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Ein Bajonett schnellte vor und schleuderte einen angreifenden Seemann schreiend in den schwelenden Qualm, aber Bolitho und seine Leute rechts und links hatten jetzt auf dem Deck der Revenge Fuß gefaßt und stürmten weiter vor. Der Mann mit dem Bajonett wirbelte herum und stieß nach Bolitho, aber Stockdale ergriff ihn und schlug ihm mit voller Wucht den Griff seines schweren Entermessers in den Mund. Als der Mann zurücktaumelte, hieb ihm Stockdale ins Genick, so daß er tot zusammenbrach.

Die erste Überraschung würde bald der Wut und dem Verteidigungswillen des Gegners weichen, das war Bolitho klar, aber irgendwie schien es ihn nicht zu berühren.

Einmal, als er sich unter einer herabgestürzten Rah durchwand, um einem Mann, der eine Pistole auf einen der Ihren anlegte, den Arm abzuschlagen, konnte er einen Blick auf die White Hills werfen, sein einst so stolzes Schiff. Die Großrah war wie der Bogen eines Riesen in zwei Hälften zerbrochen, und auf der Back türmte sich so viel herabgestürzte Takelage, Segel und Trümmer, daß die Brigg wie ein Wrack aussah.

Über diesem Gewirr und Rauch sah er einen scharlachroten Klecks, und es wurde ihm klar, daß er trotz der sich überstürzenden Ereignisse wohl doch noch den Befehl zum Setzen der britischen Flagge gegeben haben mußte, aber er konnte sich nicht daran erinnern.

«Hier entlang, Jungs!«Es war Buller, der Enterbeil und Pistole schwang.»Kämpft euch nach achtern durch!«Dann fiel er, einen Ausdruck völliger Überraschung im Gesicht.

Bolitho knirschte mit den Zähmen. Die wertvolle Zeit, die sie mit so viel Mühe gewonnen hatten, war verstrichen.

Vom Achterdeck der Revenge kam jetzt das Bellen eines leichten Schwenkgeschützes, und Bolitho hörte über den Kampflärm hinweg, daß auch die Kanonen der White Hills noch feuerten. Er stellte sich Frowd vor, wie er trotzig den Widerstand organisierte, bereit zu sterben.

Irgendwie hatten sie sich bis zur Mitte des Decks durchgekämpft, wo die aufgehäuften Trümmer jede Bewegung doppelt schwer machten, aber wo ein Verweilen sicheren Tod bedeutete.

Er sah Dunwoody, der auf dem blutüberströmten Deck mit einem Seemann der Revenge kämpfte. Sie rollten am Boden, Dunwoodys Hand war bereits zerfetzt von dem Versuch, des Mannes Entermesser abzuwehren, während er nach seinem eigenen suchte, das ihm entfallen war. Ein weiterer Mann kam aus dem Qualm, in der Hand eine Pike, mit der er Dunwoodys Hals durchbohrte und den zuk-kenden Körper an Deck festspießte, bis das Entermesser ihn erlöste.

Bolitho sah das alles, und als er über ein umgestürztes Boot sprang, fand er sich Auge in Auge mit dem Kapitän der Revenge. Neben ihm sah er das verlassene Ruder, die aufgerissenen Splitter, die aus dem Achterdeck ragten wie Federn, die verstreuten Körper der Toten, die den doppelten Ladungen der vier Sechspfünder zum Opfer gefallen waren.

Bolitho duckte sich, als des Mannes Klinge über seinen Kopf zischte, verfing sich in einer Tauschlinge und stürzte schwer zur Seite. Er beobachtete, wie die Klinge wieder hochgerissen wurde und dann auf ihn niederfuhr. Mit seinem Degen parierte er den Schlag, spürte aber die Wucht des Hiebes wie einen schmerzhaften Treffer in seiner Schulter. Der Kapitän sprang zurück und lief nach achtern, um einen Zusammenstoß mit den jetzt heranjagenden Enterern zu vermeiden. Da kamen sie gerannt, Rabbett, sein Entermesser blutig bis zum Griff, Carlsson, der Schwede, in der Hand eine Muskete mit aufgepflanztem Bajonett, die er einem sterbenden Gegner entrissen haben mußte, und sogar Borga, der römische Koch, bewaffnet mit einem Schwert wie einst seine Vorfahren in der Gladiatorenarena. Sie alle waren noch am Leben und voller Kampfeswut.

Auf der anderen Seite des Decks sah er Quinn mit der zweiten Gruppe der Enterer, blaß und mit einer Stirnwunde, aus der das Blut strömte. Sie waren in einem Kampf mit mindestens der doppelten Anzahl von Gegnern verwickelt.

Bolitho entdeckte plötzlich Couzens und schrie heiser:»Zurück an Bord! Ich hatte Ihnen gesagt, Sie sollten bei Mr. Frowd bleiben!»

Er duckte sich keuchend, als ein Schatten vor ihm auftauchte. Mit einem scharfen Ruck seines Handgelenks riß er rechtzeitig den Degen hoch, um den Stoß eines Entermessers aufzufangen.

Der Angreifer war ein Unteroffizier und bestimmt so englisch wie Bolitho selbst.

«Diesmal haben Sie ein zu großes Stück abgebissen, Sirl»

Bolitho fühlte des Gegners Kräfte, er wurde zurückgedrängt, die Klinge war nur noch fingerbreit von seiner Brust entfernt. Der Dialekt des Mannes war Cornish, wahrscheinlich stammte er aus Bolithos engerer Heimat.

Moffitt hob jetzt den Kopf wie ein Preisboxer, das Blut troff noch von seinem Dolch.

«Aber du auch!»

Bolitho brach unter dem Gewicht des sterbenden Unteroffiziers zusammen. Moffitts Klinge war mit solcher Wucht in dessen Rük-ken gedrungen, daß sie nur durch ein Wunder nicht alle beide aufspießte.

Couzens duckte sich und sprang immer wieder rasch zur Seite, wenn die Gestalten um ihn herum nach ihm schlugen und stachen. Stahl prallte auf Stahl, und von achtern erscholl jetzt ein Chor entsetzter Schreie, als ein Schwenkgeschütz inmitten seiner eigenen Bedienungsmannschaft explodierte.

Couzens keuchte atemlos:»Ich will nur helfen, Sir!»

Bolitho schüttelte ihn am Arm und fühlte, wie Couzens bei seinem Anblick zusammenzuckte.»Nehmen Sie zwei Mann und gehen Sie nach unten. Sagen Sie ihnen, ich möchte, daß diese Brigg in Brand gesetzt wird!«Er spürte, daß der Junge entsetzt war über seine Wildheit und Wut.»Los, tun Sie, wie Ihnen befohlen!»

Schüsse schlugen ins Deck ringsum, trafen die Leichen, die zusammenzuckten wie Lebende. Der Kapitän der Revenge hatte Scharfschützen in die Takelage geschickt, die Frowds kleine Gruppe und alles, was wie ein Offizier oder zumindest ein Anführer aussah, aufs Korn nehmen sollten.

Stockdale brüllte:»Vorsicht, Sir!«Er warf sich nach vorn, als ein Mann mit einem Entermesser Bolitho ansprang, war aber nicht schnell genug. Bolitho sah das wutverzerrte Gesicht des Gegners und fragte sich, ob auch er so aussah und Couzens sich deshalb so vor ihm geängstigt hatte.

Das schwere Entermesser knirschte gegen Bolithos Degengurt und verbeulte die starke Messingplatte wie der Einschlag einer Gewehrkugel.

Er sah den Ausdruck des Gesichts sich wandeln von Wut in Furcht, dann zu völliger Leere, als Bolithos Degen es vom Auge bis zum Kinn aufriß und den röchelnden Mann hintenüber warf.

Bolitho fühlte sich elend, erschöpft und wie gelähmt durch die Wildheit des Kampfes. Couzens hatte es wohl nicht geschafft, die Brigg in Brand zu setzen, denn im Vorschiff fingen die Gegner jetzt an mit Hurrarufen. Der Kampf schien zu Ende zu sein. Wie Quinn hatte er es immerhin versucht.

Da war es wieder, laut und wild:»Hurra, Hurra!»

Bolitho starrte Stockdale an.»Das ist nicht der Feind!»

Er wirbelte herum, ließ zum ersten Mal seinen Degen sinken und sah verblüfft, wie aus dem vorderen Niedergang eine Schar schmutziger, unrasierter Gestalten hervorbrach.

Couzens rannte mit ihnen. Völlig außer sich vor Aufregung rief er:»Gefangene, Sir!»

Dann wurde er von den Befreiten beiseite gefegt, die vorbeistürmten wie ein Wasserfall, bewaffnet mit allem, was sie packen konnten: heruntergefallenen Entermessern, Beilen, eisernen Belegnägeln, irgend etwas, womit sie ihre alten Gegner treffen, umbringen oder jene zu Krüppeln schlagen konnten, die sie so lange gefangengehalten hatten.

Bolitho glaubte, einem Wahn zu erliegen, aber das Ganze erwies sich als Wirklichkeit. Offensichtlich handelte es sich um englische Seeleute, die man in früheren Kämpfen gefangengenommen hatte, vielleicht war es sogar die ursprüngliche Besatzung dieser Brigg. Sie fegten durch die stark gelichteten Reihen wie eine Flutwelle, alles niederschlagend oder über Bord werfend, was sich ihnen in den Weg stellte. Unaufhaltsam drangen sie zum Achterschiff vor.

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