„Das bezweifle ich“, entgegnete Conway. „Diese Hunger- und Erstickungsgefühle machen mich allerdings stutzig. Das Schiff ist doch überhaupt nicht beschädigt, und die Luft- und Nahrungsversorgung müßte noch intakt sein.“
„Vielleicht haben die beiden gar keine schweren körperlichen Verletzungen, sondern befinden sich im Endstadium einer Erkrankung der Atemwege, mein Freund“, antwortete Prilicla zaghaft.
„In diesem Fall muß ich wohl mal wieder einen wirksamen Zaubertrank gegen extraterrestrische Lungenentzündung zusammenbrauen“, merkte Murchison von der Rhabwar aus an. „Ich danke Ihnen, Doktor Prilicla!“
Die transportable Luftschleuse — ein dicker, leichtgewichtiger Metallzylinder, über den eine durchsichtige Kunststoffhülle gestülpt war, die später im ausgefalteten Zustand die Vorkammer bildete — wurde in der Nähe des Alienschiffs plaziert. Während Prilicla so nah wie physikalisch möglich bei den Überlebenden blieb, schlössen sich Chen und Haslam dem Captain und Conway an, um eine letzte Suche nach einer feinen Naht auf der Schiffshaut aufzunehmen, die möglicherweise auf eine Einstiegsluke hinwies.
Sie bemühten sich dabei, trotz aller gebotenen Gründlichkeit schnell vorzugehen, weil man nach Priliclas Meinung in bezug auf die Überlebenden keine Zeit mehr zu verlieren hatte. Immerhin betrug der Schiffsdurchmesser fast achtzig Meter, und sie mußten in der vom Captain vorgegebenen halben Stunde eine enorm lange Strecke absuchen. Trotzdem, es mußte einfach einen Weg nach innen geben — ihr Hauptproblem war nur, daß die Schiffskonstruktion trotz der vielen rauhen und verkrusteten Stellen auf der Oberfläche ein Meisterwerk an technischer Präzision war.
„Wäre es nicht möglich, daß diese rauhen Stellen der Grund für die Notlage des Schiffs sind?“ fragte Conway plötzlich. Er hielt eine Seite seines Helms dicht über den Rumpf und beleuchtete mit dem Scheinwerfer im spitzen Winkel die gerade von Fletcher nach Nähten abgetastete Stelle.
„Vielleicht sind die Schwierigkeiten der Überlebenden nur eine Nebenerscheinung“, fuhr er fort. „Der schon fast unnatürlich gute Anschluß zwischen der Außenhaut und den Luken könnte als Schutz gegen eine Art von galoppierender Korrosion auf dem Heimatplaneten dieser Wesen dienen.“
Lange Zeit herrschte Schweigen, dann entgegnete Fletcher: „Das ist allerdings eine äußerst beunruhigende Vorstellung, Doktor, erst recht, weil Ihre galoppierende Korrosion auch unser eigenes Schiff befallen könnte.
Aber das glaube ich nicht. Die verkrusteten Flecken scheinen nämlich aus dem gleichen Material zu bestehen wie das Metall darunter — das sind keine Rostschichten. Außerdem befällt die Korrosion anscheinend gerade nicht die Nähte.“
Conway entgegnete darauf nichts. Tief im Innern seines Gehirns regte sich langsam eine Idee und nahm Gestalt an. Doch als die aufgeregte Stimme Chens in seinem Kopfhörer erklang, zerplatzte sie wieder wie eine Seifenblase.
„Hier drüben, Sir!“
Chen und Haslam hatten etwas gefunden, das wie eine große, runde Luke oder ein einzelner Teil der Außenverkleidung von ungefähr einem Meter Durchmesser aussah, und besprühten den Umriß bereits mit Markierungsfarbe, als Fletcher, Prilicla und Conway bei ihnen ankamen.
Innerhalb und außerhalb des Kreisumfangs befanden sich keine rauhen Flecken, mit Ausnahme von zwei winzig kleinen Punkten, die direkt am unteren Rand nebeneinanderlagen. Bei näherer Untersuchung zeigte sich darüber hinaus ein etwa zehn Zentimeter großer Kreis, der die beiden rauhen Punkte umschloß.
„Das könnte eine Art Schalter zum Öffnen der Luke sein“, sagte Chen, der angestrengt seine Aufregung unter Kontrolle zu halten versuchte.
„Da haben Sie wahrscheinlich recht“, pflichtete ihm Fletcher bei. „Sie haben beide gute Arbeit geleistet. Stellen Sie jetzt die transportable Schleuse über der Luke auf. Schnell.“ Er legte seine Sensorplatte auf das Metall und fuhr dann fort: „Unter der Luke befindet sich ein großer, leerer Raum, es handelt sich also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit um eine Einlaßschleuse. Falls wir die nicht manuell öffnen können, schneiden wir sie eben auf.“
„Prilicla?“ fragte Conway.
„Nichts, mein Freund“, erwiderte der Empath. „Die Ausstrahlung der Überlebenden ist viel zu schwach, um sie zwischen den anderen Strahlungsquellen in dieser Gegend überhaupt entdecken zu können.“
„Unfalldeck“, sagte Conway. Als sich Murchison meldete, fragte er schnell: „Würde es dir angesichts des Zustands der Überlebenden etwas ausmachen, mit dem transportablen Analysator herüberzukommen? Bald stehen die Atmosphäreproben zur Verfügung, und es würde einiges an Zeit sparen, wenn wir sie nicht erst zu dir zur Analyse rüberbringen müßten.
Außerdem wäre auch die Vorbereitungszeit für die Einrichtung der Trage für die Patienten kürzer.“
„Ich hab damit gerechnet, daß du so etwas vorschlägst“, antwortete Murchison knapp. „Zehn Minuten.“
Haslam und Chen brachten die Vorkammer der transportablen Luftschleuse um die Einstiegsluke herum in die richtige Position und befestigten den Plastikstoff mit einer schnell trocknenden Dichtungsmasse am Rumpf. Conway und Fletcher ließen sich dabei von den losen Falten des transparenten Gewebes und der Luke aus Leichtmetall, die ohne Gewicht gegen ihren Rücken schlugen, nicht stören. Der Captain konzentrierte sich ganz und gar auf den Mechanismus, der seiner felsenfesten Überzeugung nach zur Öffnung der Luke diente, und beschrieb dabei sämtliche Eindrücke und Handgriffe für den auf der Rhabwar mitschneidenden Dodds.
„Die zwei rauhen Bereiche im Kreisinnern scheinen keine Rostschichten zu sein“, berichtete er, „sondern sind meiner Meinung nach künstlich aufgerauhte Metallflächen, die den mit Raumhandschuhen versehenen Mundwerkzeugen oder Greiforganen der Schiffsbesatzung bei der Bedienung des Öffnungsmechanismus — das heißt: dieser Scheibe — bessere Haftung geben sollen…“
„Da bin ich mir gar nicht so sicher“, widersprach Conway. Die bei ihm schon einmal kurz aufgeflackerte Idee nahm wieder Gestalt an.
Fletcher überhörte seinen Einwand und fuhr fort: „Also, man könnte die Scheibe im oder gegen den Uhrzeigersinn drehen, in ein Links- oder Rechtsgewinde rein- oder rausschrauben, nach innen drücken oder zusätzlich bis zum Einrasten in die eine oder andere Richtung drehen…“
Während dieser Beschreibung führte der Captain die verschiedenen Druck- und Drehbewegungen durch — allerdings ohne Erfolg. Er erhöhte die Leistung der Fuß- und Handgelenkmagneten für einen festeren Halt am Rumpf, drückte den im Handschuh steckenden Daumen beziehungsweise Zeigefinger auf je einen rauhen Punkt und drehte die Scheibe noch stärker.
Seine Hand rutschte plötzlich ab, so daß sich einen Moment lang der gesamte Druck auf den Daumen und den darunterliegenden Punkt konzentrierte. Daraufhin kippte die eine Hälfte der Scheibe, in der dieser Punkt lag, nach unten, und die andere nach oben. Hinter Fletchers Visier war ein hochrotes Gesicht zu sehen.
„…es könnte sich natürlich auch als ein simpler Kippschalter herausstellen“, fügte er rasch hinzu.
Plötzlich schwang die große, runde Luke nach innen, und die Schiffsatmosphäre zischte durch die Öffnung heraus. Das am Rumpf befestigte Gewebe der Schleusenvorkammer blähte sich auf, und der Metallzylinder mit den beiden Luken wurde durch die einströmende Atmosphäre nach oben gedrückt. Dadurch konnten sich Fletcher und Conway nun in einer großen, aufgeblasenen Hemisphäre aus durchsichtigem Kunststoff aufrichten. Während sie zusahen, wie die Einstiegsluke nach innen und schließlich an die Decke der Schleusenkammer des Schiffs klappte, wurde langsam eine kurze Laderampe ausgefahren. Die Rampe wölbte sich nach unten und stoppte an der Position, die nach einer Landung des Schiffs dem Boden entsprochen hätte.
Inzwischen war auch Murchison eingetroffen und beobachtete sie durch den Stoff der transportablen Luftschleuse. „Die aus der Einstiegsluke entwichene Atmosphäre muß ausschließlich aus der Schleusenkammer des Schiffs stammen, da jetzt keine mehr ausströmt“, stellte sie fest. „Wenn ich das Volumen der Schleusenkammer und das unserer eigenen transportablen Schleuse messe, könnte ich den von den Aliens benötigten atmosphärischen Druck berechnen und außerdem die in der Atmosphäre enthaltenen Gase analysieren… ich komme rein.“