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Der Baron polterte auf einen freien Tisch zu, blinzelte böse zu den Grauen Offizieren hinüber und brummte: »Also auch hier geht es nicht ohne das Gesindel …« Aber da kam auch schon eine dicke beschürzte Tante herangewackelt und brachte den ersten Gang. Der Baron krächzte gierig, zog seinen Dolch aus dem Gürtel und stürzte sich auf sein Festmahl. Schweigend verschlang er dicke Brocken eines gebratenen Hirschen, Berge marinierter Mollusken, Berge von Meereskrebsen, Unmengen von Salaten und Mayonnaisen, dazu trank er Wasserfälle von Wein, Bier und Hausbier, und schließlich auch Wein, vermischt mit Bier und Hausbier. Die verarmten Dons wollten einer nach dem andern an seinen Tisch rücken, der Baron aber wies sie mit einer weit ausholenden Handbewegung und mit dem Knurren seiner Gedärme ab.

Plötzlich hörte er auf zu essen, starrte Rumata mit hervorquellenden Augen an und brüllte mit Raubtierstimme: »Ich war schon lange nicht in Arkanar, mein edler Freund. Und ich sage Ihnen bei meiner Ehre, irgendwas gefällt mir hier nicht!«

»Was denn, Baron?« fragte Rumata interessiert, während er den Flügel eines Huhnes abnagte.

Auf den Gesichtern der verarmten Dons zeichnete sich ehrfürchtige Aufmerksamkeit ab.

»Sagen Sie mir, mein Freund!« donnerte der Baron und wischte seine fetten Hände am Überwurf ab, »seit wann ist es in der Hauptstadt seiner Hoheit, unseres Königs, Brauch, daß die Nachkommen der ältesten Geschlechter des Reiches keinen Schritt tun können, ohne auf irgendwelche elenden Krämer oder Metzger zu stoßen?!« Die edlen Dons wechselten untereinander rasche Blicke und begannen sich zurückzuziehen. Rumata blinzelte in die Ecke, wo die Grauen saßen. Diese setzten die Gläser ab und schauten herüber. »Ich werde Ihnen sagen, wo der Hund begraben liegt, edle Dons«, fuhr Baron Pampa fort. »Das kommt alles daher, weil ihr feige Memmen seid. Ihr duldet sie, weil ihr euch fürchtet. Da, du da, du fürchtest dich!« brüllte er aus Leibeskräften und blickte dem nächststehenden verarmten Don scharf in die Augen. Der aber zog den Schweif ein und verließ den Tisch mit einem blassen Lächeln. »Feiglinge!« trompetete der Baron. Sein Schnurrbart stand ihm vor Aufregung zu Berge.

Aber von den verarmten Dons war nicht viel zu erwarten. Sie hatten offenbar keine Lust zu raufen, sie wollten essen und trinken. Da schleuderte der Baron einen Fuß über die Bank, drehte seine rechte Schnurrbarthälfte um seine Faust, heftete den Blick in die Ecke, wo die Grauen Offiziere saßen, und erklärte:

»Aber ich, meine Herrn, ich fürchte nicht einmal den Teufel! Ich zertrete das Graue Geschmeiß, wo es mir unter die Füße kommt!«

»Was winselt dieses Bierfaß dort?« erkundigte sich ein Grauer Hauptmann mit langem Gesicht lautstark.

Der Baron lächelte zufrieden. Er erhob sich mit Getöse vom Tisch und sprang mit seinem schweren Körper auf die Bank. Rumata zog die Brauen hoch und machte sich an seinen zweiten Flügel. »He da, Graue Höllenbrut!« brüllte der Baron so laut, als wären die Offiziere kilometerweit von ihm entfernt. »Wisset, daß vor drei Tagen ich, Baron Pampa Don Bau, den Euren einen hübschen Denkzettel verpaßt habe. Sie verstehen, mein Freund«, wandte er sich von der Zimmerdecke herunter an Don Rumata, »da habe ich zusammen mit Vater Kabani am Abend bei mir im Schloß ein ganz klein wenig getrunken. Plötzlich kommt mein Pferdeknecht dahergelaufen und meldet, daß eine Rotte Grauer dabei ist, die Schenke Zum goldenen Hufeisen zu zertrümmern. Meine Schenke. Auf meinem eigenen Grund und Boden! Ich kommandiere: Auf die Pferde! Und schon waren wir dort. Ich schwöre Ihnen bei meinen Sporen, es war eine ganze Rotte, so an die zwanzig Mann! Sie hatten drei meiner Leute geschnappt, sich dann besoffen wie die Schweine – trinken können diese Krämer nicht! – und begannen gerade, alles kurz und klein zu schlagen. Ich faßte einen an den Beinen, und los ging das fröhliche Treiben. Ich jagte sie bis zu den Schweren Schwertern … Blut gab es – Sie werden es nicht glauben, mein Freund –, Blut bis zu den Knien, und Kampfbeile blieben weiß Gott wie viele zurück!«

Hier wurde die Erzählung des Barons unterbrochen. Der Hauptmann mit dem langen Gesicht holte mit der Hand aus, und sein schweres Wurfmesser krachte gegen den Brustpanzer des Barons. »Na also!« sagte der Baron und zog einen riesigen Zweihänder aus der Scheide.

Mit unerwarteter Geschicklichkeit sprang er auf den Boden, sein Schwert durchschnitt in einem glitzernden Bogen die Luft und hieb einen Stützbalken durch. Der Baron fluchte. Die Decke senkte sich ein wenig, und auf die Köpfe rieselte der Verputz. Jetzt waren alle auf den Beinen. Die verarmten Dons drückten sich an die Wand. Die jungen Aristokraten kletterten auf den Tisch, um besser zu sehen. Die Grauen bildeten mit gezogenen Klingen einen Halbkreis und näherten sich mit ganz kleinen Schritten dem Baron. Nur Rumata blieb sitzen und überlegte, an welcher Seite des Barons er aufstehen könnte, ohne unter das Schwert zu geraten. Die breite Schwertklinge zischte unheilverkündend durch die Luft und beschrieb blitzende Kreise über dem Kopf des Barons. Der Baron konnte einen in Begeisterung versetzen. Es war an ihm etwas von einem Lasthubschrauber mit dem Propeller im Leerlauf. Als sie ihn von drei Seiten umzingelt hatten, waren die Grauen gezwungen, stehenzubleiben. Einer von ihnen stand unglücklicherweise mit dem Rücken zu Rumata, und Rumata beugte sich über den Tisch, faßte ihn am Kragen, warf ihn auf den Rücken gegen einige Teller mit Überbleibseln und versetzte ihm mit der Handkante einen Schlag hinters Ohr. Der Graue schloß die Augen und wurde steif. Der Baron schrie:

»Schneiden Sie ihm die Gurgel durch, edler Rumata, die übrigen erledige ich!«

Er wird sie alle umbringen, dachte Rumata mit Unbehagen. »Aufgepaßt!« sagte er zu den Grauen. »Wir werden uns doch nicht gegenseitig den schönen Abend verderben. Ihr kommt nicht gegen uns auf. Werft die Waffen weg und haut ab!«

»Das wäre ja noch schöner!« entgegnete der Baron aufgebracht. »Ich will mich schlagen! Sie sollen sich schlagen! Schlagt euch doch, ihr Teufel!«

Mit diesen Worten ging er auf die Grauen los, wobei er sein Schwert immer schneller über dem Kopf wirbeln ließ. Die Grauen wichen zurück und wurden bleich. Offenbar sahen sie zum erstenmal in ihrem Leben einen Lasthubschrauber. Rumata sprang über den Tisch. »Halten Sie ein, mein Freund!« sagte er. »Wir haben überhaupt keinen Grund, uns mit diesen Leuten zu streiten. Ihnen gefällt ihre Anwesenheit hier nicht? Schön, sollen sie weggehen!«

»Ohne Waffen gehen wir nicht«, sagte einer der Leutnants mürrisch. »Wir werden bestraft. Ich bin auf Patrouille.«

»Hol euch der Teufel, so geht eben mit den Waffen«, entschied Rumata. »Die Klingen in die Scheide, Hände hinter den Kopf, und einzeln hinaustreten! Und keine Faxen! Oder ich zerschlage euch die Knochen!«

»Wie sollen wir denn hinausgehen?« erkundigte sich gereizt der Hauptmann mit dem langen Gesicht. »Dieser Don versperrt uns doch den Weg!«

»Und werde ihn auch weiter versperren!« sagte der Baron starrköpfig.

Die jungen Dons lachten spöttisch.

»Nun gut«, sagte Rumata. »Ich werde den Baron halten, und ihr geht hinaus, einer nach dem andern, aber rasch … Lang werde ich ihn nicht halten können! He, dort in der Tür, gebt den Eingang frei!… Baron«, sagte er und faßte Pampa um die breite Taille, »mir scheint, Sie haben einen wichtigen Umstand vergessen. Dieses berühmte Schwert wurde doch von Ihren Vorfahren nur zum edlen Kampf verwendet, denn es steht geschrieben: Zieh nicht in den Tavernen! «

Auf dem Gesicht des Barons, der unterdessen noch immer sein Schwert drehte, erschien ein Anflug von Nachdenklichkeit. »Aber ich habe doch kein anderes Schwert«, sagte er unschlüssig. »Um so mehr …!« sagte Rumata bedeutungsvoll. »Glauben Sie …?« Der Baron schwankte noch immer. »Sie wissen es doch besser als ich!«

»Ja«, sagte der Baron, »Sie haben recht.« Er schaute zu seinen wütend wirbelnden Händen auf. »Sie werden es nicht glauben, Don Rumata, aber ich halte das drei oder vier Stunden hintereinander aus und werde überhaupt nicht müde dabei … Ach, warum kann sie mich jetzt nicht sehen?!«

»Ich werde es ihr berichten«, versprach Rumata. Der Baron seufzte und senkte das Schwert. Die Grauen schlichen geduckt an ihm vorbei. Der Baron blickte ihnen nach. »Ich weiß nicht, ich weiß nicht …«, sagte er unschlüssig. »Was glauben Sie, habe ich richtig gehandelt, daß ich keinem von ihnen die Knochen zerschlagen habe?«

»Vollkommen richtig gehandelt«, versicherte Rumata. »Nun also«, sagte der Baron, als er sein Schwert in die Scheide steckte. »Wenn es uns schon nicht geglückt ist, uns zu schlagen, dann wollen wir wenigstens ordentlich trinken und etwas dazu zu beißen haben.« Er zog den Grauen Leutnant, der noch immer bewußtlos war, an den Beinen vom Tisch herunter und krähte mit schallender Stimme: »He, Wirt! Wein und was Anständiges zu essen!« Die jungen Aristokraten kamen an den Tisch und gratulierten untertänigst zum Sieg.

»Kleinigkeit, Kleinigkeit!« sagte der Baron selbstgefällig. »Sechs magere Milchbärte – und feige wie alle Krämer. Im Goldenen Hufeisen habe ich zwei Dutzend von der Sorte verjagt … Wie gut«, wandte er sich an Rumata, »daß ich damals nicht mein Kampfschwert bei mir hatte! Aus Zerstreutheit hätte ich es entblößen können. Obwohl ja das Goldene Hufeisen eigentlich keine Taverne ist, sondern bloß eine Schenke …«

»Manche behaupten auch«, sagte Rumata, »daß es heißt: Zieh nicht in den Schenken! «

Die Wirtin brachte neue Schüsseln mit Fleisch und mehr Wein. Der Baron krempelte die Ärmel auf und machte sich an die Arbeit. »Übrigens«, sagte Rumata, »wer waren denn die drei Gefangenen, die Sie im Goldenen Hufeisen befreiten?«

Der Baron hörte auf zu kauen und starrte Rumata an. »Aber, mein teurer Freund, ich habe mich wohl nicht deutlich genug ausgedrückt. Ich hab niemanden befreit. Ja, ja, sie waren verhaftet, aber das ist eine Angelegenheit des Staates … Warum hätte ich sie befreien sollen? Irgendein Don wahrscheinlich, ein großer Feigling, ein alter Bücherwurm und sein Diener …« Er zuckte mit den Schultern. »Ja, natürlich«, sagte Rumata.

Da schoß dem Baron plötzlich das Blut ins Gesicht, und er rollte seine Augen furchterregend. »Was?! Schon wieder?!« brüllte er.

Rumata drehte sich um. In der Tür stand Don Ripat. Der Baron fuhr auf und warf dabei Bänke und Schüsseln um. Don Ripat blickte Rumata bedeutungsvoll an und ging wieder hinaus. »Ich bitte um Vergebung, Baron«, sagte Rumata im Aufstehen. »Der Dienst des Königs ruft …«

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