Литмир - Электронная Библиотека

Parris, der die beiden vielleicht zum erstenmal begriff, nickte.»Ihr seid zu beneiden.»

Allday schlenderte gemächlich zur Balustrade, von der aus er den größten Teil der Reede überblicken konnte. Der Seegang wurde zusehends gröber. Er biß in einen Apfel, den ihm der Koch des Hafenkommodore gegeben hatte. Der hatte einen verdammt guten Job.

Er sah, wie das große Boot von der Anlegebrücke Abstand hielt, um sich nicht die Farbe abzuscheuern; denn der unruhige Wellenschlag überspülte schon die Steinstufen. Just als er glaubte, die Dinge würden sich arrangieren, schien sich für Bolitho alles verschlechtert zu haben. Die verdammten Weiber! Das hatte er auch zu Ozzard gesagt, als sie im Triumph mit dem Schatzschiff zurückgekehrt waren. Der hatte widersprochen, worauf Allday müde und ärgerlich entgegnete:»Was, zum Teufel, weißt du denn schon? Du warst niemals verheiratet!«Das aber hatte den kleinen

Mann dermaßen aufgeregt, daß sich Allday genötigt sah, ihm zur Versöhnung eine seiner wertvollen Knochenschnitzereien zu schenken.

Er warf das Apfelgehäuse ins sonnverbrannte Gras und wollte gehen. Da sah er sie auf der Terrasse stehen und ihn mit einem jener Blicke bedenken, die einen Eisblock schmelzen lassen konnten. Während er noch gaffte, kam sie näher und fragte:»Erinnerst du dich nicht an mich? Du bist doch Allday.»

Allday erwiderte vorsichtig:»Natürlich erinnere ich mich an Sie, Madam. Keiner könnte vergessen, was Sie damals für den Admiral getan haben.»

Sie überhörte das Unausgesprochene in seinen Worten.»Ich brauche deine Hilfe. Willst du mir vertrauen?»

Allday fühlte sein Widerstreben schwinden. Sie bat ihn, ihr zu vertrauen! Ihr, der Frau des mächtigen Generalinspekteurs, eines Mannes, vor dem man sich sehr in acht nehmen mußte, wenn auch nur die Hälfte von dem stimmte, was man sich über ihn erzählte. Aber sie hatte den ersten Schritt getan. Sie war es, die das Risiko einging.

Er lächelte schwach. Eine richtige Seemannsbraut.»Ich vertraue Ihnen.»

Sie kam näher, und Allday bemerkte das hastige Atmen ihrer Brust unter dem feinen Stoff. Sie ist keineswegs so kühl und gelassen, wie sie scheinen möchte, dachte er.

«Vizeadmiral Bolitho ist nicht er selbst. «Sie zögerte; vielleicht war sie schon zu weit gegangen? Alldays Lächeln war wie weggewischt, in den Augen des großen Mannes stand plötzlich Feindschaft.

«Ich — ich möchte ihm helfen, weißt du. «Ihre Lippen zuckten.»Um Gottes willen, Allday, muß ich erst bitten? Was fehlt ihm?»

«Tut mir leid, Madam, wir haben neuerdings eine Menge Feinde, daher. «Allday gewann seine Sicherheit zurück. Was konnte ihm schon passieren? Also sagte er nach kurzem Überlegen:»Er wäre beinahe erblindet. «Trotz des heißen Windes wurde ihm eiskalt, aber nun konnte er nicht mehr zurück. Er schloß:»Er fürchtet, daß er die Sehkraft seines linken Auges verliert.»

Sie starrte Allday an und sah das schlimme Bild wieder vor sich: Er hatte in die Sonne geblickt, als sie hinzukam. Dabei hatte er so niedergeschlagen, so verloren ausgesehen, daß sie ihn gern in ihre Arme genommen hätte, ungeachtet ihrer Sicherheit, ja ihres Lebens, wenn sie ihn nur wenige Augenblicke hätte trösten können. Sie rief sich seine Stimme ins Gedächtnis zurück, die Art, wie er sie angeschaut hatte, ohne sie zu erkennen, und flüsterte:»O mein Gott!»

Allday fuhr fort:»Vergessen Sie nicht, Madam, ich habe Ihnen nichts erzählt. So wie die Dinge liegen, stecke ich bei ihm oft genug bis zum Hals in heißem Wasser, ohne daß Sie es noch anzuheizen brauchen. «Er hielt inne, von ihrem Schmerz gerührt, der sie alle Haltung verlieren ließ.»Aber wenn ich helfen kann. «Er brach ab und berührte ehrerbietig seinen Hut. Dabei wisperte er heiser:»Ihr Mann kommt über die Kimm, Madam, ich muß gehen!»

Dann verschwand er mit großen Schritten, eine kernige Gestalt in flatternder blauer Jacke und Nankinghose, narbenbedeckt und so schwer blessiert, daß man es seinem schlichten Gesicht ansah. Aber trotz allem so sanft und liebevoll, daß sie um ihn, um alle seinesgleichen, hätte weinen können.

Ihr Mann wollte nicht zu ihr, sie sah ihn mit dem Leutnant namens Parris über die Terrasse gehen. Als sie zum Hafen hinunterschaute, war es Allday, der sich nach ihr umdrehte und seinen Hut lüftete: nur eine kleine Geste, und doch zeigte sie ihr, daß er sie als Verbündete akzeptierte.

Die Hängelampen in der großen Kajüte der Hyperion beschrieben wilde Spiralen und warfen irre Schatten auf den karierten Bodenbelag und die festgezurrten Neunpfünder zu beiden Seiten.

Bolitho nippte an einem Glas Weißwein und wartete, während Yovell ein weiteres Schreiben beendete und es ihm über den

Tisch zur Unterschrift hinschob. Wie Schauspieler auf einer Bühne, dachte er, als Ozzard geschäftig die Gläser nachfüllte und Allday, der keinen Text zu sprechen hatte, wie ein Statist kam und ging.

Kapitän Haven stand bei den halb abgeblendeten Heckfenstern. Man hatte sie vorsorglich geschützt, weil der in der Dunkelheit noch bedrohlicher wirkende Wind Gischt über die ankernden Schiffe wehte. Bolitho fühlte, wie das ganze Schiff erzitterte, wenn es ins Ankertau einruckte.

Haven beendete seinen Bericht mit den Worten:»Das ist alles, was ich zu bemerken habe. Der Zahlmeister ist mit der Versorgung zufrieden, und mit einer Ausnahme sind alle Arbeitsgruppen von Land abgezogen worden. «Er sprach so überlegt wie ein Schüler, der vor seinem Lehrer eine schwierige Lektion wiederholt.»Es ist mir auch gelungen, die drei Boote zu ersetzen, allerdings muß noch einiges an ihnen getan werden.»

Ein versteckter Hinweis, daß es sein Admiral gewesen war, der sie verloren hatte. Aber Haven hütete sich, seine wahren Gefühle zu offenbaren.

«Wer führt die letzte Arbeitsgruppe an?»

Haven überflog eine Liste.»Der Erste Leutnant, Sir Richard.»

Nach ihrem kürzlichen Zusammenstoß nannte er ihn immer bei seinem Titel. Bolitho schwenkte den Wein im Glas. Gut denn, wenn er es so haben wollte? Haven war ein Narr, er hätte wissen sollen, daß sein Admiral wie jeder andere Flaggoffizier seine Karriere fördern oder zerstören konnte. Oder war das seine Art, Bolithos Sinn für Fairneß auszunutzen?

Yovell schaute über seine Stahlbrille.»Bitte um Verzeihung, Sir Richard, aber soll die Order an die Obdurate in diesem Wortlaut abgehen?»

Bolitho lächelte schwach.»Sie soll. «Er brauchte ihn nicht daran zu erinnern. Der Text lautete kurz und bündig:»Es wird Ihnen dringend befohlen, sofort auslaufbereit zu sein!»

Kapitän Robert Thynne, der Kommandant ihres einzigen Vierundsiebzigers, mochte denken, was er wollte. Aber die

Obdurate wurde jetzt mehr denn je gebraucht. Die Fahrzeuge mit dem spanischen Schatz waren durch die gefährlichen Gewässer zu eskortieren, bis sie auf Sir Peter Folliots Geschwader stießen oder genügend freien Seeraum erreicht hatten, um für sich selbst zu sorgen. Bolitho hätte lieber gewartet, bis sein eigenes kleines Geschwader eintraf, aber der Wetterumschlag verzögerte dies.

Er trat beiseite und massierte im milden Licht der Laternen sein Auge. Seit dem törichten Test mit dem Sonnenlicht schmerzte es. Oder bildete er sich das bloß ein? Jedenfalls war er froh, wieder an Bord seines alten Schiffes zu sein. Somervell hatte das angedeutet, als Bolitho sich verabschiedete.

Der Generalinspekteur hatte erklärt, daß auch er und seine Frau nach dem Abgang des Goldtransports die Insel verlassen würden. An Bord eines großen Indienfahrers, den man täglich erwartete. Persönlicher Komfort wurde bei Somervell großgeschrieben. Bolitho bekam die andere Seite des Mannes zu sehen, als er ihn bat:»Ich würde mich gern auch von Lady Somervell verabschieden.»

«Unmöglich. Sie ist nicht mehr hier. «Somervell war seinem Blick herausfordernd begegnet. Bolitho konnte sich gut vorstellen, wie die gleichen kalten Augen bei Tagesanbruch über den Lauf einer Duellpistole zielten. Allerdings wußte man, daß er für derartige Abrechnungen den Degen vorzog.

29
{"b":"113359","o":1}