»Das muß aufhören, Tochter«, murmelte sie verzweifelt. »Entweder sorgst du dafür, daß Don Hernando dich heiratet, oder wir tauschen die Schlafzimmer, ansonsten sehe ich uns beide auf der Straße.« Sie betrachtete sich im riesigen Spiegel der Kommode: fett, verschwitzt, mit zerzaustem Haar und verlaufener dicker Schminke, und schüttelte den Kopf, als wolle sie sich ihre unausweichliche Niederlage eingestehen. »Ich bin schon zu alt, um weiterzukämpfen!« sagte sie mit rauher Stimme. »Jetzt bist du dran.«
»Ich hab mir dieses Leben nicht ausgesucht«, gab Celeste ungerührt zurück. »Du weißt, daß ich lieber in Juan Griego geblieben wäre.«
»Du weißt ja nicht, was du sagst!« tadelte sie ihre Mutter mit sichtbarer Bitterkeit. »Du hast ja keine Ahnung, was Armut bedeutet. Den ganzen Tag putzte und knackte ich Austern, bis ich Blasen an den Händen hatte, ich roch nach Fisch und hatte nur ein einziges Kleid, das ich in der Nacht waschen mußte, damit ich am Morgen etwas Sauberes zum Anziehen hatte. Und oft war es bis dahin noch nicht einmal trocken.«
»Das kann nicht viel schlimmer sein, als den Sabber eines Schweins zu ertragen«, widersprach ihre Tochter, ohne die Ruhe zu verlieren. »Er behandelt dich wie Abfall, der nur fürs Bett gut ist, und offensichtlich taugst du nicht einmal dafür.«
»Früher schon«, lautete die resignierte Antwort der Mutter. »Es gab Zeiten, da betete Hernando mich an…«
»Oh ja! Ich weiß noch gut, wie er deine Brüste küßte und schallend lachte, wenn er dir unter den Rock faßte, auch wenn Leute dabei zusahen.« Sie zuckte mit den Schultern. »Aber das ist lange her.«
»Männer sind nun mal so.«
»Papa nicht.«
»Woher willst du das wissen?« heuchelte die zerzauste dicke Frau Empörung. »Vielleicht damals nicht, aber er hätte so werden können.« Sie beugte sich über ihre Tochter, um fast wütend zu murmeln: »Nütze deine Jugend aus und mach nicht den gleichen Fehler wie ich, einen Hungerleider zu heiraten. Wenn du klug bist, wirst du alles bekommen, was du willst. Ich weiß, wie man Hernando zufriedenstellt.«
»Das ist offensichtlich«, versetzte das Mädchen mit sichtlicher Ironie. »Du weißt, was du tun mußt, aber mich bittest du, mit ihm zu schlafen, damit er uns nicht hinauswirft.« Sie schüttelte bedauernd den Kopf. »Und was, wenn er mich irgendwann auch satt hat? Glaubst du, er wird dann mehr Mitleid haben?«
»Er wird uns nicht vor die Tür setzen, wenn du schwanger bist. Es war ein Fehler von mir, ihm keinen Sohn zu schenken. Allmählich wird er alt und weiß, daß er Nachwuchs braucht, um das zu bewahren, was er angesammelt hat.«
»Jetzt hör mir mal zu!« entgegnete das aufgeweckte Mädchen ungewöhnlich ernst. »Bevor ich vom Liebhaber meiner Mutter ein Kind bekomme, gehe ich lieber in ein Bordell von Porlamar. Das Schlimmste, was mir dort passieren kann, ist, daß mich ein Seemann oder ein Soldat schwängert, aber niemals so ein Mistkerl.«
Trotz ihrer kategorischen Antwort wußte Celeste Heredia, daß in dieser Nacht das letzte Wort in dieser leidigen Angelegenheit noch nicht gesprochen war. Weder ihre Mutter noch Don Hernando Pedrárias würden sich mit ihrer Entscheidung zufriedengeben. Beide wußten nur zu gut, was sie wollten: Emiliana wollte weiterhin die »Senora« in einem luxuriösen Palast mit einem Dutzend Diener spielen, und er wollte der erste Mann sein, der sich mit einem aufregenden Geschöpf vergnügte, das unter seinen Augen zur Frau herangewachsen und inzwischen »reif« war.
In dieser Zeit konnte das Mädchen nur auf die eigene Entschlossenheit zählen, dem Verlangen der beiden auf keinem Fall nachzugeben. Doch jetzt saß Celeste auf dem Platz, den Don Hernando Pedrárias eingenommen hatte, als er von ihr verlangt hatte, in seiner Gegenwart zu masturbieren. Sie mußte lächeln, wenn sie daran dachte, was für ein Gesicht der Gesandte der Casa de Contratación von Sevilla machen würde, wenn er entdecken würde, daß von seiner geliebten Kutsche nur noch ein Haufen Asche übrig war.
Sie schlug die Augen auf, um sich zu vergewissern, ob ihr Vater und ihr Bruder noch da waren, und als Miguel Heredia Ximénez ihren lächelnden Gesichtsausdruck sah, mußte er überrascht fragen:
»Warum grinst du wie die Katze, die einen Vogel gefressen hat?«
»Weil ich ihn wirklich verspeist habe und noch nie so glücklich war wie jetzt. Wohin werden wir fahren?«
»Wohin der Wind uns führt«, gab ihr Bruder zurück.
»Der Ort gefällt mir. Da war ich noch nie. Ist er schön?«
»Der schönste, den es gibt.«
»Woher weißt du das?«
»Weil ich schon hundert Mal dort war«, antwortete Sebastián. »Er ist das Ziel eines jeden Piraten, der etwas auf sich hält: Du segelst, wohin der Wind dich bläst, drehst um, und das Ganze beginnt von neuem.«
»Du bist verrückt, aber das gefällt mir!« rief sie aus, während sie aus ihrer großen Reisetasche ein dickes, in dunkles Leder gebundenes Buch zog. »Wenn wir schon von Verrückten reden, hast du das gelesen?«
Sebastián nahm das Buch in die Hand und betrachtete es erstaunt:
»Don Quijote de la Mancha. Nein, das kenne ich nicht. Wovon handelt es?«
»Von einem anderen Verrückten, aber der zieht durch die ganze Welt, verwechselt Windmühlen mit Riesen und versucht das Leben anderer Leute in Ordnung zu bringen, obwohl das seinige es viel nötiger hätte. In Spanien soll das ein Riesenerfolg sein.«
»Die Geschichte eines Irren ein Erfolg?« erstaunte sich ihr Vater, und nachdem Celeste mit dem Kopf genickt hatte, fügte er belustigt hinzu: »Wenn das so ist, dann werde ich meine eigene niederschreiben.«
»Du bist nicht verrückt«, tadelte ihn Celeste.
»Frag deinen Bruder!« Er wandte sich Sebastián zu. »War ich verrückt oder nicht?«
Der Angesprochene klopfte ihm liebevoll auf die Knie:
»Ein langes Leiden kann einen an den Rand des Wahnsinns treiben, aber selbst wenn es so war, es ist vorbei.«
»Das will ich hoffen…«
Inzwischen war es Nacht geworden, der Weg wurde immer schmaler, je weiter sie sich von der Hauptstadt entfernten. Nachdem sie den Weg, der hinunter in das entvölkerte Fischernest Aricagua führte, verlassen hatten, mußte Sebastian eine Fackel entzünden und die völlig erschöpften Pferde am Zügel führen.
Dreimal hätten sie sich fast verirrt, doch auf einem beschwerlichen Saumpfad erreichten sie schließlich eine kleine Bucht. Der junge Kapitän Jacare Jack wandte sich seinem Vater zu, der angestrengt durch die Dunkelheit spähte:
»Jetzt fehlt nur noch, daß sie mich verraten haben.«
»Wer könnte das fertiggebracht haben?«
»Außer Lucas Castano jeder«, lautete die bestimmte Antwort. »Dieses Schiff ist sehr begehrt.«
Er ging auf Celeste zu, die ihre Röcke angehoben hatte, um ihre Füße in die sanften Wellen zu tauchen, und fragte:
»Hast du denn gar keine Angst, auf einem Piratenschiff zu segeln?«
»Mit dir als Kapitän? Überhaupt nicht!«
»Mir ist schon bange dabei«, gestand ihr Bruder ein. »Noch weiß ich nicht so recht, wie diese wilde Bande darauf reagieren wird, wenn sie erfährt, daß ein Mädchen an Bord ist.«
»Mach dir keine Sorgen!« beruhigte sie ihn. »Ich war noch keine zwölf, da konnte ich mir schon Hernando Pedrárias vom Leib halten. Jetzt nehme ich es mit jedem auf. Ich werde dir keine Probleme machen.«
»Das bezweifle ich.«
Ähnlich äußerte sich Lucas Castano, als er zwei Stunden später an Land ging, wo sich ihm ein seltsames Bild bot: eine goldene Kutsche, zwei erschöpfte Pferde, drei Männer, die ihm freudestrahlend eine Kiste voller Perlen zeigten, und ein schönes munteres Mädchen, das aussah, als wolle es zu einem Picknick auf dem Lande.
»Aber was fällt dir denn ein?« bot der Bestürzte erstmals seinem Kapitän die Stirn. »Noch nie waren Frauen an Bord der Jacare! Die bringen Unheil.«‘
»Das ist nicht irgendeine Frau«, gab ihm Jacare Jack zu bedenken. »Es handelt sich um meine Schwester.«
»Alle Frauen sind die Schwestern von einem Kerl, deshalb bringen sie nicht weniger Unheil. Wo willst du sie denn absetzen?«