Die Firma stellt ihm ein Dokument aus, in dem seine Forderung vereinbart und niedergeschrieben wird. Er beruhigt sich und beschäftigt sich mit dem Begräbnis.
‚Was habe ich mir da nur eingebrockt!‘, denkt Sülze und weiß nicht, dass er noch nicht alle Geschenke im Rahmen dieses ukrainischen Spektakels bekommen hat.
Währenddessen werden im Theater die Leidenschaften angefacht. Stella bestellt einen Sarg. Gewöhnlich ist er geschlossen. Das wird damit erklärt, dass die Leiche verstümmelt und die zerfetzten Fleischstücke nicht schön anzuschauen wären. Bei diesen Worten gefriert Sülze das Blut in den Adern. Er ist überaus froh, dass der Sarg geschlossen ist.“ So war es möglich, eine Kiste mit oder noch besser ohne Ziegelsteine zu begraben, denn die Dorfalkis, die die Verwandten der Braut aus Nowosibirsk oder Wladiwostok spielten, die auf Kosten des Bräutigams zur Hochzeit gekommen waren, hatten in der Regel nicht genug Kraft, um einen Sarg mit Ziegelsteinen hochzuheben. Das hätte die tadellos durchdachte Aufführung der talentierten Regisseurin vollkommen ruinieren können!
Wowan, der Friedhofswächter, hielt immer ein Erdloch für das Begräbnis parat. Dafür bekam er ein Honorar, das aus drei Kisten Schnaps für ihn und ein paar Tüten Süßigkeiten für seine Kinder bestand. Und Blumen für seine Frau konnte er, sobald die Zeremonie vorbei war, ganz nach Geschmack auswählen, bitte sehr! Frische Blumen! Er hatte überhaupt nichts dagegen, eines guten Menschen zu gedenken. Nur die angeheuerten Klageweiber nervten ihn. Sie brachten den sensiblen, besoffenen Wowan jedes Mal fast zum Herzinfarkt.
„Ja, ich weiß doch, dass ihr Betrügerinnen seid! Abzockerinnen! Und dass der Sarg leer ist! Die Weiber heulen aber so bitterlich zur Musik, dass mir selber ohne Ende die Tränen kommen! Ich versteh gar nicht, warum. Ich bin wohl zu empfindlich geworden auf meine alten Tage.
„Du solltest nicht so viel trinken, Onkel Wowa!“, lachte Stella.
„Wie nicht so viel trinken? Ihr macht doch hier die üppigen Gelage! Die Tische sind übervoll. Töchterchen, bitte! Lad diese unerträglichen alten Weiber nicht mehr ein“, flehte Wowan sie an. „Für eine Kiste Wodka heule ich dir selber wie ein Wolf, zwei Stunden am Stück, wenn es sein muss! Schau, euer Amerikaner, der vorige Bräutigam, hat lauthals geweint. Ihr habt sogar diesen zwei Meter hohen Kampfstier fertiggemacht!“
„Hahaha!
Geh nach Hause, du bist schon ganz blau! Laberst Unsinn! Deck morgen das Erdloch ab, dass es niemand sieht.“
„Wer soll das sehen? Das ganze Dorf feiert morgen bei eurem Begräbnis! Sie wachen erst nächste Woche wieder auf.“
„Hahaha!“, lachte Natalja. Sie hörte Stella gespannt zu. Sie sah in ihr einen starken Menschen, der vor nichts Angst hatte und kämpferisch durchs Leben ging. Sie verdiente ihr Geld als Gaunerin und nicht als Nutte. Sie hatte keine ausgeprägte Sexualität. Die spitze Habichtsnase bezeugte ihren unerschütterlichen Charakter. Helles Haar, direkter Blick, schöne große, braune Augen und ein schlanker Körper.
Unwillkürlich dachte Natalja: „Was findet er an ihr, dieser Slawik aus der Präsidentenadministration? Er sprach von ihr mit so viel Begeisterung und Respekt.“
Die beiden Mädchen saßen sich gegenüber und begriffen, dass sie sich gegenseitig ergänzen könnten. In ihrem Inneren erkannten sie, dass dies eine schicksalhafte Begegnung für sie beide war. Sie waren absolut unterschiedliche und doch vollkommen gleich eiskalte Luder.
„Und was passiert dem Ausländer als nächstes?“, fragte Natalja. Sie brannte darauf, auch den Rest zu hören.
„Nach der Beerdigung gehen alle zum Bräutigam schlafen. Nachts kommt eine Prostituierte, angeblich um mit ihm zu reden, und verführt ihn im Schlafzimmer. Die Nutte spielt, sagen wir mal, die Rolle einer unverheirateten Cousine der Braut. Laut Textbuch versucht sie bereits beim Begräbnis, mit Sülze zu flirten. Bei ihren üppigen Kurven schmilzt er dahin. Später am Abend kommt die Braut plötzlich herein, um ihrem Geliebten gute Nacht zu sagen und ertappt ihn mit der nackten Cousine. Der treulose Möchtegern-Ehemann bekommt seine wohlverdiente Ohrfeige. Allerdings darf man sie nicht zu fest schlagen. Die Armen haben schon genug Angst vor den unsrigen. Der Bräutigam darf uns nicht ins Gras beißen. Gott bewahre, dann müssten wir doch noch einen echten Toten begraben! Im Endeffekt ist die Braut geschockt, hat einen Nervenzusammenbruch. In diesem Fall braucht sie dann von ihm unbedingt noch eine Kurreise nach Truskawez, für mindestens drei Wochen. Um die Nerven ein wenig zu regenerieren.“
Natalja hielt sich den Bauch vor Lachen.
„Du, Stella, nicht einmal die vom Bolschoi-Theater machen dir Konkurrenz!“
„Ich bin keine talentierte Schauspielerin, ich bin Dramaturgin… In solchen Fällen ist die Agentur nicht verpflichtet, dem Bräutigam sein Geld zu erstatten. Der Typ wird zum Flughafen begleitet und muss ledig nach Hause fliegen. Natürlich ist er empört und droht der Agenturdirektorin, sie zu verklagen. ‚Verfluchte Deppen! Warum habt ihr mir nicht gesagt, dass sie aus einer Idiotenfamilie stammt?‘
‚Sie wollten ein Mädchen aus einer anständigen Nichttrinkerfamilie kennenlernen! Entsprachen die Gottesdiener etwa nicht Ihren Anforderungen?‘
‚Mal haben sie Feier, mal ein Begräbnis! Wofür habe ich eigentlich bezahlt? Und was jetzt?‘
‚Laut Aussage der Verwandten, haben Sie Ihre Auswahl zugunsten der Cousine der Braut geändert. Die Braut musste einen Psychiater aufsuchen. Sie haben ihr ein schweres seelisches Trauma zugefügt. Die Genesung wird lange dauern. Seien Sie froh, dass sie mit Ihnen nichts zu tun haben will und sie nicht vor Gericht verklagt hat, wie es die Verwandten der vor dem Altar verlassenen Märtyrerin ohne Zweifel wünschen.‘
‚Was sagen Sie? Märtyrerin? Ich habe dieser frommen Schlampe und ihren bettelarmen Verwandten Kleidung und Schuhe gekauft! Einige von ihnen betteln mich jeden Morgen um Geld an!‘
‚Diese verdammten hirnlosen Dorfalkis! Die kriegen auch nie genug!‘, dachte die Agenturdirektorin, sagte aber kein Wort.
‚Es tut mir sehr leid, aber Ihre Schuld ist offensichtlich, deshalb steht Ihnen keine Rückzahlung zu. Apropos: Sie können den Kontakt zu der nackten Person, die in Ihrem Zimmer angetroffen wurde, weiter pflegen. Wir bieten Ihnen die Dienstleistungen unserer Agentur auch zu diesem Zweck an.‘
‚Oh no! Thanks! Ich habe die Nase voll von Ihren anständigen Prostituierten! Sie ist schnurstracks nackt in mein Schlafzimmer gekommen! Gotteslästerin!‘
‚Augenzeugen berichten, Sie wären gar nicht abgeneigt gewesen, diese Gotteslästerin in Ihrem Schlafzimmer zu sehen, eher im Gegenteil… hm. Sie hätten sie ja aus Ihrem Schlafzimmer werfen und sich bei Hochwürden über das verirrte Schaf beschweren können. Der hätte sie ordentlich verprügelt.‘
‚Solche Schäfchen wirft man nicht aus dem Schlafzimmer!‘, lächelt Sülze über das ganze Gesicht voll künstlicher Zähne, als in seinem Gedächtnis jene verhängnisvolle Nacht aufscheint, die seine einzige angenehme Erinnerung an diese Reise auf der Suche nach reiner Liebe darstellt.
‚Da Sie selbst zugeben, dass Sie der Unzucht und der Untreue schuldig sind, können Sie keinerlei Ansprüche gegenüber unserer Agentur erheben. Außerdem wurden alle diese Punkte vertraglich vereinbart und von Ihnen persönlich unterzeichnet. Nicht wahr?‘
‚Ich weiß nicht mehr, was da stand. Sobald ich in den USA lande, zeige ich Ihre Dokumente meinem Rechtsanwalt!‘
‚Gut, Mister Cloud. Ich wünsche ihnen einen angenehmen Flug.
‘Auf Wiederhören.‘“
„Ihr seid wirklich unglaublich!“, schrie Natalja. „Es war echt super! Als ob ich mit dir einen Krimi geschaut hätte! Einfach toll!“
„Und das war nur einer von mehreren Fällen. Die Aufführungen sind immer unterschiedlich, werden für jedes einzelne Opfer extra entwickelt. Wir untersuchen Gewohnheiten, Horoskop, Hobbys und Charakter im Laufe seines Briefwechsels mit der Braut.“