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„Hätte man Sie bloß schon früher zu diesem Fall hinzugezogen“, bemerkte Brenner bewundernd. „Der Patient ist also anscheinend erst hermetisch eingeschlossen worden, als er kurz vorm Tod stand, richtig?“

Conway nickte und sagte: „Aber der Fall ist nicht hoffnungslos. Ein paar unserer ETs wenden spezielle mikrochirurgische Techniken an, die es ihnen ermöglichen werden, diese Wurzelfasern herauszuschneiden, selbst die, die sich in den Nervensträngen verwickelt haben. Das ist allerdings ein sehr langwieriges Verfahren, und es besteht die Gefahr, daß wir nicht nur den Patienten, sondern gleichzeitig auch dessen Krankheit wiederbeleben, die dann womöglich schnellere Fortschritte als die mikrochirurgische Behandlung selbst macht. Ich glaube, die Lösung liegt darin, soviel wie möglich über die Krankheit herauszufinden, bevor wir irgend etwas anderes unternehmen.“

Als sie zum Patienten zurückkehrten, lag dort bereits eine Nachricht von O'Mara bereit, die besagte, daß die Torrance mit dem Versprechen gestartet sei, innerhalb von drei Tagen Vorberichte über die zwei der Fundstelle nächstgelegenen Sonnensysteme zu erstatten. Während dieser drei Tage rechnete Conway fest damit, Methoden entwickelt zu haben, um die Umhüllung und die Rankenfüßer vom Patienten zu entfernen, die Krankheit zum Stillstand zu bringen und einen heilenden chirurgischen Eingriff einzuleiten, so daß die Berichte des Aufklärungsschiffs nur noch benötigt würden, um eine geeignete Unterkunft für die Genesung des Patienten herzurichten.

Doch während dieser drei Tage erzielten sie so gut wie keinerlei Fortschritte.

Die Substanz, die den Patienten und die Rankenfüßer gleichermaßen umgab, konnte mit großer Schwierigkeit und enormem Zeitaufwand angebohrt und weggebrochen werden. Der Vorgang hatte Ähnlichkeit mit der Säuberung eines Fossils, ohne es zu beschädigen, und dieses besondere Fossil war fünfzehn Meter lang und maß über vierundzwanzig von der einen Spitze seiner teilweise gefalteten Flügel bis zur anderen. Als Conway betonte, die Pathologie würde eine schnellere Methode, den Patienten zu schälen, entwickeln können, erklärte man ihm, daß der Überzug eine komplizierte organische Substanz sei und die zu seiner Auflösung entwickelten Mittel eine große Menge giftiger Gase freisetzen würden — giftig sowohl für den Patienten als auch für die ihn behandelnden Ärzte. Außerdem würde die Schalensubstanz der Rankenfüßer von dem Lösungsmittel sofort zersetzt, und das wäre weder für die Haut des Patienten noch für das darunterliegende Zellgewebe gut. Also machte man sich wieder daran, zu bohren und die steinharte Masse abzuschlagen.

Murchison, die fortwährend Mikroproben der von den Wurzelfasern befallenen Stellen entnahm, gab zwar aufschlußreiche Informationen, die aber alles andere als ermutigend waren.

„Ich will dich ja nicht überreden, diesen Patienten aufzugeben“, sagte sie mitfühlend zu Conway, „aber du solltest dich allmählich an diesen Gedanken gewöhnen. Neben dem weit ausgebreiteten Gewebeverlust gibt es nämlich Anzeichen von strukturellen Schäden an der Flügelmuskulatur, Schäden, die der Vogel sich sehr gut selbst zugefügt haben kann. Und ich vermute, der Patient hat sogar einen Herzmuskelriß. Das bedeutet, sowohl einige große chirurgische Eingriffe vornehmen zu müssen, als auch…“

„Diese Herz- und Muskelschädigung“, unterbrach Conway sie scharf, „könnte die nicht von dem Patienten selbst verursacht worden sein, als er versucht hat, sich von seiner Hülle zu befreien?“

„Das ist zwar möglich, aber nicht wahrscheinlich“, antwortete Murchison mit einer Stimme, die Conway daran erinnerte, daß er sich gerade nicht mit einer jungen und unerfahrenen Assistenzärztin unterhielt und sich vergangene und gegenwärtige Liebesverhältnisse ohne große Vorwarnung ändern konnten. „Dieser Überzug ist zwar hart, aber verhältnismäßig dünn, und die Hebelwirkung der Flügel des Patienten ist beträchtlich. Ich würde sagen, die Herz- und Muskelschädigung trat auf, noch bevor der Patient eingeschlossen wurde…“

„Es tut mir leid, wenn ich dich eben ein wenig…“, begann Conway.

„Außerdem ist es nun einmal eine Tatsache“, fuhr Murchison ungerührt fort, „daß die Rankenfüßer auf dem Kopf und am Rückgrat entlang dicht übereinander gewachsen sind. Selbst mit unseren Zellgewebe- und Nervenregenerationstechniken wird der Patient vielleicht nie wieder in der Lage sein, zu denken oder sich zu bewegen, auch wenn wir es schaffen sollten, ihn in einen eigentlich lebendigen Zustand zurückzuversetzen.“

„Ehrlich gesagt, war ich mir nicht im klaren darüber, daß es so ernst um ihn bestellt ist“, entgegnete Conway matt. „Aber es muß doch irgend etwas geben, das wir tun können…“ — er versuchte, seine Gesichtsmuskeln zu einem Lächeln zu verziehen — „… und sei es nur, um Brenners Illusionen von den Wunderheilern des Orbit Hospitals aufrechtzuerhalten.“

Brenner hatte die ganze Zeit vom einen zum anderen geschaut und sich offensichtlich gefragt, ob es sich hierbei um eine lebhafte Fachdiskussion oder um den Anfang eines Familienkrachs handelte. Doch der Lieutenant war ein ebenso taktvoller wie auch aufmerksamer Mensch, und er sagte nur: „Ich hätte den Patienten schon viel früher aufgegeben.“

Bevor jemand antworten konnte, ertönte der Kommunikator, und der Chef der Pathologie, Thornnastor, erschien auf dem Bildschirm.

„Meine Abteilung hat lange und gewissenhaft daran gearbeitet, ein Verfahren zu entwickeln, mit dem man die Überzugsubstanz auf chemischem Weg entfernen könnte, aber leider vergebens“, sagte der Tralthaner. „Allerdings wird die Substanz durch große Hitze angegriffen.

Bei hohen Temperaturen zerbröckelt die Oberfläche, die Aschenablagerung kann man abkratzen oder wegblasen, um der Substanz dann erneut Hitze zuzuführen. Diesen Vorgang kann man gefahrlos wiederholen, bis der Überzug so dünn geworden ist, daß man ihn in großen Stücken und ohne Schaden für den Patienten entfernen können müßte.“

Conway erhielt die genauen Werte der Schmelztemperatur und der Dicke des Überzugs und dankte Thornnastor. Dann bat er über den Kommunikator die Versorgungsabteilung um Schneidbrenner und die Fachleute für deren Bedienung. Murchisons Zweifel bezüglich der Ratsamkeit eines Heilungsversuchs hatte er zwar nicht vergessen, aber er mußte weiterhin alles versuchen. Er verstand nicht, warum der große, kranke Vogel als geflügelte Leiche enden sollte, und er würde es allenfalls erst dann verstehen, wenn sie soviel wie möglich über die Krankheit des Patienten erfahren hatten.

Weil eine solch extreme Hitzebehandlung noch unerprobt war, begannen sie nahe am Schwanz, wo die lebenswichtigen Organe sehr tief lagen und eine Stelle bereits in Mitleidenschaft gezogen worden war — wahrscheinlich durch ihre medizinischen Vorgänger.

Nach nur einer halben Stunde unaufhörlicher Hitzebehandlung hatten sie ihr erstes Erfolgserlebnis seit drei Tagen: Sie entdeckten einen Rankenfüßer, der mit der Oberfläche nach unten im Patienten eingebettet war. Seine Wurzelfaserstränge breiteten sich fächerförmig aus, um sich mit den anderen Rankenfüßern zu verknüpfen, doch ein paar von ihnen bogen sich am Rande des Schalenpanzers entlang nach unten und drangen in den Patienten ein. Die Oberfläche des Wurzelfasergeflechts wurde deutlich sichtbar, als die Flamme des Brenners die Substanz zu einem feinen, glühenden Gewebe verbrannte. Eine der kurz aufglühenden Wurzelfasern verlief zu einem Rankenfüßer, der größer war und eine andere Form hatte.

Geduldig strichen sie mit den Schweißbrennern über beide Rankenfüßer und deren unmittelbare Umgebung und wischten die bröckeligen Schichten des Überzugs ab, bis er hauchdünn war. Dann zerbrachen sie ihn, schälten vorsichtig die Reste ab und konnten zwei perfekte Exemplare vom Vogel abnehmen.

„Sind die wirklich tot?“ fragte Conway. „Oder schlafen die nur?“

„Die sind tot“, antwortete Prilicla.

„Und der Patient?“

„Noch lebt er, mein Freund, aber die Ausstrahlungen sind äußerst schwach und diffus.“

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