Saweli hatte eine heimliche Affäre mit einer Studentin an der Universität in Winniza gehabt, an die er sich nicht gerne erinnerte.
Der arme Kerl wurde damals vor die Wahl gestellt: Entweder sollte er die Universität verlassen, oder die Affäre würde an die Öffentlichkeit gebracht.
Saweli teilte seiner Ehefrau mit, er sei nach Kiew versetzt worden, und verließ seine Heimatstadt für immer. Aber Natalja war mit jener ungeschliffenen dummen Gans gar nicht zu vergleichen, die in der ganzen Stadt verbreitete, wie cool sie doch war, weil sie mit dem Lehrer schlief.
Natalja war etwas ganz Besonderes!
Die Heldin der derbsten und süßesten Romanze seines Lebens, die Muse seiner unzüchtigen Fantasie. Er bekam von ihr alles in voller Höhe, seine Wünsche wurden vollkommen befriedigt. Saweli war kein großzügiger Mensch, eher ein geiziger, narzisstischer Egoist und Fetischist. Er war es nicht gewöhnt, zu geben. Er hielt nichts von Menschen, die er nicht für seine Zwecke ausnutzen konnte, und verachtete sie.
Er liebte es, an Frauenschlüpfern zu riechen, er nahm die Unterwäsche von Prostituierten, die er sich einmal in der Woche, gewöhnlich freitags, nach den schweren Arbeitstagen holte. Er feilschte mit dem Mädchen um jede Hrywnja, dann einigten sie sich meistens darauf, dass er die Unterwäsche als Geschenk behielt. Viele Straßennutten kannten den Dekan persönlich und hatten billige, fertig vorbereitete stinkende Schlüpfer dabei.
An einem solchen außergewöhnlichen Abend, als Saweli auf dem Weg nach Hause zu seiner Frau und Kindern war, roch er so heftig an einem Schlüpfer, dass er Nasenbluten bekam. Dann schmiss er den Fetzen in die Mülltonne, die am Hauseingang stand. Am folgenden Morgen rannte er wie ein geölter Blitz aus dem Haus, spielte den musterhaften Familienvater und trug als erster den Mülleimer raus, um wenigstens flüchtig ein Auge auf den Boden der Mülltonne zu werfen. Er atmete die frische Morgenluft ein und erinnerte sich erregt an seine Umtriebe von gestern.
Seine Frau begrüßte ihn immer mit einem Lächeln und plagte ihn nicht mit Fragen. Maria war ihrem Aussehen nach um die fünfzig Jahre alt. Anders als ihr Mann färbte sie sich die Haare nicht, sondern frisierte ihre klassischen grauen Haare zu einer stolzen, mit Haarlack bedeckten Haube. Ihr Gesicht strahlte Ruhe und Zuversicht aus, sie war überzeugt, dass ihr Ehemann der Beste auf der Welt war, der ihr ein angenehmes Dasein als Hausfrau und Mutter dreier Kinder geschenkt hatte.
Vor dem Schlafengehen schickte Saweli ein paar witzige SMS mit Bildern von tanzenden Waschbären an Natalja und stellte sich vor, wie sie herzlich und laut lacht, dass es im halben Wohnheim zu hören ist. Mit diesen Gedanken schlief er vergnügt ein.
Sie aber hatte zu dieser Zeit gar nicht die Absicht, schlafen zu gehen. Sie hatte ihren Zeitplan endlich erstellt und beschloss, die Rufnummer des Escort-Service zu wählen. Der Hörer wurde von einer Frau abgehoben. Das Mädchen war etwas erstaunt. Nach einer kurzen Pause sagte sie:
„Guten Abend! Ich heiße Natalja. Ich rufe wegen der Arbeit an.“
„Ja, ja“, erwiderte die freundliche Stimme am anderen Ende der Leitung. Das entspannte sie ein bisschen.
Sie erfuhr, dass die Auswahl der Kandidatinnen auf Basis eines Wettbewerbs stattfinde und die Firma reiche Kunden habe. Ihre Finger drückten den Hörer immer fester, aufmerksam hörte sie jedes Wort. Es gebe vielfältige Kunden und mehrere von ihnen seien Ausländer. Englischkenntnisse seien erforderlich.
„Englischkenntnisse sind vorhanden“, antwortete Nata sicher. Das Basisniveau hatte sie ja schon.
„Sehr gut. Warten Sie auf unseren Rückruf.“
In Kiew herrschte Frost, trotzdem war das Wetter mehr widerlich als kalt. Kein Schnee, aber viel Eis auf dem trockenen, schmutzigen Asphalt. Bei solchem Wetter wollte man nur warme Socken anziehen und die Serie „Santa Barbara“ bis zum Ende anschauen, ohne einen Fuß vor die Tür zu setzen. Natalja hatte keine Lust, das Wohnheim zu verlassen, dazu noch in ihrer kurzen Daunenjacke, in der sie bis in die Knochen fror. Deshalb kniete sie sich ins ihr Studium. Es gab viel zu lernen und das Mädchen schaffte es nicht, alles rechtzeitig zu erledigen. Sie fragte einen Kommilitonen, der abends in der Bar arbeitete, warum bei ihm alles so rechtzeitig klappte, und fand heraus, dass viele Studenten Amphetamin nahmen. Das half ihnen, sich tagelang aufs Lernen zu konzentrieren, und vor allem beim schnellen Lesen. Erfreut beschloss sie, dieses Wundermittel auszuprobieren. Natalja hatte noch nie zuvor Drogen konsumiert, das war ihr erstes Mal. Es gefiel ihr sehr gut! In diesem Zustand verschwindet der Appetit, der Mensch denkt, liest und läuft viel schneller. Sie entwickelte ein neues Lebenstempo. Parallel zum Studium schrieb sie jeden Tag hundert neue englische Wörter aus dem Wörterbuch heraus und bemühte sich, sie alle im Gedächtnis zu behalten.
Endlich erhielt sie den lang ersehnten Anruf. Ein Mann rief sie an, sie vereinbarten ein Treffen.
Natalja zog ein grellgrünes Kleid aus feinem Stoff an, ähnlich dem, aus welchem Leggins hergestellt. Das Kleid hatte einen Rückenausschnitt bis zur Taille und war für kleines Geld in einer Marktschneiderei genäht worden. Einige Minuten zweifelte sie: „Das Kleid passt eindeutig nicht zu dieser Jahreszeit, dafür ist es sehr sexy und grell. Nein, es ist genau das, was ich brauche!“
Sie zog über das Kleid eine Bluse und die Daunenjacke an und ging hinaus. Sofort wurde sie vom beißenden Frost gepackt.
„Brrr! Oh, du Frost! Lass mich los!“
Ihr rosiger Körper wurde bläulich, die Knie dunkel weinrot. Sie stieg in die warme U-Bahn, alle ihre Gedanken drehten sich um den „Traumjob“.
Im Innersten war Natalja ruhig. Sie wusste, dass sie den Job ohne besondere Anstrengung und ohne Wettbewerb bekommen würde. Es war ja genau das, was sie konnte und mit Leib und Seele wollte. Sie glaubte immer daran, dass sich gutes Geld ausschließlich mit einer Arbeit verdienen ließ, die einem den richtigen Spaß machte. Sie verstand die Menschen nicht, die morgens gähnend jammerten und sich aus dem warmen Bett zwangen, um zu einer Arbeit zu gehen, die sie hassten und verfluchten.
Das war nicht richtig! Sie war sich dessen ganz sicher.
Als sie zum Gesprächstermin kam, sah sie einen kleinwüchsigen Mann mit einer Goldkette um den Hals und in einer Lederjacke. Sie hatte den Eindruck, dass seine Halsmuskeln gerade durch das Gewicht der Kette so gut entwickelt waren. Sein Blick war wie der eines Hundes. Es schien, als wollte er sie gleich beschnuppern. Aber nein. Sein Blick fiel auf den Nataljas Busen, der bläulich und mit Gänsehaut überzogen war, weil sie sich entschlossen hatte, ihn sogar bei Frost für den vollen Effekt zu entblößen. Er betrachtete das vor Kälte blau angelaufene Mädchen wie eine Puppe im Schaufenster einer Boutique und presste beifällig lächelnd die schmalen bläulichen Lippen zusammen. Für sich bemerkte er, dass die Kleine dem Aussehen nach wohl einen Überschuss an Originalität mitbrachte. Natalja fiel ein Stein Herzen, sie fühlte sich rundum wohl.
„Artschik“, stellte sich der Mann vor und reichte ihr die Hand.
„Natalja. Sehr erfreut“, erwiderte sie kokett und zähneklappernd vor Kälte.
„Ist Ihnen nicht kalt in diesem Outfit?“
„Es gibt niemanden, der mich wärmen könnte!“
Der Mann lachte.
„Ich sage kurz was zu den Arbeitsbedingungen. Sie können zu jeder Tageszeit angerufen werden, zwei Stunden vor Abfahrt. Dabei sind Sie immer frisch gewaschen und schön frisiert. Benutzen Sie bitte regelmäßig Parfüm. Vorerst werden Sie als Callgirl beschäftigt. Sie haben zwei Monate, um sich zu profilieren und von der besten Seite zu zeigen. Pünktlichkeit ist sehr wichtig in unserer Arbeit. Die Kunden sind launisch und anspruchsvoll. Um Geld zu bitten ist verboten. Alkoholgenuss in begrenzten Mengen. Männer wollen keine Frauen, die eine Fahne haben.“