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Bolitho!»

In diesem Augenblick feuerte L'Intrepide beide Heckkanonen ab. Eine Kugel schlug ins Achterdeck, streckte zwei Rudergänger nieder, deren Blut Hull bespritzte, und zertrümmerte die Reling. Die letzte Kugel traf den Kreuztopp und ließ gebrochenes Holz und Blöcke herabregnen. Lance blieb oben.

Bolitho fühlte sich fallen, aber keinen Schmerz. Er versuchte zu verstehen, was Lance da gerufen hatte, doch das Denken fiel ihm zu schwer.

Kräftige Hände hielten ihn besorgt und zartfühlend.»Langsam, Sir«, hörte er Alldays Stimme.»Ein Block hat Sie getroffen.»

Dann eine fremde Stimme, ein unbekanntes Gesicht. Der Schiffsarzt tastete seinen Kopf ab.»Ist nicht schlimm, Sir Richard. Aber wenn er Sie voll erwischt hätte, hätte er selbst Ihren harten Schädel zertrümmert.»

Er hörte Männer jubeln. Da ließ er sich von Jenour und Allday vorsichtig hochheben und stützen. Jetzt kam auch der Schmerz. Bolitho stand zwischen den Trümmern, die der letzte Schuß des Franzosen auf der Truculent hinterlassen hatte, und mußte sich übergeben.

Williams schrie:»Eine englische Fregatte, Männer! Wir haben gewonnen.»

«Es ist nur eine Gehirnerschütterung, Sir Richard«, sagte Allday beruhigend.

Bolitho deckte sein linkes Auge ab und wartete darauf, daß der Rauch des Gefechts sich verzog.

Adam war gekommen und hatte sie gerettet.

Er drehte sich zu Allday um.»Es hat geblitzt!»

«Wieso geblitzt? Ich verstehe nicht. «Allday war verwirrt.

«In meinem Auge«, sagte Bolitho.»In meinem Auge ist etwas passiert. Ich kann nicht mehr klar sehen.»

«Halten Sie ihn fest«, sagte Allday zu Jenour.»Ich besorge uns einen Schluck, den brauchen wir jetzt alle. Captain Adam ist gleich da, Sir Richard.»

Er sah über die zerrissenen, blutigen Planken, über die Toten und Verwundeten hinaus auf die kalte Nordsee. Irgendwo schrie ein Mann vor Schmerzen.

Das war die Wirklichkeit. Wenn der Sieg schon vergessen war, blieb immer noch der Schmerz.

XIV Ehrenhändel

«Nun, das hat Ihnen doch nicht viel ausgemacht, Sir Richard. Ihnen als altem Krieger. «Sir Piers Blachford schob die Ärmel noch weiter hoch und wusch seine knochigen Hände in einer Schüssel heißen Wassers, die ein Diener in das hohe, kühle Zimmer gebracht hatte. Er lächelte dabei. Bolitho lehnte sich im Sessel zurück und entspannte sich langsam. Der Himmel trug schon die Rottöne des nahenden Abends, obwohl es erst drei Uhr nachmittags war. Immer wieder prasselte Regen gegen die Fenster, und von der Straße drang das Klappern der Hufe und Knarren der Räder herauf.

Bolitho hob die Hand an sein verletztes Auge. Es fühlte sich wund und entzündet an nach der gründlichen Untersuchung durch Blachford. Er hatte auch eine Flüssigkeit benutzt, die erbarmungslos brannte.

Blachford sah ihn streng an.»Bitte nicht reiben! Noch nicht!«Er trocknete seine Hände an einem weißen Handtuch ab und winkte den Diener herbei.»Kaffee für Sie?»

Bolitho verneinte. Unten wartete Catherine und machte sich

Sorgen.»Ich muß leider gehen. Aber sagen Sie mir jetzt, was Sie herausgefunden haben.»

Blachford schüttelte den Kopf.»Sie sind immer noch derselbe ungeduldige Mann wie damals auf der Hyperion. Erinnern Sie sich? Damals hat es noch Hoffnung gegeben.»

Bolitho hielt Blachfords Blick stand. Dieser dürre Mann mit dem grauen Stoppelhaar war auf der Hyperion bis zum Ende dabeigewesen und hatte viele Leben gerettet. Damals wie heute erinnerte er Bolitho an einen Reiher, der am Flußufer geduldig wartete, bis er zupacken konnte.

Catherine war sofort zu Blachford gefahren, noch während Bolitho in der Admiralität Bericht erstattete. Trotz seiner vielen Verpflichtungen und Operationen hatte sich Sir Piers Zeit genommen für den Admiral. Bei der Untersuchung half ihm ein kleiner energischer Arzt, der mit kehligem Akzent sprach. Bolitho glaubte in ihm, der sich Rudolf Braks nannte, einen Deutschen oder geflohenen Holländer zu erkennen. Beide Ärzte hatten Nelsons Augenverletzung sehr genau gekannt und einiges darüber veröffentlicht.

Blachford lehnte sich zurück.»Ich möchte mich zuerst mit meinem berühmten Kollegen beraten«, sagte er.»Ihr Auge ist eher sein Gebiet als meins. Wir müssen Sie sicher noch einmal untersuchen, Sir Richard. Sie sind doch hoffentlich noch eine Zeitlang in London?»

Bolitho dachte an Falmouth. Der Winter kam näher, er mußte dorthin zurück. Er hatte zwar damit gerechnet, auf der Truculent zu fallen, aber jetzt rief ihn Cornwall.

«Ich wollte eigentlich nach Hause, Sir Piers.»

Ein kurzes Lächeln.»Also haben wir nur noch ein paar Tage. Wie ich höre, bekommen Sie ein neues Flaggschiff?«Er verriet nicht, woher er das wußte. Bolitho erinnerte sich an Admiral Godschales scheinheiliges Mitgefühl. Dabei hatte er wahrscheinlich schon einen Ersatz parat gehabt, falls Bolitho nicht zurückgekehrt wäre. Hatte Godschale mit Blachford gesprochen?

«Ein paar Tage bin ich noch hier, Sir Piers. Vielen Dank für Ihre Bemühungen. Und vor allem für Ihre Freundlichkeit Lady Catherine gegenüber.»

Blachford erhob sich.»Selbst wenn ich aus Stein wäre, was ja manche behaupten, hätte ich ihrem Wunsch nachgeben müssen.

Eine Frau wie sie trifft man nur selten. «Er streckte ihm seine knochige Rechte entgegen.»Ich melde mich wieder.»

Bolitho verließ den Raum und stieg die große Freitreppe hinunter. Unten öffnete ihm ein Diener die Tür zum Wartezimmer. Catherines dunkle Augen waren voller Fragen. Er küßte sie und drückte sie an sich.»Es ist kein schlimmes Urteil«, beruhigte er sie.

Sie suchte in seinem Gesicht nach einem verborgenen Sinn und fand keinen.

Bolitho sah nach draußen in den Regen.»Wollen wir den Kutscher nicht nach Hause schicken und zu Fuß gehen? So weit ist es gar nicht.»

Als sie dann unter seinem weiten Mantel über das nasse Pflaster schlenderten und sich weder von Kutschen noch einem Trupp Kavallerie stören ließen, erzählte sie, daß sie die Naval Gazette gelesen hatte.»Kein Wort über Charles Inskip oder dich!»

Er hatte ihr von dem Gefecht berichtet und von Anemones rechtzeitigem Auftauchen, das sie alle gerettet hatte, und von Varians schändlichem Verschwinden.»Der Mann wird mir dafür hängen!«hatte er gedroht.

Jetzt erzählte er ihr mehr.»Weder Sir Charles noch ich waren offiziell an Bord. Das wird man vielleicht nicht glauben, aber es verbreitet doch Unsicherheit. Und vor allem — die Franzosen können unseren Besuch nicht gegen die Dänen verwenden.»

«In dem Bericht heißt es, Poland habe die beiden Fregatten bekämpft, bis dein Neffe erschien. Aber in Wirklichkeit hast doch du das Gefecht geführt!»

Bolitho zuckte die Schultern.»Poland war tapfer. Aber er ahnte wohl, daß er fallen würde. Er hat Varian verflucht, ehe er starb.»

Bolitho schwieg und dachte an Sir Charles Inskip, seinen Sekretär und seinen Diener. Die drei hatten einsilbig und schnell die Truculent verlassen.

Sie kamen vor Lord Brownes Haus an, als der Regen heftiger wurde.»Nanu, zwei Kutschen? Ich dachte, wir haben diesen Abend für uns.»

Die Tür öffnete sich, als sie auf der ersten Stufe standen. Mrs. Robbins, die Lord Browne den Haushalt führte und während seiner Abwesenheit auf seinem Herrensitz in Sussex wohnte, begrüßte sie. Sie hatte sich damals rührend um Catherine gekümmert, aber als echte Londonerin eine feste Meinung, was sich schickte und was nicht.

Catherine nahm den Hut ab.»Schön, Sie wiederzusehen, Mrs. Robbins!»

Doch die Haushälterin blickte an ihr vorbei.»Ich wußte nicht, wo Sie sind, Sir! Mr. Allday ist nicht da, Ihr Leutnant ist in Southampton — so geht's doch nicht!»

Bolitho hatte sie noch nie so erregt gesehen. Er nahm ihren Arm.»Was ist denn passiert, Mrs. Robbins?»

Sie vergrub das Gesicht in der Schürze.»Seine Lordschaft — er braucht Sie. «Sie sah die große Treppe hinauf.»Der Arzt ist jetzt bei ihm. Bitte, beeilen Sie sich!»

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