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Die Nachtwache beim Schlafgemach des Prinzen begann erst um Mitternacht. Rumata beschloß, inzwischen noch nach Hause zu gehen, um nachzuschauen, ob alles in Ordnung sei, und um sich gleich umzuziehen. Das Gesicht der abendlichen Stadt machte ihn stutzig. Die Straßen lagen in tiefem Schweigen, die Schenken und Tavernen waren geschlossen. An den Kreuzungen standen eisenklirrende Gruppen von Grauen Sturmowiki mit Fackeln in den Händen. Auch sie gaben keinen Laut von sich und schienen auf etwas Bestimmtes zu warten. Einige Male trat einer von ihnen ganz nahe an Rumata heran, schaute ihm ins Gesicht, nachdem er ihn aber erkannt hatte, wurde ihm immer schweigend der Weg freigegeben. Als es nur mehr fünfzig Schritte bis zu seinem Haus waren, heftete sich in einigem Abstand eine Gruppe verdächtiger Gestalten an seine Fersen. Rumata blieb kurz stehen und rasselte mit den Schwertern. Die Gestalten blieben ein wenig zurück, aber gleich darauf hörte er aus der Finsternis das Schnalzen einer geladenen Armbrust. Rumata ging eilig weiter, wobei er sich gegen die Hausmauern drückte. Er tastete nach seinem Haustor, drehte den Schlüssel im Schloß und fühlte dabei die ganze Zeit seinen unbedeckten Rücken überdeutlich. Mit einem erleichterten Seufzer sprang er in die Vorhalle.

In der Vorhalle hatten sich schon alle Diener versammelt. Sie waren mit allem möglichen Gerät bewaffnet. Sie hätten das Tor schon einige Male auf seine Sicherheit geprüft. Rumata gefiel das alles nicht. Vielleicht sollte ich doch nicht weggehen, dachte er. Hol ihn der Teufel, den Prinzen … »Wo ist Baron Pampa?« fragte er.

In höchster Aufregung und mit einer Armbrust über der Schulter antwortete Uno, der Baron sei erst gegen Mittag aufgewacht, habe dann alles im Haus verfügbare Gurkenwasser getrunken und sei dann wieder ausgezogen, um sich weiter zu unterhalten. Darauf berichtete Uno mit ernster Stimme, Kyra habe einige Male nach dem Herrn gefragt, und sie sei äußerst beunruhigt. »Gut«, sagte Rumata und befahl den Dienern, ihre Posten einzunehmen.

Die Köchinnen nicht mit eingerechnet, waren es sechs Diener, ein verläßliches Volk im allgemeinen, das an Straßenraufereien gewohnt war. Mit den Grauen lassen sie sich natürlich nicht ein, dachte Rumata, denn sie fürchten den Zorn des allmächtigen Sicherheitsministers; aber gegen die Lumpen der Nachtarmee können sie schon standhalten, um so eher, als die Räuber in dieser Nacht eine leichte Beute erwarten. Zwei Armbrüste waren da, vier Streitäxte, einige Fleischermesser, eiserne Helme, die Türen waren fest, nach alter Gewohnheit mit Eisen beschlagen … Oder, sollte man vielleicht doch nicht das Haus verlassen?

Rumata begab sich ins Obergeschoß und ging auf Zehenspitzen in Kyras Zimmer. Kyra hatte sich nicht ausgezogen, sie schlief eingerollt auf dem ungeöffneten Bett. Rumata stand über ihr mit dem Leuchter in der Hand. Soll ich gehen oder nicht? Für mein Leben gern würde ich diesmal nicht weggehen.

Er legte eine leichte Decke über sie, küßte sie auf die Wange und ging in sein Zimmer zurück. Ich muß gehen. Was auch immer geschieht, ein Kundschafter muß stets im Zentrum der Geschehnisse sein. Den Historikern auf der Erde zum Nutzen. Ein bitteres Lächeln überzog sein Gesicht, er nahm den Reif von der Stirn, reinigte das Objektiv sorgfältig mit einem weichen Lappen und setzte den Reif wieder auf. Dann rief er Uno und befahl ihm, seine Kriegerrüstung und den frisch polierten Kupferhelm zu bringen. Zwischen Leibchen und Weste zog er, schaudernd vor Kälte, sein Metalloplasthemd, das wie ein Kettenhemd angefertigt war (die hiesigen Kettenhemden waren kein schlechter Schutz gegen Dolch- oder Schwertverletzungen, ein Armbrustbolzen jedoch konnte sie leicht durchschlagen). Während er sich seinen Uniformgürtel mit mehreren Metallverschlüssen umband, sagte er zu Uno: »Hör mir zu, Kleiner. Dir vertraue ich am meisten von allen. Was immer auch hier passiert, Kyra muß am Leben bleiben und unverletzt. Meinetwegen soll das Haus abbrennen, sollen sie das ganze Geld rauben, aber Kyra beschütze mir. Geleite sie im Notfall über die Dächer oder durch Kellergänge, wie du willst, aber beschütze sie. Hast du mich verstanden?«

»Ja, Herr«, sagte Uno. »Ihr solltet heute nicht weggehen …«

»Du hör mir zu. Wenn ich in drei Tagen noch immer nicht zurück bin, so nimm Kyra und führe sie auf eine Lichtung in den Schluckaufwald. Weißt du, wo das ist? Also, im Schluckaufwald findest du das >Besoffene Bärenlager<, nun, eine eigentümliche Hütte eben, nicht weit vom Weg. Du brauchst nur zu fragen, man wird sie dir schon zeigen. Paß nur auf, wen du fragst. Dort haust ein Mensch, den man Vater Kabani nennt. Ihm erzählst du alles. Hast du verstanden?«

»Ja, Herr. Aber Ihr solltet lieber nicht weggehen heute …«

»Ich würde lieber hierbleiben. Kann aber nicht: Der Dienst ruft … Also, gib acht!«

Er gab dem Knaben einen leichten Klaps auf die Wange und erwiderte sein ungeschicktes Lächeln mit einem freundlichen Blick. Unten sagte er den Dienern ein paar aufmunternde Worte, verließ das Haus und tauchte wieder in die Finsternis. Hinter ihm krachten die schweren Riegel.

Die Gemächer des Prinzen waren seit jeher schlecht bewacht. Möglicherweise verübte aber gerade deswegen niemals jemand auf die arkanarischen Prinzen einen Anschlag. Und im besonderen interessierte sich niemand für den jetzigen Prinzen. Niemand auf der Welt mochte diesen schwächlichen blauäugigen Knaben, der jedermann ähnlich schaute, nur nicht seinem Vater. Der Knabe gefiel Rumata. Seine Erziehung war über die Maßen vernachlässigt, und deswegen war seine Phantasie unverdorben, er war nicht grausam wie die andern, konnte Don Reba – instinktiv, muß man annehmen – nicht leiden, liebte es, lauthals verschiedene Lieder auf die Verse Zurens zu singen und mit Schiffchen zu spielen. Rumata ließ für ihn aus der Hauptstadt bebilderte Bücher kommen, erzählte ihm über den Sternenhimmel und errang mit einem Märchen über fliegende Schiffe ein für allemal seine volle Sympathie. Rumata, der selten mit Kindern zu tun hatte, schien der zehnjährige Prinz völlig anders zu sein als die übrigen Bewohner dieses wilden Landes. Und gerade diese unschuldigen blauäugigen Kinder, aus welchen Bevölkerungsschichten sie auch kamen, entwickelten dann später Bestialität, Ignoranz und blinde Unterwürfigkeit.

Und doch waren in ihnen, in diesen Kindern, nicht die geringsten Spuren oder Ansätze zur Gemeinheit vorhanden. Es wäre nicht schlecht, dachte er manchmal, wenn es auf den Planeten keine Erwachsenen gäbe. Der Prinz schlief schon. Rumata trat seine Wache an. Er stellte sich zusammen mit dem abgelösten Gardeoffizier neben den schlafenden Knaben, vollführte schwierige Figuren mit den entblößten Schwertern, wie es die Hofetikette vorschrieb, und machte den traditionellen Rundgang, um zu prüfen, ob alle Fenster verriegelt und die Kinderfrauen auf ihren Plätzen seien und ob in allen Gemächern die Leuchter brannten. Dann kehrte er in den Vorraum zurück, spielte mit dem abgelösten Gardeoffizier eine Partie Knochen und erkundigte sich, was der edle Don von den Vorgängen in der Stadt halte. Der edle Don, ein Mann von enormem Verstand, versank in tiefes Nachdenken und äußerte die Ansicht, daß sich das einfache Volk auf den Feiertag des heiligen Micky vorbereite. Als Rumata allein zurückgeblieben war, rückte er sich einen Stuhl zum Fenster, setzte sich gemütlich hin und betrachtete die Stadt. Das Haus des Prinzen stand auf einem Hügel, und untertags konnte man die ganze Stadt bis zum Meer hin überblicken. Jetzt aber war alles in Dunkelheit versunken, nur vereinzelt waren kleine Gruppen von Lichtern zu sehen – dort, wo die Leute an den Wegkreuzungen standen und die Fackelsignale der Sturmowiki erwarteten. Die Stadt schlief oder stellte sich zumindest schlafend. Es wäre interessant zu wissen, ob die Bewohner wohl etwas davon fühlten, daß sich etwas ganz Schreckliches auf sie zubewegte. Oder ob sie wohl, wie der edle Don mit dem enormen Verstand, annahmen, daß sich irgend jemand auf den Feiertag des heiligen Micky vorbereite? Zwanzigtausend Männer und Frauen. Zwanzigtausend Schlosser, Waffenschmiede, Fleischhauer, Galanteriehändler, Juweliere, Hausfrauen, Prostituierte, Mönche, Geldwechsler, Soldaten, Landstreicher und heilgebliebene Bücherwürmer wälzten sich in ihren stickigen, nach Wanzen stinkenden Betten: Sie schliefen, liebten sich, rechneten im Geist den Tagesgewinn nach, weinten, knirschten mit den Zähnen vor Bosheit oder Niedergeschlagenheit … Zwanzigtausend Menschen! Für einen Beobachter von der Erde hatten sie alle etwas gemeinsam. Wahrscheinlich war es das, daß sie alle fast ohne Ausnahme noch keine Menschen im heutigen Sinn des Wortes waren, sondern Vorstufen, rohe Eisenblöcke, aus denen erst die blutigen Jahrhunderte der Geschichte irgendwann einmal den stolzen und freien Menschen schmieden. Sie waren passiv, habsüchtig und unwahrscheinlich egoistisch. In psychologischer Hinsicht waren siefast alle Sklaven – Sklaven des Glaubens, Sklaven ihrer selbst, Sklaven durch mächtige Leidenschaften und versklavt durch die Habsucht. Und wenn einer von ihnen durch Zufall zum Herrn geboren wurde oder es im Laufe der Zeit durch Fleiß dazu brachte, so wußte er nicht, was er mit seiner Freiheit anfangen sollte. Er beeilte sich aufs neue, ein Sklave zu werden – ein Sklave des Reichtums, ein Sklave von widernatürlichem Luxus, ein Sklave ausschweifender Freunde und ein Sklave seiner Sklaven. Die große Mehrzahl von ihnen war überhaupt nicht selber schuld. Sie waren viel zu passiv und viel zu unwissend. Ihre Versklavung gründete sich auf ihre Passivität und Ignoranz. Die Passivität und Ignoranz aber führte immer wieder zu ihrer Versklavung. Wenn sie aber wirklich alle aus dem gleichen Holz wären, würden sie alle die Hände hängen lassen, und es wäre nicht die leiseste Hoffnung für sie. Sie waren aber trotzdem Menschen und Träger von Verstandesfunken. Und so leuchtete auch ständig, einmal hier, einmal dort, etwas stärker das Feuer einer sehr, sehr fernen, aber unausbleiblichen Zukunft auf. Es leuchtete auf, trotz allem. Trotz ihrer scheinbaren Untauglichkeit. Trotz der ständigen Unterdrückung. Obwohl sie mit Füßen getreten wurden. Obwohl sie niemand auf der Welt brauchte und alle auf der Welt gegen sie waren. Obwohl sie im allerbesten Fall auf ein unverständiges, herablassendes Mitleid rechnen konnten …

Sie wußten nicht, daß die Zukunft vor ihnen lag, daß die Zukunft ohne sie unmöglich war. Sie wußten nicht, daß sie in dieser Welt, die von den schrecklichen Gespenstern der Vergangenheit beherrscht ist, als einzige reale Hoffnung auf die Zukunft erscheinen, daß sie ein Ferment sind, ein Vitamin im Organismus der Gesellschaft. Vernichtet diese Vitamine, und die Gesellschaft beginnt zu faulen, sozialer Verfall tritt ein, es erschlaffen die Muskeln, das Augenlicht wird trüb, und die Zähne fallen aus. Kein Staat kann sich ohne die Hilfe der Wissenschaften entwickeln. – Er wird von den Nachbarn ausgelöscht. Ohne Kunst und Kultur verliert der Staat die Fähigkeit zur Selbstkritik, gibt den falschen Strömungen Auftrieb, gebiert jeden Augenblick neue Heuchler und Halunken, entfaltet in den Bürgern Konsumsucht und Überheblichkeit und fällt schließlich wiederum einem kühneren Nachbarn zum Opfer. Man kann die Bücherwürmer verfolgen soviel man will, die Tätigkeit der Wissenschaftler unterbinden und die Kunst vernichten: Früher oder später wird die Obrigkeit straucheln und zähneknirschend den Menschen alle jene Wege eröffnen, die den machthungrigen Holzköpfen und Ignoranten so verhaßt sind. Und wie sehr auch immer diese Grauen Mächtigen Bildung und Wissen verachten mögen, sie sind doch letztlich ohnmächtig gegen die objektive historische Notwendigkeit – sie können den Lauf der Dinge nur verzögern, nicht aber völlig zum Stillstand bringen. Und wenn sie die Bildung auch fürchten und verachten, so gelangen sie trotzdem unausweichlich dazu, sie zu fördern, einfach um sich selbst zu erhalten. Früher oder später müssen sie die Gründung von Universitäten und wissenschaftlichen Gesellschaften genehmigen, wissenschaftliche Forschungszentren einrichten, Observatorien und Laboratorien, müssen Kader von Fachleuten schaffen, die sich bereits ihrer Kontrolle entziehen – Menschen mit einer völlig andersgearteten Psyche, mit völlig anderen Ansprüchen. Diese Menschen aber können nicht existieren – und noch viel weniger ordentlich funktionieren – in der früheren Atmosphäre gemeiner Habsucht, für Dampfnudelinteressen, in stumpfer Selbstgenügsamkeit und für ausschließlich fleischliche Bedürfnisse. Sie brauchen eine neue Atmosphäre – eine Atmosphäre allgemeiner und allumfassender Erkenntnis, durchdrungen von künstlerischer Spannung, sie brauchen Schriftsteller, Maler und Komponisten, und die Grauen Mächtigen hier würden sich auch noch zu diesem Zugeständnis gezwungen sehen. Diejenigen, die sich sträuben, werden vom schlaueren Konkurrenten im Kampf um die Macht hinweggefegt; diejenigen aber, die derartige Zugeständnisse machen, schaufeln sich damit – unausweichlich und paradoxerweise – gegen ihren Willen ihr eigenes Grab. Denn tödlich für ignorante Egoisten und Fanatiker ist das Erwachen der Kultur eines Volkes auf allen Gebieten – von den naturwissenschaftlichen Forschungen bis zur Fähigkeit, sich an guter Musik zu erfreuen … Dann aber folgt die Epoche gigantischer gesellschaftlicher Erschütterungen, die von einem vorher nie dagewesenen Aufschwung der Wissenschaft begleitet wird. Und in Verbindung mit dieser Intellektualisierung der Gesellschaft auf breitester Ebene folgt eine Epoche, in der die Grauheit ihre letzten Kämpfe liefert, die, an ihrer Grausamkeit gemessen, die Menschheit ins Mittelalter zurückführen. In diesen Kämpfen wird die Grauheit zu Fall kommen und in einer Gesellschaft, die völlig frei ist von Klassenunterdrückungen, ganz verschwinden … Rumatas Blick ruhte noch immer auf der im Dunklen erstarrten Stadt. Irgendwo dort in einer stickigen Kammer krümmte sich auf seiner ärmlichen Bettstatt Vater Tarra und lag in Fieberkrämpfen, Bruder Nanin aber saß neben ihm an einem krummbeinigen Tischchen – betrunken, bei guter Laune und boshaft – und vollendete seinen Traktat über Gerüchte, in welchem er mit sichtlichem Genuß und eingekleidet in kunstvolle Worte das Graue Leben verspottete. Irgendwo ging dort auch, blind vor Verzweiflung, in seinen leeren vornehmen Zimmern der Dichter Gur auf und ab, und fühlte mit Schrecken, wie trotz allem aus den Tiefen seiner zerfetzten und mit Füßen getretenen Seele, getragen von etwas Unbekanntem, neue, helle Welten entstehen und nach oben durchbrechen wollten, voll von wundervollen Menschen und erschütternden Gefühlen. Und dort irgendwo verbrachte auch, keiner weiß wie, gedemütigt und in die Knie gezwungen der Doktor Budach die Nacht, niedergeschlagen, aber lebend … Meine Brüder, dachte Rumata. Ich bin doch einer von euch, Fleisch von gleichem Fleisch! Mit aller Macht überkam es ihn plötzlich, daß er ja gar kein Gott sei, der zwischen seinen Handflächen die Leuchten des Geistes beschützte, sondern ein Bruder, der dem Bruder half, ein Sohn, der dem Vater zu Hilfe eilte. »Ich werde Don Reba töten.« – »Wofür?« – »Er tötete meine Brüder.« – »Er weiß nicht, was er tut.« – »Er tötete die Zukunft.« – »Er ist nicht schuldig, er ist ein Sohn seiner Zeit.« – »Das heißt also, er weiß nicht, daß er schuldig ist? Aber was bedeutet das schon, ob er von seiner Schuld weiß oder nicht? Ich, ich weiß, daß er schuldig ist!« – »Aber was wirst du mit Vater Zupik anfangen? Der würde viel dafür geben, wenn jemand Don Reba erschlagen würde. Du schweigst? Man wird viele umbringen müssen, nicht?« – »Ich weiß nicht, vielleicht auch viele, einen nach dem andern. Alle, die die Zukunft verhindern!« – »Alles schon dagewesen. Man hat die Leute vergiftet, man warf selbstgebastelte Bomben. Und nichts hat sich verändert.« – »Und doch hat sich etwas geändert. So wurde die Strategie der Revolution geschaffen.« – »Was schert dich die Strategie der Revolution? Du willst doch nur töten!« – »Ja, ich will töten!« – »Und bringst du das fertig?« – »Gestern habe ich Dona Okana getötet. Ich wußte, daß ich sie töten würde, schon als ich mit der Feder hinter dem Ohr zu ihr kam, und ich bedaure nur, daß ich sie sinnlos getötet habe. Man hat mir das hier beinahe schon beigebracht.« – »Das ist aber schlecht. Das ist bedenklich und gefährlich. Erinnerst du dich an Sergej Koschin, an George Lenni oder an Sabine Krüger?« – Rumata fuhr sich mit der Hand über die schweißbedeckte Stirn. Da grübelst du und denkst du und zermarterst dir dein Hirn – und was dabei herauskommt ist ein großer Mist … Er sprang vom Stuhl hoch und riß das Fenster auf. Die Lichtergruppen in der dunklen Stadt gerieten in Bewegung, rannen auseinander und liefen in Ketten dahin, verschwanden hinter den unsichtbaren Häusern und tauchten wieder auf. Ein unbestimmtes Tosen entstand über der Stadt, entferntes, vielstimmiges Gebrüll. Zwei Brände loderten auf und beleuchteten die benachbarten Dächer. Irgend etwas explodierte im Hafen. Es ging los. In wenigen Stunden würde es sich herausstellen, was die Union zwischen den Grauen und der Nachtarmee bedeutet, ein widernatürliches Bündnis zwischen Krämern und Räubern. Und es wird sich herausstellen, was Don Reba damit erreicht hat und welche neue Provokation er sich ausgedacht hat. Mit einfacheren Worten: wen man heute abschlachtet. Am allerwahrscheinlichsten war es der Beginn einer Nacht der langen Messer, die Vernichtung der angeschlagenen Führerschaft der Grauen und zugleich die Ausrottung der Barone, die sich gerade in der Stadt befanden, sowie der unangenehmsten übrigen Aristokraten. Was wohl mit Pampa ist, dachte er. Wenn er nur nicht schläft. Er schlägt sich schon durch …

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