Nataljas Interesse wurde sofort von Genf, dem goldenen Mittelweg, geweckt.
„Den Slip am Ende des Tanzes, und davor die Brustwarzen an der kalten Stange reiben! Schnell her mit den Unterlagen!“, schrie die Nymphomanin fast.
„Mademoiselle will nach Genf! Voilà!“
Ein glückseliges Lächeln erstrahlte in ihrem Engelsgesicht.
„Grundkenntnisse in Französisch habe ich. Das ist Schicksal! Wäre ich da nur gleich hingefahren, dieses Paradies auf Erden zu erobern, statt mich auf kriminelle Sachen einzulassen.“
Stella hörte nicht, was Natalja da redete. Mit einem traurigen Gefühl studierte sie die Vertragsbedingungen für den Einsatz in anderen Ländern.
Darunter waren England, Australien, Schweden, Japan, Deutschland, die Türkei und Italien. Sie las alle nacheinander durch. Ihr fiel ein merkwürdiger Name auf: Liechtenstein.
„Was ist das?“
„Das ist ein kleines Land in den Alpen. Genau genommen ein Zwergfürstentum. Dort herrscht ein Fürst.“
„Noch kleiner als die Schweiz? Dort wohnen doch schon weniger Menschen als in Moskau!“
„Ja, genau, absolut winzig. Ein kleines Wunder, wo alle reichen Leute ihr Geld verstecken. Unsere Millionäre haben sich dort ganz schön eingenistet. Sie lagern riesige Guthaben bei verschiedenen Banken, Stiftungen und Gesellschaften. Viele Restaurants geben auf den Speisekarten keine Preise an, weil den Gästen völlig egal ist, was die bestellten Gerichte kosten könnten. Sie sind so wohlhabend, dass sie essen gehen können, ohne sich um Preise zu kümmern.“
„Klingt nicht schlecht. Das klingt sogar verlockend!“, sagte Stella. „Welche Bedingungen gelten dort?“
„Ein sehr grausames System. Nichts als die reine Prostitution. Die Männer kommen dorthin ausschließlich zu geschäftlichen Verhandlungen und für Business. Sie haben keine Zeit für lange Affären. Außerdem ist Prostitution dort legal. Die Mädchen erhalten dafür ein Prostituiertenvisum. Das kann auch einen Einfluss auf das spätere Leben des Mädchens in Europa haben. Wenn ein Mädchen heiraten und ein normales Leben führen will, ist ihr Ruf in den Augen des Staats leider beschädigt.“
„Oh nein! Dann ist das nichts für mich!“, erklärte Stella.
„Und auch nicht für mich! Mein Bruder ist bei der Polizei und mein Vater ist Priester!“ Die Freundinnen brachen in Gelächter aus.
Die Stimmung wurde mehr oder weniger freundschaftlich. Die Mädchen tranken guten Wein und plauderten über die Details.
„Stella! Du kannst aufhören, so ein böses Gesicht zu machen! Lass uns nach Genf gehen!“
„Nein! Ich kann doch gar nicht tanzen! Schon gar nicht nackt! Wenn ich mir bloß vorstelle, wie ich mit runtergelassenem Slip auf einer Bühne stehe und alle Männer starren mich an! Ich müsste ihn wohl gleich ausziehen, weil ich sonst nichts habe, was einen Blick wert wäre!
Mein Zinnsoldatentanz würde bei den Männern wohl kaum auf Interesse stoßen. Vor allem, wenn der Zinnsoldat auch noch sturzbetrunken ist, weil er sich mit eine Liter Wodka Mut angetrunken hat. Das Publikum müsste vor Angst erstarren, weil es fürchtet, dass die besoffene Gestalt jemandem wie ein Klotz auf den Kopf fallen könnte.“
„Haha! Stella! Du kannst einen echt zum Lachen bringen! Ich habe noch nie so einen selbstkritischen Menschen wie dich getroffen!“
„Ich bin eben leider Realistin.“ Stella kratzte sich im Nacken und brach in Gelächter aus.
Darja beobachtete verwirrt die beiden Freundinnen, die vor Lachen beinahe erstickten, und überlegte, wie sie am schnellsten diese Irrenanstalt mit zwei Verrückten verlassen könnte.
„Ich weiß selber schon nicht mehr, wohin ich gehen soll! Einen Fürsten würde ich auch gerne ficken!“, rief Natalja.
Darauf folgte wieder eine Gelächterexplosion! Diesmal lachten alle drei.
„Fahr nach Genf! Deine Entscheidung ist gefallen. Stella? Hast du dich entschieden?“
„Ah ja, entschuldige bitte. Wir vergeuden deine Zeit mit unseren dummen Witzen.“
„Macht nichts. So was erlebe ich auch nicht jeden Tag. Ich habe Spaß mit euch, Mädchen.“
„Also, Stella!“, rief Natalja. „Das Tanzen bringe ich dir schon bei! Wenn es möglich ist, heißt das! Deine Titten sind gar nicht schlecht. Im Dunkeln würden sie super aussehen.“
Da beschloss Stella endgültig, mit diesem sexbesessenen Ungeheuer nirgendwohin zu gehen.
„Ich gehe nach Japan“, sagte Stella eiskalt, als sie den Vertrag zu Ende gelesen hatte. Sie fand sich schön. Auch ihre Brüste. Aber sie wollte ihre Reize ganz sicher nicht jedem zeigen.
„Ich finde, das ist die richtige Entscheidung! In diesem wunderbaren, märchenhaften Land wirst du, Stella, alles finden, was du dir wünschst. Tanzen ist gar nicht nötig. Und Sex haben die Japaner nur in ihrer Fantasie. Dann hast du dich also entschieden?“
„Ja.“
Erzähl mir bitte von den Vertragsbedingungen und den Anforderungen des Klubs. Was habe ich von Schlitzaugen zu erwarten?“
„Auf einen japanischen Vertrag muss man normalerweise ein halbes Jahr warten. In Städten wie Tokio noch länger. Aber ich habe eine Last-Minute-Anfrage aus Nagasaki. Ein Mädchen hat den Vertrag aus gesundheitlichen Gründen abgelehnt. Deshalb kannst du in zweieinhalb Monaten fliegen, wenn wir sofort ein Visum beantragen würden. Der Klub heißt Chorus Line. Der Chef dort ist ein schöner, hochgewachsener junger Mann. Tanzen ist nicht nötig, weil alle Mädchen dort tanzen. Die Nacht ist gar nicht lang genug, dass alle an die Reihe kommen.“
„Sind die Tänze so beliebt? Hat das einen Grund?“
„Ich erkläre es euch. Während der Show dürfen die Mädchen den Gästen Blumen verkaufen. Jede Blume kostet ungefähr zehn Dollar. Das Trinkgeld des Mädchens hängt davon ab, wieviel Blumen sie verkauft. Die Blumen sind aus Kunststoff. Viele Tänzerinnen verdienen auf diese Weise genug für ihr Essen und die Kleidung während der ganzen Vertragsdauer. Den Lohn legen sie auf die Seite.“
„So! Hast du gehört, wie der Job zu machen ist, Stella? Du hättest natürlich die ganze Vertragszeit mit stolzer Miene rumgesessen und deinen ganzen Lohn ausgegeben oder im Suff verschleudert. Du großzügige Seele! Und wahrscheinlich würdest du auch noch einen Japaner mit Babypimmel finden und dich in ihn verlieben! Ha! Ha! Ha!
„Lass mich in Ruhe, Natalja! Du bist betrunken! Erzähl weiter, Darja.“
„Wo waren wir?“
„Bei Tänzen und Blumen.“
„Ah ja. Das mit den Tänzen haben wir geklärt. Das war in Ordnung für dich. Aber der Verdienst dort ist sehr gering, kein Vergleich mit der Schweiz. Rechnet man den japanischen Yen in Dollar um, macht das ungefähr fünfhundert Dollar im Monat.“
„Aha! Das ist lächerlich! Stella wird niemals drauf eingehen!“
„Halt den Mund oder geh ins Bett!“
„Ich bin schon still. Excuse moi, Mademoiselle.“
„Womit wir dort überhaupt Geld verdient?“
„Mit den Getränken, wie in der Schweiz. Aber dort kann man einen gewöhnlichen Saft oder Tee trinken.“
„Och, helft mir! Ich ersticke vor Lachen! Stella trinkt Tee! Und den Whiskey trinkt sie hinterher!“
„Erzähl weiter, Darja“, zischte Stella streng. Sie wurde nervös. Sie wollte sich möglichst schnell von Darja verabschieden, ein Glas Whiskey kippen und niemanden mehr um sich herum hören.
„Also. Den Flug, die Versicherung und die Wohnung bezahlt ihr selbst. Die Miete ist nicht hoch, weil ihr zu sechst in einer Einzimmerwohnung untergebracht werdet. In Doppelstockbetten wie in einem Kinderferienlager.“
„Oh Gott.“
Natalja versuchte, das Lachen niederzukämpfen. Sie wurde rot wie eine Tomate.
„Der Vertrag läuft sechs Monate.“
„Wieviel Geld verdienen die Mädchen normalerweise während der gesamten Vertragsdauer?“
„Wer es nicht schafft, ein paar Kunden auszunehmen, bekommen ab fünftausend Dollar. Diejenigen, die mehr Glück haben, bringen viel Geld mit nach Hause. Sie kaufen sich Wohnungen und Autos, Villen und Landhäuser. Sie bekommen riesige Beträge überwiesen, auch nachdem sie Japan schon verlassen haben. Die Japaner mögen blonde Schönheiten. Viele von ihnen sind bereit, ein paar hunderttausend Dollar hinzublättern, um so eine Spezialität zu kosten.“