Natalja verstand Stella und ihre Prinzipien überhaupt nicht und dachte, diese sei in jeder Hinsicht neidisch auf sie. Die kantige, arrogante Stella ärgerte sie mit ihrer Pingeligkeit und Hochnäsigkeit. Sie glaubte nicht an gute Eigenschaften bei dieser Schlange und war sicher, dass alles, was Stella tat, nur ihrem Eigennutz diente. Sie selbst empfand im Innersten eine starke Bindung an Stella. Wenn Natalja sich schlecht fühlte oder krank war, kam diese Schlange und pflegte sie, als ob Natalja ihre Schwester wäre. Sie brachte alle möglichen Arzneimittel und Tinkturen mit. Sie kochte für sie Glühwein mit Orangenschale und Zimt nach dem Rezept eines Schweizers. Sie saß so lange bei ihr, bis ihr besser ging. Dann erinnerten sich die beiden an lustige Momente ihres Lebens und lachten.
Natalja hatte immer einen Vorrat an witzige Geschichten.
Bei einem Auftrag hatte Natalja einem Bankdirektor, natürlich auf seinen eigenen Wunsch, dessen Hoden so fest eingeschnürt, dass sie selbst den Knoten nicht mehr öffnen konnte. Die Eier des Direktors schwollen so an, dass sie sich in eine dunkelrote Kugel verwandelten. Er brüllte wie am Spieß, während Natalja ihn von hinten mit ihrem Handy fotografierte.
Stella fiel vom Stuhl vor Lachen. Es gab noch eine interessante Story. Einmal wurde Natalja von zwei Schwulen eingeladen. Sie baten das Mädchen zu versuchen, ihnen beiden gleichzeitig durch ein Rohr, das in den Anus gesteckt wurde – sie nannten es „Tunnel“, – lebende Hamster in den Arsch laufen zu lassen und sie dann aufzufangen, während sie sich liebkosten und die Schwänze lutschten.
„Warum ich?“, fragte Natalja. „Ihr braucht einen dritten Homo und kein Mädchen.“
„Wir sind eifersüchtig aufeinander“, erklärte einen von ihnen. „Wir sind am Anfang unserer Beziehung, noch nicht so lange zusammen. Deshalb brauchen wir für dieses Experiment doch ein Mädchen.“
Natalja hätte nie gedacht, dass ein Arsch als Tunnel für kleine Nagetiere benutzt werden könnte.
Am Ende kehrte ein Hamster aus dem dunklen, stinkenden Loch nicht zurück und begann, den Schwulen von innen zu beknabbern.
„Oh je, wie hat dieser Arschficker geheult und gewinselt!“ Er hüpfte wild herum und versuchte, das Nagetier herauszuschütteln. Der andere rief eilig den Rettungswagen. Dabei machte er Natalja Vorwürfe, weil sie die Tiere falsch in den Arsch hätte laufen lassen. Sie hätte sie angeblich nicht mit den Zähnen, sondern mit Hinterteil nach vorn hineinschieben sollen. Dann würde das Fell von innen kitzeln und so für den Orgasmus sorgen.
Natalja empfahl dem Arschficker, dorthin zu gehen, wo der arme Hamster gerade stecken geblieben war, nahm ihr Geld und ging, den nächsten Auftrag zu erfüllen. Als sie im Taxi saß, beschnupperte sie sich selbst. Sie hatte das Gefühl, nach Scheiße und weißen Ratten zu stinken, die sich vor ihren Augen braun färbten.
Stella platzte vor Lachen.
„Puh! Natalja, lass mich zu Atem kommen! Ich habe Schluckauf wegen deiner wilden Geschichten.“
Das alles interessierte sie. Es war eine andere Welt voll unglaublicher Geschichten, die sie aus erster Hand zu hören bekam.
Die Monate vergingen. Es gab viel zu tun, sie stritten immer weniger. Das Leben bekam einen Arbeitsrhythmus, der sowohl lehrreich, als auch interessant war.
Die Kunden waren unterschiedlich, teils kompliziert und anspruchsvoll, teils unproblematisch und witzig. Unter ihnen gab es ungewöhnliche Persönlichkeiten: Verkäufer und Käufer, Immobilienmakler, Banker und andere Geschäftsleute. Omas, die ihre Häuser und Wohnungen den Enkelkindern oder den Zeugen Jehovas vermachten.
Stella bemerkte, dass Natalja morgens etwas ramponiert ins Büro kam. Ihr war klar, dass die Freundin nachts ihrem alten Gewerbe nachging. Leider war diese echte Nymphomanin nicht einmal durch einen anständigen Bürojob zu bessern. Sie führte mit Natalja ein heftiges Gespräch und verbot ihr strengstens, auf den Strich zu gehen. Es bestand ernsthaft die Möglichkeit, unter den Freiern auf Kunden ihres Büros zu treffen. Natalja wollte natürlich keine Belehrungen hören. Sie versuchte, die Freundin in ihr so genanntes Privatleben nicht einzuweihen.
Der Niedergang des Imperiums durch Fickgeschichten
So kam der schreckliche Tag, an dem das Imperium der zwei Freundinnen unterging.
Artschik wurde von der Polizei wegen Menschenhandels verhaftet. Er fand sich schnell zurecht und lieferte Natalja und Stella mit ihren ganzen schmutzigen Geschäften ans Messer. Er erzählte von ihren gefälschten Diplomen, um selbst einer Freiheitsstrafe zu entgehen. Der Fall wurde unverzüglich an die Staatsanwaltschaft abgegeben, geriet aber, Gott sei Dank, auf den Tisch eines Bekannten von Stella, der selbst in Machenschaften verwickelt war, die mit der Eröffnung ihres Büros zusammenhingen. Leider war er gezwungen, diesen großen Fall an die Öffentlichkeit zu bringen. An diesem Tag ging alles den Bach hinunter.
Ewgeni Pawlowitsch fuhr zum Notariat der Gaunerinnen. Hastig schaute er sich nach allen Seiten um und ging schnell herein.
Stella sah den Leiter der Staatsanwaltschaft vom Fenster aus. Ihr Herz raste, als ob sie einen Marathon gelaufen wäre. Sie hatte ein schlechtes Gefühl. Er kam ins Büro und sah ihr schweigend in die Augen. Als ob sie seine Gedanken gelesen hätte, fragte Stella mit heiserer, verlorener Stimme:
„Wieviel Zeit haben wir?“
„Ein paar Minuten. Ins Auto, schnell!“
„Gibst du uns zehn Minuten? Ich muss etwas von unten aus dem Safe holen.“
„Im Gefängnis hast du zehn Jahre Zeit! Wenn dein Anwalt gut genug ist“, giftete er zurück.
„Wofür?“, schrie Natalja, die wie versteinert dastand und dem Gespräch zuhörte.
„Für Urkundenfälschung, illegale Benutzung eines staatlichen Notarsiegels und für Prostitution!“ Der Mann blickte in Richtung der Tür, neben der diejenige stand, die wegen des letzteren Delikts angeklagt werden könnte.
Stella errötete bei diesem Vorwurf, als ob sie selbst dieses Verbrechens beschuldigt würde. Die tatsächliche Hure dagegen lächelte ruhig über das ganze Gesicht. Sie sah aus wie eine Frau, die ein Kompliment bekommen hatte.
Die Freundinnen gingen schweigend den Korridor entlang, wo Kunden mit ihren Dokumenten saßen und auf deren Beglaubigung durch einen falschen Notar warteten. Mit großem Bedauern schaute Stella auf Nataljas Rücken, die vor ihr schritt und die Hüften wiege, als ob sie aus Gummi wären. Wegen des losen Plappermauls dieser schmutzigen Nutte drohte ihr grandioser Lebensplan zu zerfallen.
„Ihr müsst umgehend euer Geld von allen Konten abheben, bevor euer Vermögen samt den Bankkonten beschlagnahmt wird“, sagte Ewgeni.
„Schnell zur Bank!“
Bei der Bank war nicht so viel Bargeld vorrätig, wie sie angefordert hatten. Ewgeni musste einige Leute anrufen, die über die nötigen Beziehungen in der Bankwelt verfügten. Für diesen Rettungsdienst forderte er von jedem Mädchen je 5.000 Dollar. Die beiden Freundinnen brauchten nicht zu antworten, denn die Frage selbst klang schon bejahend.
Dabei erklärte er, dass die Fahndung nach ihnen eingeleitet würde, sobald man die Fälschung der Diplome bewiesen habe, was sehr bald passieren könnte.
„Wie bald? In einer Woche? Einem Monat?“
„Alles hängt von der Antwort aus Lugansk ab. Wer ist in die Sache verwickelt, den Verkauf der Diplome und so weiter?“
„Dahinter stecken ernstzunehmende Leute! Die Diplome sind mit den Original-Siegeln versehen.“
„Wenn es so ist, Stella, dann wird die Überprüfung sicher mehrere Monate dauern. Aber für euch ist es das Beste, wegzufahren, damit ihr nicht im Untersuchungsgefängnis landet. Lasst die anderen damit klarkommen.“
„Verstanden. Hab vielen Dank!“
„Sagt Bescheid, falls ihr nochmal Hilfe braucht, ihr kleinen Schwindlerinnen!“, scherzte der Staatsanwalt.
„Auf Wiedersehen, Ewgeni!“ Stella umarmte den Freund. Ihre Augen wurden feucht. „Danke dir für alles…“