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Minchin, den Nachhall der Detonation noch im Ohr, raffte sich vom Boden auf. Einige Ratten rannten an den Toten vorbei hinaus. Er schüttelte den Kopf und versuchte klar zu denken. Als er an Blachford vorbeistolperte, fragte der:»Wohin wollen Sie?»

«In mein Krankenrevier. Alles, was mir in dieser verdammten Welt gehört, ist dort.»

«Um Himmels willen, sagen Sie mir, was los ist, Mann!»

Minchin stützte sich ab, als das Deck erneut ins Zittern geriet. Das Pumpen hatten schließlich aufgehört. Er schrie wütend:»Wir sinken! Aber ich bleibe nicht hier unten und ersaufe!»

Blachford schaute sich um. Falls ich dies überlebe. Dann riß er sich zusammen.»Seht zu, daß wir die Verwundeten an Deck schaffen.»

Die Gehilfen nickten, aber ihre Augen wanderten zum Aufstieg. Hyperion sank! Ihr Leben, ihr Schiff, ihr Zuhause. Das konnte doch nicht wahr sein! Schuhe klapperten auf der Leiter. Dacie, der einäugige Bootsmannsgehilfe, spähte zu ihnen herunter.

«Kommen Sie bitte herauf, Sir Piers. Das Deck ist ein blutiges Trümmerfeld.»

«Und was wird aus den Verwundeten hier?»

Dacie packte das Geländer und rieb sich sein verbliebenes Auge. Er wollte laufen, weglaufen, immer weiter laufen. Aber sein ganzes Leben lang hatte man ihn gedrillt zu bleiben und zu gehorchen.

«Ich sage es weiter, Sir Piers. «Weg war er.

Blachford nahm seine Tasche und eilte zur Leiter. Nach den ersten Stufen fühlte er den Unterschied in der Schräglage. Zum erstenmal beschlich ihn Furcht.

Jetzt begriff er auch Minchins Zorn.

Sie sanken.

Leutnant Stephen Jenour hielt Bolithos Arm fest, auch nachdem er ihn vom Deck hochgezogen hatte. Vor Schreck und Erleichterung war er unfähig, sich zusammenhängend auszudrücken.»Gott sei Dank, o Gott sei Dank!»

Bolitho sagte:»Nehmen Sie sich zusammen, Stephen. «Sein Blick glitt über das Achterdeck und dann nach vorn; er erfaßte das furchtbare Ausmaß der Zerstörung. Kein Wunder, daß Jenour dem völligen Zusammenbruch nahe war. Wahrscheinlich hatte er sich eingebildet, er wäre der einzige Überlebende hier oben.

Das Schiff machte den Eindruck, als hätte man es abgetakelt und entblößt, damit keiner seiner Schäden verborgen blieb. Der Kreuzmast war dahin, die Vormaststenge wie von einer Riesenaxt abgehackt. Die großen Spieren trieben mit anderen Wrackteilen längsseits: Rahen, Tauwerk und Menschen. Letztere hingen in den Trümmern der Takelage wie sterbende Fische.

Jenour keuchte:»Der Erste Leutnant, Sir Richard!«Er versuchte hinzudeuten, aber seine Hand zitterte dermaßen, daß er beinahe fiel.

Bolitho vergaß seine eigenen Sorgen, als er über die zersplitterte Treppe aufs Batteriedeck hinuntereilte. Die umgekippten Geschütze waren verlassen, die Männer tot oder verwundet um sie herum verstreut. Oder sie krochen blindlings zum nächsten Niedergang, um sich zu verstecken. Parris lag unter einem Achtzehnpfünder. Seine Augen starrten in den Himmel, bis er Bolitho sah.

Bolitho kniete sich neben ihn. Zu Jenour sagte er:»Schickt nach dem Chirurgen. «Er hielt ihn am Rock fest.»Und, Stephen, gehen — nicht rennen! Denken Sie daran, die Überlebenden setzen all ihr Vertrauen in uns.»

Parris hob die Hand, um ihn zu berühren. Durch die Zähne stöhnte er:»Gott, war das schlimm. «Er versuchte, die Schultern zu bewegen.»Was ist mit der San Mateo?»

Bolitho schüttelte den Kopf.»Sie ist fort. Es hatte für sie keinen Sinn, den Kampf hiernach fortzusetzen.»

Parris seufzte tief.»Ein Sieg also. «Dann sah er Bolitho flehend an.»Mein Gesicht — ist es noch heil, Sir?»

Bolitho beruhigte ihn.»Es hat nicht einen Kratzer.»

Parris schien etwas beruhigt.»Aber ich habe kein Gefühl in den Beinen.»

Bolitho musterte das umgefallene Geschütz. Das Rohr war, noch heiß vom Schießen, über Parris gestürzt, doch er fühlte nichts. Auf der anderen Seite waren seine Schuhe zu sehen. Beide Beine mußten zerschmettert sein.

«Ich bleibe bei Ihnen, bis Hilfe kommt. «Er warf einen Blick über das Trümmerfeld ringsum. Nur der Vormast stand noch, die Vizeadmiralsflagge knatterte lustig über den zerfetzten Segeln.

Wieder zitterte das Deck. Die Pumpen waren verstummt, wahrscheinlich verstopft oder beschädigt. Er mußte der Wahrheit ins Auge sehen: Hyperion lag im Sterben, während er hier wartete. Er schaute zu dem toten Fähnrich Mirrielees hinüber, dessen Körper vom Achterdeck hier herunter geschleudert worden war. Nur sechzehn Jahre alt. Ich war just so alt wie er, dachte Bolitho, als Hyperions Kiel zum erstenmal Salzwasser geschmeckt hat.

Er hörte Stimmen und Getrampel und sah Seeleute vom längsseit liegenden spanischen Zweidecker zurückkommen. Unter ihnen befand sich auch Keen, der einen Arm um Tojohns Schultern gelegt hatte und mit einem verbundenen Bein eilig auf ihn zuhinkte.

«Ich bin dort drüben ein dutzendmal gestorben, Sir Richard. Ich. Ich dachte, Sie wären der Breitseite zum Opfer gefallen. «Er gewahrte Parris.»Wir sollten ihn wegbringen.»

Bolitho nahm ihn beim Arm.»Sie wissen Bescheid, Val, nicht wahr?»

Keen erwiderte:»Ja, ich weiß. Hyperion sinkt, und wir können nichts dagegen tun. «Vor Bolithos Kummer wandte er die Augen ab.»Auch wenn wir die Kanonen über Bord werfen und das Schiff leichter machen, nützt das nichts mehr. Die Zeit arbeitet gegen uns.»

Parris stöhnte.

Bolitho, der bisher noch keinen Blick auf ihre spanische Prise geworfen hatte, fragte:»Ist uns der Spanier sicher?»

«Ja. Es ist die Asturias, achtzig Geschütze. Sie hat im Gefecht viel abbekommen wie die anderen auch, aber sie ist noch ganz nützlich zum Übermitteln von Signalen.»

Bolitho pochte der Kopf, die Ohren schmerzten ihn noch von der furchtbaren Breitseite.»Signalisiert an Benbow, die Prisen zu sichern und dem Feind mit allen noch seetüchtigen Schiffen zu folgen. Die Dons werden sicherlich den nächsten spanischen Hafen anlaufen — «, er starrte auf die blutigen Decks,»- und Freund und Feind sich selbst überlassen.»

Keen stützte sich fester auf seinen Bootssteurer.»Komm, Tojohns! Wir wollen die Überlebenden mustern.»

Bolitho wandte sich an Jenour.»Gehen Sie nach unten und übernehmen Sie die Gruppe des Bootsmanns. Schaffen Sie das?»

Jenour nickte und deutete auf Parris.»Und was wird mit ihm, Sir Richard?»

«Ich bleibe hier und warte auf den Chirurgen. «Er senkte die Stimme.»Ich fürchte, er wird ihm beide Beine abnehmen müssen.»

Parris murmelte:»Tut mir leid, Sir Richard. «Keuchend holte er Luft, als ihn eine Welle des Schmerzes durchlief.»Ich hätte früher zu Ihnen kommen sollen, als ich von Ihren Sorgen in London erfuhr. Ich hätte helfen können.»

Was redete er da? Bolitho beugte sich über ihn und ergriff seine Hand. Aber waren es wirklich nur die wirren Worte eines Sterbenden?

Parris fuhr etwas kräftiger fort:»Ich hätte es offenbaren müssen. Aber ich wollte unbedingt ein neues Kommando, weil der Verlust meines ersten so sehr schmerzte.»

Vom Nachbarschiff kletterten noch mehr Leute herüber; Penhaligon, der Segelmeister, und seine Gehilfen traten aus der zerschlagenen Poop. Sie trugen den Chronometer der Hyperion, den gleichen, der ihr in all den Jahren gedient hatte. Nur mit halbem Ohr lauschte Bolitho Parris' Gestammel, er dachte vor allem an dieses Schiff, das er besser gekannt hatte als alle anderen. Hyperion hatte drei Admirale getragen, fünfzehn Kommandanten und Tausende von Seeleuten. Abgesehen von ihrer Zeit als Hulk, hatte sie keinen größeren Feldzug ausgelassen.

Parris sagte:»Somervell wurde mir sehr lieb und teuer. Ich kämpfte dagegen an, aber es war vergeblich.»

Bolitho sah ihn verständnislos an. Zunächst begriff er nicht, was Parris meinte.»Sie und Somervell — heißt das, Sie beide. «Die Erkenntnis traf ihn wie ein Schlag, und er war entsetzt über seine bisherige Blindheit. Da war Catherines Abneigung gegen Parris gewesen — nicht etwa, weil er ein heilloser Schürzenjäger war, wie Haven geglaubt hatte, sondern im Gegenteil: wegen seiner Affäre mit ihrem Ehemann. >Es gab keine Liebe zwischen uns.< Er hörte fast noch ihre Worte. Deswegen mußte Parris auch sein erstes Kommando verlo ren haben, aber dieser Aspekt war von einer höheren Stelle, die keinen Skandal wünschte, unterdrückt worden.

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