Литмир - Электронная Библиотека

Zu spät, zu spät.

Stetig folgte er dem Schatten des Kanadiers und wußte die gesamte Gruppe dicht hinter sich. Er konnte sich sogar ihre Gesichter vorstellen: Rowhurst, der Artilleriemaat, Kutbi, der großäugige Araber, Rabbett, der kleine Dieb aus Liverpool, der nur durch seine freiwillige Meldung zur Marine dem Strick entgangen war.

Die Geräusche der See kamen näher, hießen sie wie alte Freunde willkommen und gaben ihnen Zuversicht.

Sie duckten sich hinter einige trockene Büsche, die von oben viel größer gewirkt hatten, und starrten von dieser letzten Deckung aus hinüber zum Fort.

Der Kanadier beugte sich vor.»Dies sind die Führungstaue für das Floß«, flüsterte er.

Bolitho sah die großen Balken, an denen die Taue befestigt waren, und hoffte nur, daß der von ihnen errechnete Wasserstand stimmte, denn wenn die Ebbe schon stärker fortgeschritten war und das Floß auf Grund saß, hätte man eine ganze Armee gebraucht, um es anzuschieben. Er dachte auch an die beiden schweren Geschütze, die auf das Festland und den jetzt unsichtbaren Damm gerichtet waren. Er bezweifelte, daß die Garnison ihnen in dem Fall Zeit lassen würde, ihren Irrtum zu bedauern.

Ob Paget wohl von einem günstigen Beobachtungspunkt aus, kochend vor Ungeduld, ihren Vormarsch verfolgte?

Dann brachte er seine abschweifenden Gedanken unter Kontrolle. Dies war nicht der rechte Ort, um nervös zu werden.

Der Späher streifte sein Lederwams ab und sagte leise:»Dann gehe ich jetzt los. «Es hätte ebensogut eine Bemerkung über das Wetter sein können.»Wenn ihr nichts hört, könnt ihr nachkommen.»

Bolitho berührte die dick eingefettete Schulter des Mannes und zwang sich zu sagen:»Viel Glück.»

Der Späher verließ den Schutz der Büsche und ging ohne Eile zum Strand hinab. Bolitho zählte seine Schritte, vier, fünf, sechs, dann hatte er das Wasser erreicht und war kurz darauf verschwunden.

Die Posten auf dem Fort gingen ihre Wache im Dreistundenrhythmus, vielleicht weil so viele Kameraden fehlten. Hoffentlich machte sie das besonders müde.

Die Minuten schlichen dahin, einige Male glaubte Bolitho, etwas zu hören, und erwartete Alarm.

Rowhurst murmelte:»Das sollte lange genug sein, Sir. «Er hatte sein Entermesser bereits gezogen.

Bolitho drehte sich im Dunkeln nach ihm um. War er so ungeduldig, oder dachte er, sein Leutnant habe den Mut verloren, und wollte ihn aufrütteln?

«Noch eine Minute«, sagte er, und dann, an Couzens gewandt:»Mr. Quinn soll sich bereithalten.»

Wieder mußte er seine abschweifenden Gedanken im Zaum halten. Hatte Quinn überprüft, ob die Leitern umwickelt waren? Er mußte einfach daran gedacht haben.

Er nickte Rowhurst zu.»Sie nehmen das linke Tau. «Dann zu Stockdale:»Und wir das rechte.»

Die Seeleute waren in zwei Gruppen aufgeteilt' er sah sie über den offenen Strand zu den schweren Balken schleichen, dann hangelten sie sich an den durchhängenden Tauen entlang, bis ihre Be ine und kurz danach der ganze Körper von der starken Strömung erfaßt wurden.

Nach der Hitze des Tages fühlte sich das Wasser wie kühle Seide an. Bolitho zog sich an dem Seil weiter, es war so fettig wie des Spähers Schulter.

Jeder Mann war extra ausgesucht worden, trotzdem hörte er einige von ihnen grunzen und keuchen und fühlte auch seine Arme vor Anstrengung schmerzen.

Dann waren sie plötzlich angelangt und zogen sich schwe igend, mit weit aufgerissenen Augen nach einem Angriff aus dem Dunkel ausspähend, auf den Ponton hinauf. Statt dessen trat der Späher aus dem Schatten und knurrte:»Alles erledigt. Er ist nicht einmal aufgewacht.»

Bolitho schluckte. Er brauchte keine weiteren Einzelheiten zu hören. Der unglückliche Posten mußte eingeschlafen sein, um erst aufzuwachen, als des Spähers doppelschneidiges Jagdmesser bereits seine Kehle durchschnitt. So sagte er nur zu Rowhurst:»Sie wissen, was zu tun ist. Sammeln Sie drüben die anderen auf, und lassen Sie das Ding von der Strömung zurücktreiben.»

Dann stieg Bolitho vorsichtig von der Verladerampe an Land und stieß dabei gegen den Arm des Toten. Er versuchte, sich genau an alles zu erinnern, was er gesehen hatte: Das Fort lag etwa eine halbe Meile entfernt, nein, weniger. Die Posten würden zur Seeseite hin aufpassen, wenn überhaupt. Sie hatten allen Grund, sich sicher zu fühlen. Der Logger hatte eine Ewigkeit gebraucht, um die Spitze der Insel zu umrunden. Selbst wenn sie nur blindlings feuerten, konnten sie ein großes Kriegsschiff im Nu zum Wrack schießen. Niemand würde mit einem Angriff von Land aus rechnen, da nicht einmal Boote zum Übersetzen vorhanden waren.

Stockdale flüsterte heiser:»Das Floß ist freigekommen, Sir.»

Der Ponton glitt geräuschlos zum Festland, sein Umriß verschwamm mit dem Schatten der hohen Steilküste.

Bolitho schlich weiter in Richtung Fort, die Leute schwärmten nach beiden Seiten aus. Jetzt fühlte er sich wirklich allein und abgeschnitten von jeder Hilfe, wenn etwas schiefgehen sollte.

Nachdem sie sich eine Weile vorwärts getastet hatten, entdeckten sie einen flachen Abzugsgraben und krochen dankbar darin weiter.

Bei einem Halt stützte Bolitho sein Glas auf den sandigen Grabenrand und versuchte ein Lebenszeichen zu entdecken' aber das Fort wirkte so ausgestorben wie die ganze Insel. Das ursprüngliche Gebäude war von den ersten Siedlern zum Schutz gegen die Indianer errichtet worden und seit langem durch Feuer und Kämpfe zerstört. Diese verwegenen Abenteurer müßten lachen, wenn sie uns jetzt sehen könnten, dachte Bolitho.

Nach schier endloser Zeit flüsterte ein Seemann:»Mr. Couzens kommt, Sir.»

Geführt von dem kanadischen Späher, fiel Couzens außer Atem in den Graben, glücklich, seine Kameraden gefunden zu haben. Er flüsterte:»Mr. Quinn ist auch schon hier, Sir, dazu Hauptmann d'Esterre mit seiner ersten Abteilung.»

Bolitho atmete langsam aus. Was jetzt auch passieren mochte, er war nicht mehr allein und ohne Unterstützung. Das Floß war wieder auf dem Rückwe g, und mit etwas Glück würden bald weitere Seesoldaten landen.

Zu Couzens sagte er leise:»Nehmen Sie zwei Mann und arbeiten Sie sich am Strand zu den beiden Booten vor. Bewacht sie für den Fall, daß wir uns plötzlich zurückziehen müssen. «Er fühlte des Jungen Konzentration.»Ab mit euch!»

Kurz darauf sah er, wie Couzens mit zwei bewaffneten Seeleuten über den Grabenrand kroch. Ein Grund zur Sorge weniger. Es war sinnlos, Couzens bei einem so riskanten Coup in Lebensgefahr zu bringen.

Er konnte sich leicht vorstellen, wie die Seesoldaten jetzt in zwei Gruppen zu den Toren schlichen, während eine dritte Abteilung auf der Festlandsseite der Insel zurückblieb, um den Angriff oder auch einen Rückzug zu decken.

Bolitho vermutete Probyn bei Major Paget, wenn auch nur, um sicherzustellen, daß seine Rolle nicht vergessen wurde, wenn alles vorüber war.

Eine weitere Gestalt rutschte in den Graben. Es war Quinns atemloser Fähnrich, der vor Anstrengung zitterte.

«Nun, Mr. Huyghue?«Bolitho dachte plötzlich an Sparke, der in der Hitze des Gefechts so kühl und distanziert geblieben war. Dies war leichter gesagt als getan.»Ist Ihre Gruppe bereit?»

Huyghue nickte eifrig.»Aye, Sir, mit Leitern und Haken. «Er leckte sich die Lippen.»Mr. Quinn sagt, es wird bald hell.»

Bolitho blickte zum Himmel. Quinn mußte recht nervös sein, wenn er dem Fähnrich gegenüber etwas so Offensichtliches erwähnte.»Dann sollten wir besser anfangen. «Damit stand er auf und lockerte sein Hemd. Wie oft noch würden sich solche Situationen wiederholen? Und wann war es wohl an ihm, zu fallen und nicht wieder aufzustehen?

Heiser sagte er:»Mir nach!«Der unnatürliche Klang seiner Stimme ärgerte ihn.»Mr. Huyghue, Sie bleiben hier und passen auf. Wenn wir zurückgeschlagen werden, verständigen Sie Mr. Couzens bei den Booten.»

Huyghue trat von einem Fuß auf den anderen, als stünde er auf heißen Kohlen.»Und dann, Sir?»

36
{"b":"112927","o":1}