„Na ja“, entgegnete Conway, „das einzige, was wir mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit sagen können, ist, daß es sich bestimmt nicht um einen Lichtschalter handelt.“
Er lachte noch, als Fletcher auf die eine Hälfte des runden Betätigungsfelds drückte.
Murchison entfuhr vor Überraschung ein nicht eben vornehmes Grunzen, als der Korridor plötzlich von hellgelbem Licht aus einer unsichtbaren Quelle am anderen Ende des Gangs überflutet wurde.
„Kein Kommentar“, meinte der Captain nur.
Conway spürte, wie er vor Verlegenheit einen hochroten Kopf bekam, und murmelte irgend etwas wie, daß das Licht bestimmt dazu bestimmt sei, Besuchern das Leben an Bord problemloser zu gestalten.
„Falls diese hier Besucher gewesen sind, haben die aber sehr ernsthafte Probleme gehabt“, folgerte die am anderen Ende des Gangs angelangte Murchison. „Seht euch das mal an.“
Der Gang knickte am anderen Ende im rechten Winkel ab, aber der Zugang zum nächsten Schiffsabschnitt wurde durch ein massives Gitter versperrt, das aus seinen Verankerungen in Wand und Decke gerissen worden war. Hinter dem beschädigten Gitter ragten aus Decke und Wänden Dutzende von Metallstäben und — stangen in den Gang hinein. Aber Murchison, Fletcher und Conway schenkten dieser seltsamen Metallwucherung kaum Beachtung, weil sie auf die drei Extraterrestrier starrten, die in großen, getrockneten Lachen ihrer eigenen Körperflüssigkeit lagen.
Es handelte sich um zwei völlig verschiedene physiologische Typen, das sah Conway sofort. Der große Leichnam ähnelte einem Tralthaner, besaß aber weniger Masse. Außerdem waren die Beine unter dem halbkugelförmigen, am Rand leicht nach oben gewölbten Panzer kürzer.
Aus weiter oben im Panzer gelegenen Öffnungen wuchsen vier lange und nicht besonders dünne Tentakel, die in flachen, speerartigen Spitzen mit gezackten Knochenkanten endeten. In der Mitte zwischen zwei Tentakelöffnungen befand sich ein größerer Spalt im Panzer, aus dem ein Kopf heraushing, der fast nur aus Maul und Zähnen zu bestehen schien und gerade noch Platz genug für zwei Augen bot, die auf dem Bodden tiefer, knöcherner Krater lagen. Nach Conways erstem Eindruck handelte es sich bei diesem Geschöpf um nur wenig mehr als eine organische Tötungsmaschine.
Er mußte sich daran erinnern, daß auch dem Personal des Orbit Hospitals mehrere Wesen angehörten, die Mitglieder hochintelligenter und — sensibler Spezies waren und trotzdem immer noch die körperlichen Eigenschaften besaßen, die ihnen erst den Kampf an die Spitze der Evolutionsleiter ihres Heimatplaneten ermöglicht hatten.
Die beiden anderen Wesen gehörten zu einer viel kleineren Spezies mit weit geringerer organischer Bewaffnung. Ihr Körper war ziemlich rund, hatte einen Durchmesser von knapp über einem Meter und bildete im Querschnitt ein an der Unterseite leicht abgeflachtes, schmales Oval. Von der Form her ähnelten diese Wesen sehr stark ihrem Schiff — das hatte aber natürlich kein langes, dünnes, nach hinten stehendes Horn oder einen Stachel und auf der anderen Seite auch keinen langen, schmalen Schlitz, der offensichtlich der Mund war. Die Oberlippe dieses Mauls war breiter und dicker als die Unterlippe. Bei einem der Wesen hing sie über der unteren und verschloß auf diese Weise anscheinend den Mund. Beide Leichen waren oben und unten sowie an der Seite mit einer Art Stoppeln bedeckt, deren Dicke von der Stärke einer Nadel bis zum Umfang eines kleinen Fingers reichte. Die Stoppeln an der Unterseite des Körpers waren viel gröber als die auf der Oberseite. Offensichtlich dienten sie teilweise zur Fortbewegung.
„Es ist ganz klar, was hier passiert ist“, sagte Fletcher. „Als sich das große Wesen aufgrund ungenügender Sicherheitsvorkehrungen losgerissen hat, sind zwei Mitglieder der Spezies, die hier auf dem Schiff die Besatzung stellt, gestorben. Und die von Prilicla entdeckten Überlebenden sind mit der Situation vermutlich nicht fertig geworden und haben deshalb die Notsignalbake ausgesetzt.“
Eins der beiden kleineren Wesen hatte mehrere Schnitt- und Stichwunden erlitten und lag wie ein zerrissenes und zerknülltes Stück Teppich unter den Hinterfüßen seines Mörders. Sein weit weniger Wunden aufweisender, nichtsdestoweniger aber genauso toter Begleiter hatte fast die Flucht durch eine niedrige Wandöffnung über dem Boden geschafft, war vorher jedoch außer Gefecht gesetzt und von einem der Vorderfüße des Angreifers zu Tode gequetscht worden. Dieses Besatzungsmitglied war vor dem Tod aber noch in der Lage gewesen, dem größeren Allen an der Körperunterseite mehrere tiefe Stichwunden zuzufügen, und in einer dieser Wunden steckte noch das kaum mehr sichtbare abgebrochene Horn beziehungsweise der Stachel.
„Das sehe ich auch so“, pflichtete Conway dem Captain bei. „Aber eine Sache bereitet mir noch Kopfzerbrechen. Die blinden Aliens scheinen ihr Schiff zur Unterbringung der größeren Lebensform umgebaut zu haben.
Warum sollten sie sich mit dem Fangen einer so gefährlichen Spezies solche Mühe machen? Entweder haben sie die größeren ETs dringend gebraucht oder es aus irgendeinem Grund für äußerst nützlich gehalten, als blinde Besatzung das Risiko einer gemeinsamen Gefangenschaft mit diesen ETs auf einem Schiff einzugehen.“
„Vielleicht haben Sie Waffen zur Reduzierung des Risikos“, entgegnete Fletcher. „Weitreichendere und wirkungsvollere Waffen als das Horn oder den Stachel, den die beiden da aus welchem Grund auch immer zu tragen versäumt haben, und wofür sie mit dem Leben bezahlen mußten.“
„Was für eine weitreichende Waffe könnte denn ein Wesen entwickeln, das einzig und allein über den Tastsinn verfügt?“ fragte Conway.
Murchison bemühte sich, den drohenden Streit abzuwenden. „Trotz der Blindheit der Aliens wissen wir nicht mit Sicherheit, daß sie nur über den Tastsinn verfügen“, stellte sie fest. „Und was den Wert der großen Lebensform für sie angeht — vielleicht stellt diese eine sich schnell vermehrende Nahrungsquelle dar oder möglicherweise enthalten das Zellgewebe oder die Organe der großen ETs wertvolle Bestandteile für Medikamente. Es kann sich aber auch um einen für unsere Begriffe völlig exotischen Grund handeln. Entschuldigen Sie mich.“
Sie schaltete den Anzugfunk ein und meldete knapp: „Naydrad! Wir haben hier drei Leichen zum Transport ins Labor. Legen Sie sie zur Vermeidung zusätzlicher Schäden durch Dekompression bitte in die Trage.“ An Conway und Fletcher gewandt fuhr sie fort: „Ich glaube nicht, daß mir die restlichen Besatzungsmitglieder die Obduktion ihrer Freunde übelnehmen würden, zumal der große ET ja schon mit dem Öffnen der Leichen begonnen hat.“
Conway nickte. Schließlich wußten sie beide: je mehr sie über die Physiologie und den Stoffwechsel der beiden toten Aliens herausfinden konnte, desto größer waren die Chancen, den blinden Überlebenden zu helfen.
Mit Fletchers Hilfe befreiten sie den großen Leichnam aus dem Käfig und dem seltsamen Dickicht aus Metallstäben und — stangen, von dem er auf den Boden gepreßt wurde. Dazu mußten Sie das von dem ET in den Käfig gerissene Loch vergrößern. Das erforderte die vereinten Kräfte von Fletcher, Conway und Murchison und vermittelte einen Eindruck von der Kraft des Wesens, das die Gitterstäbe verbogen hatte. Als sie den Alien befreit hatten, öffneten sich die Tentakel und blockierten beim freien Schweben des Leichnams in dem beschränkten Raum praktisch den gesamten Gang.
Während sie den Körper zur Luftschleuse schoben, sagte Murchison: „Die Verteilung der Beine und Tentakel ist zwar ähnlich wie bei der FROB-Lebensform vom Planeten Hudlar, aber der Panzer gleicht einem melfanischen ELNT-Ektoskelett ohne Zeichnung, und das Wesen ist auf jeden Fall kein Pflanzenfresser. Da es sich um einen warmblütigen Sauerstoffatmer handelt und die Gliedmaßen keinerlei Anzeichen für die Fähigkeit zum Gebrauch von Werkzeugen oder anderen Gegenständen aufweisen, würde ich den ET vorläufig als FSOJ und wahrscheinlich nichtintelligent klassifizieren.“