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Bolitho blickte ihn an. Stockdale verstand ihn, war immer da, wenn er ihn brauchte.

«Danke, Stockdale.»

Zwei Stunden schlichen dahin. Die Nachtluft wurde kälter, zumindest schien es so, und die Spannung wich der Müdigkeit.

Bolitho stand halbwegs zwischen Fort und Damm, als er plötzlich anhielt und sich dem Festland zuwandte.

Auch Stockdale starrte hinüber und nickte dann heftig. Rauch!

Der Qualm wurde mit jeder Sekunde heftiger, beißender, und reizte Augen und Kehle, als er jetzt in dicken Schwaden vom Wind herübergeweht wurde. Man sah auch schon Flammen, die wie böse rötliche Federn herumwirbelten, bis sie zu einer geschlossenen Feuerfront zusammenwuchsen.

Fähnrich Couzens, der dösend hinter ihnen herging, keuchte:»Was ist das?»

Bolitho fing an zu rennen.»Sie haben den Hang angezündet, um im Schutz des Rauchvorhangs anzugreifen.»

Er bahnte sich den Weg durch Gruppen hustender, würgender Seesoldaten, bis er das erste Geschütz erreichte.

«Klar zum Feuern!«Er sah Fitzherbert mit einem seiner Unteroffiziere, die sich Taschentücher um Mund und Nase gewickelt hatten.»Wollen Sie es dem Major melden?»

Fitzherbert schüttelte den Kopf, seine Augen tränten.»Keine Zeit mehr. Er wird es ohnehin merken. «Dann zog er den Degen und schrie: «Haltet die Front. Gebt es weiter zur anderen Abteilung!»

Hustend tastete er sich weiter, dabei nach seinen Leuten Ausschau haltend, während mehr Seesoldaten durch den Rauch gerannt kamen, angeleitet von d'Esterres Stimme, der Ruhe forderte und die Ordnung einigermaßen wiederherstellte.

Couzens vergaß sich so weit, Bolithos Arm zu ergreifen, während er murmelte:»Hören Sie! Sie schwimmen!»

Bolitho zog den Dolch und machte die Pistole schußbereit. Ein Flüßchen in der Nähe seines Elternhauses in Cornwall, dessen Furt im Winter bei Hochwasser oft unpassierbar war, wurde von Reitern bisweilen durchschwömmen; so kannte er die Geräusche schwimmender Pferde gut genug, um zu begreifen, was sich jetzt vor ihnen abspielte.

«Sie schwimmen mit ihren Pferden herüber!»

Er fuhr herum, als er ein langgezogenes Hurra hörte, das die Geräusche des Feuers und des Wassers noch übertönte.

D'Esterre rief:»Sie kommen auch über den Damm!«Dann drängte er sich durch die Menge und fügte hinzu:»Halten Sie die Leute zurück, Sergeant! Die Kanonen sollen das erste Wort sprechen!»

Einige bewaffnete Seeleute stolperten aus dem Dunkel und rutschten plötzlich in den Stand, als Bolitho rief:»Hierbleiben! Folgt mir zum Strand!«Sein Verstand kämpfte mit dem raschen Wechsel der Ereignisse, dem herannahenden Unheil.

Eine Kanone donnerte, und das Hurra auf der anderen Seite geriet ins Stocken, wurde abgelöst von Schreien und Stöhnen.

Das zweite Geschütz spaltete die Dunkelheit mit langer, leuchtend orangefarbener Zunge; sein Geschoß traf Menschen und Sand. Bolitho malte sich Quinns entsetztes Gesicht aus, als die trotzigen Hurrarufe erneut aufbrandeten, ebenso stark wie vorher.

Stockdale knurrte:»Hier ist einer!»

Bolitho balancierte auf den Fußballen, beobachtete die aus dem Dunkel vorstürzenden Schatten.

Jemand feuerte eine Pistole ab, und er sah die schreckgeweiteten Augen eines Pferdes, als es auf die Seeleute lospreschte; dann schweifte sein Blick ab, als ein weiterer Reiter aus dem Wasser auftauchte und wie ein Racheengel über sie kam.

Er meinte Stockdale zu hören, wie er Couzens gut zuredete:»Ruhig, Sohn! Bleib bei mir! Nicht zurückweichen!»

Dasselbe könnte er zu mir sagen, dachte Bolitho.

Dann vergaß er alles, spürte nur noch, wie sein Dolch gegen Stahl stieß, und warf sich mit voller Wucht in den Angriff.

Leutnant James Quinn duckte sich, als Gewehrsalven über den Damm knatterten und einige Querschläger von den Kanonen abprallten. Er war beinahe blind vom Rauch des brennenden Hanges und des Geschützfeuers.

Hier draußen schien ihm alles weit schlimmer als im Batteriedeck des Schiffes. Über ihren Köpfen pfiffen und heulten die Kugeln, und durch den Rauch stolperten fluchend die Geschützbedienungen, während sie Munition zum Nachladen herbeischleppten.

«Feuer!»

Quinn fuhr zurück, als das ihm nächststehende Geschütz Flammen und Rauch ausspie. Bei dem kurzen Aufblitzen sah er rennende Menschen und das Glänzen von Waffen, bis die Dunkelheit alles wieder verschluckte und nur die Schreie der Getroffenen die Luft erfüllten.

Jemand rief ihm ins Ohr:»Die Teufel sind schon auf der Insel, Sir! Kavallerie!»

Leutnant Fitzherbert brüllte wütend durch den Rauch:»Maul halten, du verursachst ja eine Panik!«Damit feuerte er auf den über den Damm vordringenden Feind.

Quinn keuchte:»Er hat Kavallerie gesagt!»

Fitzherbert starrte ihn an, seine Augen funkelten weiß über dem Taschentuch.

«Wir wären alle längst tot, wenn das der Fall wäre, Menschens-kind! Ein paar Reiter sind es, nicht mehr!»

Rowhurst rief heiser:»Unser Pulver geht zu Ende!«Dann fügte er, an Quinn gewandt, wütend hinzu:»Verdammt, tun Sie was,

Sir!»

Quinn nickte, von nackter Angst gepackt. Neben sich sah er Fähnrich Huyghue, der seine Pistole gerade über einem hastig aufgeworfenen Erdwall in Anschlag brachte.

«Sagen Sie Mr. Bolitho, was hier vorgeht!»

Der Junge stand auf, ungewiß, in welche Richtung er laufen sollte. Quinn packte ihn am Arm.»Hier am Strand entlang, so schnell Sie können!»

Eine schrille Stimme rief:»Hier kommen sie!»

Fitzherbert riß sein Taschentuch weg und hob den Degen.»Sergeant Triggs!»

Ein Korporal sagte ruhig:»Ist tot, Sir!»

Der Leutnant wandte sich ab.»Allmächtiger!«Dann, als die Hurrarufe lauter und lauter über das Wasser dröhnten, schrie er: «Vorwärts, Seesoldaten!»

Stolpernd und hustend stiegen die Marineinfanteristen aus ihren Löchern, hoben gehorsam die Bajonette und suchten Halt für ihre Füße, während sie mit schmerzenden Augen nach dem Feind Ausschau hielten.

Eine Gewehrsalve peitschte vom Damm herüber, und ein Drittel der Seesoldaten stürzte tot oder verwundet zu Boden.

Quinn starrte ungläubig hin, als die Überlebenden ihre Musketen abfeuerten, nachluden und dabei wieder von einer wohlgezielten Salve getroffen und dezimiert wurden.

Fitzherbert schrie:»Schlage vor, Sie vernageln die Kanonen und lassen Ihre Seeleute unsere Musketen nachladen!»

Dann stieß er einen erstickten Schrei aus und stürzte durch die sich lichtenden Reihen davon: sein Unterkiefer war völlig weggeschossen.

Quinn rief:»Rowhurst, zurück!»

Rowhurst drängte sich mit wilden Blicken an ihm vorbei.»Die meisten sind schon abgehauen!«Selbst angesichts der unmittelbaren Gefahr konnte er seine Verachtung nicht verbergen.»Sie können ebenfalls verschwinden!»

Vom Fort hörte Quinn plötzlich Trompetensignale. Die Marineinfanteristen schienen wie von einer Geisterhand gepackt zu werden.

Der Korporal, der eben noch am Rande der Panik war, rief:»Rückzug! Ruhig, Jungens, noch mal laden und zielen!«Er wartete, bis ein paar Verwundete durch die Linien gehumpelt oder gekrochen waren, dann kommandierte er:»Feuer!»

Quinn konnte nicht fassen, was geschah. Er hörte Kommandos, das Schnappen von Gewehrverschlüssen, und ahnte dumpf, daß d'Esterre mit seiner Reserve vorrückte, um ihren Rückzug zu dek-ken. Der Feind war nur noch wenige Meter entfernt, Quinn konnte das Patschen und Rutschen der Füße auf dem nassen Sand hören, spürte fast körperlich die Wut und Entschlossenheit, mit der die Gegner vorwärts drängten, um den Landeplatz zurückzuerobern. Aber alles, woran er denken konnte, war Rowhursts Verachtung und der Zwang, in diesen letzten Minuten seinen Respekt zurückzugewinnen.

Er keuchte:»Welches Geschütz ist geladen?»

Damit stolperte er den Hang hinunter, die Pistole noch ungeladen, den Dolch noch in der Scheide, den sein Vater extra für ihn beim besten Messerschmied der Londoner City hatte anfertigen lassen.

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