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«Klar bei Anker!»

Für den Zuschauer an Land mußten sie ein schöner und vertrauter Anblick sein, dachte Bolitho: die in den Wind drehenden Riesen, alle Leinwand bis auf Marssegel und Klüver aufgegeit.

«An die Marssegelgordings! Vorwärts, Leute, bewegt euch!»

«Ruder hart über!»

Bolitho ballte unwillkürlich die Fäuste, als Parris den erhobenen Arm senkte.»Laß fallen Anker!»

Der große Anker klatschte ins Wasser, während oben die Segel wie von einer einzigen Hand an den Rahen eingerollt wurden. Auch die anderen Schiffe gewannen Halt an ihren Ankertrossen, wobei sich jeder Kommandant um einen perfekten Abstand zum

Flaggschiff bemühte. Nach langer Wartezeit auf See, einer von den Bootsmannsgehilfen und Decksoffizieren immer wieder unterdrückten Ungeduld wurden nun die ersten Boote ausgesetzt.»Gig nähert sich von Land, Sir!»

Das kleine Fahrzeug arbeitete sich gekonnt durch die leichte Dünung: ein erster Kontakt.

«Ich gehe nach achtern, Mr. Jenour. «In Havens Gegenwart drückte sich Bolitho immer förmlich aus.»Sobald sie…»

Er verhielt, als der Quartermaster das uralte Frage- und Antwortspiel begann und rief:»Boot ahoi?»

Von der Gig kam es zurück: «Firefly!»

Jenour sagte erstaunt:»Schon Kommandantenbesuch, Sir Richard?»

Doch auf Bolithos Gesicht stand Erleichterung und noch etwas mehr. Er entgegnete:»Ich will den Kommandanten der Firefly persönlich begrüßen.»

Der junge Commander sprang beinahe mit einem Purzelbaum an Bord. Diejenigen, die keine Ahnung hatten — und woher sollten sie auch? — sahen mit großen Augen, wie der Admiral einen jungen Offizier umarmte, der auf den ersten Blick sein Bruder hätte sein können. Bolitho packte ihn an den Schultern und schüttelte ihn leicht.»Adam, von allen Menschen ausgerechnet du!»

Commander Adam Bolitho, Kommandant der Brigg Firefly, grinste vor Freude über das ganze sonnverbrannte Gesicht.

Alles, was er sagen konnte, war:»Na, Onkel?»

Bolitho stand mitten in seiner Kajüte, während Yovell und Jenour den Sack mit Depeschen und Briefen entleerten, den Adam Bolitho von Land mitgebracht hatte.

Adam berichtete.»Es war erstaunliches Pech, Onkel. Die Franzosen gingen unter Admiral Villeneuve in See, und unser Nelson hatte das Nachsehen. Während der kleine Admiral sie um Malta oder Alexandria vermutete, entwich Villeneuve durch die Straße von Gibraltar in den Atlantik. Hätte man dich früher hierher beordert, Onkel, wärest du ihm vielleicht begegnet. Gott sei Dank kam es nicht dazu.»

Bolitho lächelte schwach. Adam sprach mit der Unbefangenheit und dem Selbstvertrauen eines Veteranen, dabei war er erst vierundzwanzig Jahre alt.»Dein altes Schiff, Onkel, wer hätte das gedacht!»

Hyperion war Adams erstes Schiff gewesen. Er hatte es als dünner, bleicher Junge kennengelernt, aber mit der Entschlossenheit und dem Feuer eines Fohlens.

Yovell legte Bolitho ein amtliches Schreiben der Admiralität vor. Die Franzosen waren also endlich ausgelaufen, an Gibraltar vorbei und über den Atlantik; Nelson hastete zuletzt doch noch hinter ihnen her. Villeneuve war anscheinend westwärts gesegelt, doch warum, das vermochte niemand zu sagen. Bolitho las schnell weiter, während Adam ihn forschend beobachtete. Schließlich gab er Yovell das Schreiben zurück und meinte:»Die Franzosen segelten also. Vielleicht war es ein Trick, um unsere Streitkräfte abzuziehen und zu teilen.»

Adam hatte recht. Hätte man ihm früher befohlen, Antigua zu verlassen, wären sie wohl auf den Feind gestoßen. Fünf Schiffe dritter Klasse gegen eine der besten Flotten der Welt. Über den Ausgang gab es keinen Zweifel. Aber sie hätten Villeneuve wenigstens aufgehalten, bis Nelson ihn einholen konnte.

Bolitho nahm den nächsten, schon von Jenour geöffneten Brief.»Na bitte, da haben wir's: Ich soll Thomas Herrick in Malta ablösen!«Was war davon zu halten? Er hätte sich freuen sollen, den Mann wiederzusehen, der sein bester Freund war. Doch nach der Untersuchung gegen Valentin Keen, als nur Bolithos Aussage ihn vor einem Kriegsgerichtsverfahren bewahrt hatte, war er sich Herricks Freundschaft nicht mehr ganz sicher. Insgeheim wußte Bolitho, daß sein Freund recht gehabt hatte. Hätte er an Herricks Stelle die Vorschriften weitherziger zugunsten Keens ausgelegt? Diese Frage war nie beantwortet worden.

Adam riß ihn aus seinen Gedanken.»Aber erst segelst du nach England, Onkel. «Er lächelte gewinnend.»Mit mir.»

Adam kannte Bolithos Leben, aber nicht ganz. Es gab etwas, an dem er noch keinen Anteil hatte. Yovell schlitzte eine neue Depesche auf: von Admiral Nelson. Sonderbar, daß von allen ihm nahestehenden Menschen nur Adam den berühmten Nelson persönlich getroffen hatte. Er hatte mit seiner Brigg Firefly mehr Depeschen für ihn befördert als jeder andere.

Das Geschwader sollte in Gibraltar warten und sich verproviantieren. Nelson hatte in seiner merkwürdig schräg laufenden Handschrift vermerkt:»Denn zweifellos hat die Fürsorge und Aufmerksamkeit, die Ihnen in English Harbour zuteil wurde, viel zu wünschen übriggelassen. «Bolitho stutzte. Was meinte Nelson?

Er selbst wurde für einen kurzen Besuch bei der Admiralität von seinem Kommando freigestellt. Der Brief schloß mit der von Nelson schon gewohnten Spitze:»Dort werden Sie entdecken, wie eifrig sie ihre Kriege mit Worten und Papier ausfechten, statt mit Kanonen und hartem Stahl…»

Es stimmte, daß das Geschwader frischen Proviant und Ersatzteile brauchen konnte. Ihr nächster Einsatz würde sicherlich von längerer Dauer sein. Die Franzosen mußten schließlich zurückkehren, und sei es auch nur, um Verstärkung von ihren spanischen Verbündeten einzufordern. Und eines dieser Schiffe würde aller Wahrscheinlichkeit nach die Intrepido vormals Consort sein.

Auf einem nahen Tisch lag ein Stapel Seekarten und veranschaulichte die Weite des Atlantik, der leicht eine Flotte verschlingen und verbergen konnte. Glücklicherweise hatte Catherine ihren Brief von England aus geschickt, andernfalls hätte ihn die Ungewißheit zerfressen, ob sie in die Hände des Feindes gefallen war.

Er blickte Adam an, sah die plötzliche Sorge in dessen Augen und bat die anderen:»Lassen Sie uns bitte eine Weile allein. «Er berührte Jenours Arm.»Gehen Sie den Rest des Stapels durch, Stephen. Aber ich furchte, ich verlasse mich fast schon zu sehr auf meinen Adjutanten.»

Als sich die Tür hinter ihnen schloß, sagte Adam leise:»Das war sehr freundlich, Onkel. Dein Flaggleutnant ist auch so einer, der von deinem Charme behext ist.«»Was gibt's daran auszusetzen?»

«Ich weiß, du verabscheust Winkelzüge«, begann Adam.»Ich habe dort drüben einst ein dummes Duell ausgefochten. «Er deutete auf den Felsen.

«Das habe ich nicht vergessen, Adam.»

Der scharrte verlegen mit den Füßen.»Ist es wahr, was man sich in London erzählt?»

«Ich denke schon. Einiges auf jeden Fall.»

Adam wand sich, sein Haar glänzte im Sonnenlicht.»Ist sie das, was du dir wünschst?»

Bolitho nickte.»Ich werde darauf achten, daß es dir nicht schadet, Adam. Du bist schon genug gefährdet worden, einmal durch deinen Vater, dann durch mich.»

Adam hob das Kinn.»Ich kann mich wehren, Onkel. Lord Nelson sagte mir, daß England jetzt alle seine Söhne braucht.»

Bolitho horchte auf. Sein Vater hatte die gleichen Worte gesprochen, als er ihm den alten Degen aushändigte, der eigentlich für Adams Vater bestimmt gewesen war, vor dessen Schande. Es war fast schon unheimlich.

Adam fuhr fort:»Wenn ein Mann einem anderen die Treue hält, dann ich dir, Onkel. Das weißt du. Aber denke daran, wenn sich andere gegen dich stellen, was gewiß der Fall sein wird. Ich kenne die Dame nicht, aber ich kenne ja auch Lady Belinda kaum. «Er schaute verlegen zu Boden.»Meine Güte, ich mische mich da in Dinge ein.»

Bolitho ging zum Fenster. Auf dem stillen Wasser schimmerte das Spiegelbild ihres Nachbarschiffes.

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