche bemerkte, die es weniger eilig hatten und ruhig und gefaßt ihrem Geschäft nachgingen. Sie prügelten mit schweren Stöcken einen Henker: wahrscheinlich wegen Unbotmäßigkeit. Rumata trat zu ihnen.

»Im Namen des Herrn«, sagte er halblaut und schepperte mit den Reifen.

Die Mönche ließen ihre Schlagstöcke sinken und schauten Rumata genau an.

»In seinem Namen«, sagte der größte von ihnen. »Ihr da, Vater«, sagte Rumata, »führt mich zum Gangaufseher!« Die Mönche tauschten einige rasche Blicke. Der Henker verkroch sich geschickt hinter dem Wasserbottich. »Wozu brauchst du ihn?« fragte der große Mönch.

Rumata hielt ihm, ohne ein Wort zu sagen, das Papier vors Gesicht. »Aha«, sagte der Mönch. »Nun, zur Zeit bin ich der Gangaufseher.«

»Ausgezeichnet«, sagte Rumata und rollte das Papier zusammen. »Ich bin Don Rumata. Seine Herrlichkeit hat mir den Doktor Budach geschenkt. Laß ihn herbringen!«

»Budach?« sagte er nachdenklich. »Was soll das für ein Budach sein? Der Mönch fuhr sich mit der Hand unter die Kapuze und kratzte sich lautstark. Der Unruhestifter, wie?«

»Nein, nein«, sagte ein anderer Mönch. »Der Unruhestifter, das ist Rudach. Den hat man noch in der Nacht freigelassen. Vater Kin hat ihm selbst die Ketten losgemacht und ihn hinausgeleitet. Aber ich …«

»Unsinn, Unsinn!« sagte Rumata ungeduldig und schlug sich mit dem zusammengerollten Papier auf die Schenkel. »Budach, der den König vergiftet hat!«

»Ah-aah …«, sagte der Aufseher. »Ich weiß schon. Der ist wahrscheinlich schon im Verlies. – Bruder Pacca, geh auf Nummer zwölf und schau mal nach.« Er wandte sich an Rumata. »Und Ihr, Ihr wollt ihn hinausführen?«

»Natürlich«, sagte Rumata. »Er gehört mir.«

»Also, dann gebt das Papier her, Euer Gnaden. Der Fall muß verbucht werden.« Rumata gab ihm das Papier. Der Aufseher drehte und wendete es, betrachtete aufmerksam die Siegel und sagte dann entzückt:

»Na, das nenne ich eine Schrift! Ihr, Don tretet ein wenig zur Seite, wartet hier, wir haben noch ein kleines Geschäft zu erledigen … He, wo ist denn dieser Kerl hin?«

Die Mönche blickten sich suchend nach dem Henker um, der die Gefolterten anscheinend zu zart behandelt hatte. Rumata ging weg. Sie zogen den Henker hinter dem Bottich hervor, legten ihn fachgerecht auf den Boden und machten sich wieder ohne besondere Grausamkeit an ihre Arbeit mit den Stöcken. Nach fünf Minuten erschien in einer Krümmung des Ganges der Mönch, den sie vorher weggeschickt hatten, und an einem Strick hinter sich nach zog er einen abgemagerten, völlig ergrauten alten Mann in dunkler Kleidung.

»Na, da habt Ihr ihn, Euren Budach!« schrie der Mönch schon von weitem freudig. »Und nicht einmal im Verlies war er; er lebt und ist gesund! Ein bißchen schwach ist er halt geworden, hat wahrscheinlich schon längere Zeit nichts gegessen …« Rumata ging ihm entgegen, riß dem Mönch den Strick aus der Hand und löste die Schlinge vom Hals des alten Mannes. »Sind Sie Budach von Irukan?« fragte Rumata. »Ja«, sagte der Alte.

»Ich bin Rumata, gehen Sie mir nach und versuchen Sie, Schritt zu halten!« Rumata wandte sich zu den Mönchen. »Im Namen des Herrn«, sagte er.

Der Aufseher richtete sich auf, ließ seinen Schlagstock sinken und antwortete schweratmend: »In seinem Namen!« Rumata betrachtete sich nun Doktor Budach und sah, daß der alte Mann an der Wand lehnte und sich kaum auf den Beinen halten konnte.

»Mir ist übel«, sagte er, und ein krankes Lächeln überzog sein Gesicht. »Verzeiht mir, edler Don!«

Rumata faßte ihn unter dem Arm und führte ihn. Als die Mönche außer Sichtweite waren, blieb er stehen, entnahm einem Röhrchen eine Tablette Sporamin und reichte sie Budach. Budach blickte ihn fragend an.

»Schlucken Sie es«, sagte Rumata, »es wird Ihnen gleich besser werden.«

Budach stützte sich noch immer gegen die Wand. Er nahm die Tablette, betrachtete sie aufmerksam, roch daran, zog seine zottigen Brauen hoch, legte sie dann vorsichtig auf die Zunge und kostete sie.

»Schlucken Sie es nur, schlucken Sie es«, sagte Rumata mit einem freundlichen Lächeln. Budach schluckte die Pille hinunter.

»M-m-m«, sagte er. »Und ich dachte, ich wüßte schon alles über Arzneien.« Er verstummte und verfolgte, was in seinem Körper vor sich ging. »M-m-m!« sagte er wieder. »Interessant! Getrocknete Milz der Wildsau Y? Das heißt nein, man schmeckt ja keine Fäulnis.«

»Gehen wir«, sagte Rumata.

Sie gingen die Gänge entlang, dann ein paar Stufen hinauf, kamen durch einen weiteren Gang und stiegen noch eine Treppe hinauf. Da plötzlich blieb Rumata wie vom Blitz gerührt stehen. Ein bekanntes wildes Brüllen erfüllte die Gefängsnisgewölbe. Irgendwo im Innern in einem der Verliese brüllte aus Leibeskräften der Herzensfreund Baron Pampa, Don Bau de Suruga de Gatta de Arkanar, Flüche auf Gott und die Welt. Mit seiner ungeheuerlichen Donnerstimme verfluchte er Gott und alle Heiligen, die ihm gerade einfielen, Don Reba, den Heiligen Orden und noch vieles andere. Also ist ihnen der Baron doch in die Hände gefallen, dachte Rumata zerknirscht. Ich habe ihn ganz vergessen. Er hätte mich nicht vergessen … Rumata nahm eilig zwei Armreife von seiner Hand, steckte sie auf die dürren Handgelenke Dr. Budachs und sagte: »Gehen Sie ganz hinauf, aber bleiben Sie im Haus. Warten Sie irgendwo abseits. Wenn jemand zudringlich wird, zeigen Sie ihm die Armreife und bieten Sie ihnen die Stirn.«

Baron Pampa brüllte und heulte wie ein Atom-Eisbrecher im Polarnebel. Ein donnerndes Echo dröhnte im Gewölbe. Die Leute in den Gängen erstarrten und horchten andächtig mit weit aufgerissenen Mäulern. Viele fuhren sich mit dem Daumen übers Gesicht, um den unreinen Geist zu verjagen. Rumata sprang zwei Treppen hinunter und schleuderte die entgegenkommenden Mönche zur Seite. Mit seinen Schwertscheiden bahnte er sich einen Weg durch die Menge der Absolventen der Patriotischen Schule und öffnete die Zellentür mit einem kräftigen Fußtritt. Der ganze Raum zitterte von dem Gebrüll. Im unruhig flackernden Licht der Fackeln sah er seinen Freund Pampa: Der mächtige Baron war nackt an die Wand geheftet, mit dem Kopf nach unten. Sein Gesicht war schwarz von dem aufgestauten Blut. An einem krummbeinigen, kleinen Tisch saß ein buckliger Beamter und hielt sich die Ohren zu, und der schweißüberströmte Folterknecht, der irgendwie einem Zahnarzt ähnelte, hantierte in einer eisernen Wanne mit seinen klirrenden Instrumenten.

Rumata schloß die Tür, trat von hinten an den Folterknecht heran und versetzte ihm mit dem Schwertgriff einen Schlag ins Genick. Der Folterknecht drehte sich um, faßte sich an den Kopf und saß auch schon in der Wanne. Rumata zog ein Schwert aus einer Scheide und schlug den Tisch mit den Papieren entzwei, an dem der Beamte saß. Alles war so, wie es sich gehörte. Der Folterknecht kauerte in der Wanne und hatte leichten Schluckauf, und der Beamte hatte sich gleich sehr flink auf allen vieren in eine Ecke verkrochen. Rumata ging zum Baron, betrachtete ihn mit freudigem Interesse, machte sich an die Ketten heran, die die Füße des Barons gegen die Wand gepreßt hielten und riß sie beim zweiten Versuch aus der Wand. Dann stellte er den Baron vorsichtig auf die Beine. Der Baron verstummte, erstarrte in einer merkwürdigen Pose, dann zerrte er plötzlich an seinen Fesseln und befreite seine Hände. »Kann ich meinen Augen trauen«, donnerte er wieder los und rollte seine blutunterlaufenen Augen hin und her, »daß das Sie sind, mein edler Freund?! Endlich habe ich Sie gefunden!«

»Ja, ich bin es«, sagte Rumata. »Gehen wir weg von hier, mein Freund, das ist kein Ort für Sie!«

»Bier!« sagte der Baron. »Irgendwo habe ich doch hier Bier gesehen.« Er ging kreuz und quer durch die Zelle, wobei er die Reste seiner Ketten hinter sich herschleifte und nicht aufhörte, zu rumoren und zu brüllen: »Die halbe Nacht bin ich durch die Stadt gerannt! Der Teufel soll’s holen, man hat mir gesagt, Sie seien verhaftet, und ich habe eine Menge Leute verprügelt, einen nach dem andern. Und ich war überzeugt, Sie in diesem Gefängnis zu finden! Na, und da sind Sie ja auch!«

Er ging auf den Folterknecht zu und fegte ihn mitsamt der Wanne beiseite, als ob er gerade mit Staubwischen beschäftigt sei. Hinter der Wanne kam ein kleines Faß zum Vorschein. Der Baron schlug mit der Faust den Boden ein, hob das Faß in die Höhe, warf den Kopf mit weitaufgerissenem Rachen zurück und ließ den Inhalt auf sich niederstürzen. Ein Strom von Bier floß gurgelnd in seine Kehle. Was für ein Kerl, dachte Rumata, als er den Baron wohlgefällig betrachtete. Schaut aus wie ein Büffel, wie ein hirnloser Büffel, aber er hat nach mir gesucht, er wollte mich retten, er ist doch höchstwahrscheinlich meinetwegen ins Gefängnis gekommen, allein, von selber … Nein, nein, es gibt doch Menschen auf dieser Welt, sei sie auch noch so verseucht … Aber wie gut ist das doch gerade noch ausgegangen! Der Baron hatte das Faß geleert und schleuderte es in jene Ecke, in der man den Beamten laut mit den Zähnen klappern hörte. In der Ecke quiekte es.

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