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Jedem Arzt, Pfleger und Wartungstechniker des Orbit Hospitals wurden die Grundlagen der auf alle Spezies der galaktischen Föderation anwendbaren Ersten Hilfe beigebracht. Sie lernten natürlich nur die Maßnahmen für solche Spezies, deren Umweltbedingungen nicht so übermäßig exotisch waren, daß ein Patient nur von einem Angehörigen seiner eigenen Spezies unverzüglich behandelt werden konnte. Nach der Regel zur künstlichen Beatmung eines tralthanischen FGLI mußte man dessen zwei Hinterbeine zusammenbinden und die restlichen vier spreizen und wieder zusammendrücken, um Luft in die Lunge des FGLIs zu pumpen. Die Atemmaske befand sich bei Thornnastor in der richtigen Lage, und der Diagnostiker war zum Atmen von reinem Sauerstoff gezwungen. Außerdem stand Prilicla bereit, um jede Veränderung von Thornnastors Zustand sofort zu melden.

Ein Luftröhrenschnitt bei einer Kelgianerin hingegen gehörte absolut nicht zu den Erste-Hilfe-Maßnahmen. Die Spezies der Klassifikation DBLF besaß außer einer dünnen Hülle um das Gehirn kein Knochengerüst. Der Körper eines Kelgianers setzte sich aus kreisförmigen, äußeren Muskelbändern zusammen, die sowohl zur Fortbewegung dienten, als auch die lebenswichtigen inneren Organe schützten. Für die kelgianische Spezies waren schon leichte Verletzungen häufig lebensbedrohlich, weil das komplizierte und äußerst empfindliche Blutkreislaufsystem, das die gewaltigen, den Körper kreisförmig umgebenden Muskeln mit Blut versorgen mußte, direkt unter der Haut verlief und nur durch das dichte Fell geschützt wurde. Folglich konnte eine, von vielen anderen Spezies lediglich als oberflächlicher Kratzer angesehene Verletzung bei einem DBLF in Minutenschnelle zum Verbluten führen. Conways Problem bestand darin, daß die kelgianische Luftröhre tief unter der Halsmuskulatur und nicht einmal einen Zentimeter neben der Hauptschlagader verlief, die das Gehirn mit Blut versorgte.

Da nun Conway als ein terrestrischer Chirurg nach der mündlichen Anleitung eines zweiten Kelgianers operieren mußte und er zudem noch durch das Fehlen eines DBLF-Physiologiebands und die Anzughandschuhe gehandikapt war, versprach der Eingriff ebenso schwierig wie gefährlich zu werden.

„Ich würde diese Operation lieber selbst durchführen, Doktor“, sagte der kelgianische Diagnostiker, wobei er sein Gesicht gegen die durchsichtige Hülle der Drucktragbahre preßte.

Conway gab keine Antwort. Denn hätte der Diagnostiker die Trage verlassen, würde er genauso wie die anderen Insassen der Stationsluft und den darin enthaltenen, wie auch immer gearteten Viren oder Bakterien ausgesetzt sein. Das war beiden klar. Also entfernte Conway am Hals der kelgianischen Schwester ein kleines Stück Fell, und Golvesh desinfizierte die Stelle.

„Versuchen Sie, so wenig wie möglich Fell abzurasieren, Doktor“, bat der kelgianische Diagnostiker, der sich als Towan vorgestellt hatte. „Das wächst nämlich bei Erwachsenen nicht mehr nach, und der Fellzustand ist für Kelgianer von größter psychologischer Bedeutung, ganz besonders bei der zur Paarung unternommenen Annäherung ans andere Geschlecht.“

„Das weiß ich doch alles“, entgegnete Conway ungeduldig.

Bei der Operation stellte er fest, daß zwar einige der Erinnerungen an das kelgianische Physiologieband verläßlich waren, viele andere jedoch nicht. Deshalb war er über die aus der Drucktragbahre dringende Stimme äußerst froh, da sie ihn zumindest von fatalen Fehlern abhielt. Während der fünfzehnminütigen Operation überschüttete Towan ihn unaufhörlich mit Anleitungen, Ratschlägen und Warnungen, die manchmal nicht mehr von persönlichen Beleidigungen zu unterscheiden waren — das Zusammengehörigkeitsgefühl war unter Kelgianern sehr stark ausgeprägt.

Doch schließlich hatten sowohl die Operation als auch die Beschimpfungen ein Ende. Gilvesh bereitete den Anschluß der kelgianischen Schwester an ein Beatmungsgerät vor, während Conway quer durch die Station zu Thornnastor ging, um ihn näher in Augenschein zu nehmen.

Plötzlich flammte der Stationsschirm wieder auf, diesmal mit den Gesichtern von O'Mara und Colonel Skempton, dem Leiter der Ingenieursdivision, die in erster Linie für das Nachschub- und Nachrichtenwesen und die Wartung des Orbit Hospitals verantwortlich war. Es war schließlich der Colonel, der das Wort ergriff.

„Wir haben die Zeit berechnet, die Ihnen noch bis zum vollständigen Verbrauch der momentan auf der Station zur Verfügung stehenden Luftvorräte verbleibt“, sagte er ruhig. „Alle Leute mit Atemmasken haben noch für ungefähr drei Tage Luft — wenn sie sich nicht im Schlaf die Masken vom Gesicht reißen oder durch eine andere Körperöffnung von dem Krankheitserreger befallen werden. Die sechs Ventilationssysteme der Station enthalten nämlich jeweils einen zehnstündigen Vorrat an Sauerstoff und auch an anderen Gasen wie Stickstoff, CO2 und dergleichen, die für Sie in der gegenwärtigen Situation aber uninteressant sind. Die Mitglieder des Transportteams verfügen in ihren leichten Anzügen jeweils über einen vierstündigen Vorrat, wenn sie, indem sie sich möglichst nicht bewegen, soviel Sauerstoff wie möglich sparen…“

Der Colonel hielt kurz inne und Conway spürte, wie Skempton die vier Teammitglieder anstarrte, die dem Hudlarer gerade bei der künstlichen Beatmung von Thornnastor halfen. Schließlich räusperte er sich und fuhr fort: „Der Kelgianer, der Nidianer und die drei Terrestrier in der schützenden Drucktragbahre haben nur noch Luft für knapp eine Stunde.

Die Mitglieder des Transportteams können jedoch die Trage und ihre eigenen Anzüge bei Bedarf wieder mit frischer Luft aus dem Ventilationssystem auffüllen. Wenn all das getan wird, und sich jeder soviel wie möglich ausruht, dann müßten also alle, die nicht durch den Bazillus infiziert sind, in, sagen wir mal, dreißig Stunden noch am Leben sein.

Dadurch haben wir genügend Zeit, die not…“

„Was ist mit Gilvesh und dem TLTU?“ fragte Conway in scharfem Ton.

„Die Auffrischung des Lebenserhaltungssystems eines TLTUs ist eine Arbeit für Spezialisten“, antwortete Colonel Skempton. „Jedes unfachmännische Herumgebastel könnte zu einer Dampfexplosion führen, womit Sie dann noch ein weiteres Problem am Hals hätten. Und was Doktor Gilvesh betrifft, so haben Sie bestimmt nicht vergessen, daß Sie sich in einer Beobachtungsstation für warmblütige Sauerstoffatmer befinden.

Da ist also nirgends Chlor vorhanden. Tut mir leid, Doktor.“

Mit ruhiger, aber fester Stimme antwortete Conway: „Wir brauchen in Flaschen abgefüllte Sauerstoff- und Chlorvorräte, eine Sprühdose mit Nährlösung für den Hudlarer, ein Gerät zur Auffrischung der TLTU-Atmosphäre und hochwertige Lebensmittel mit einem geringen Anteil an Ballaststoffen, komplett mit Schläuchen, die das Essen beim Einnehmen vor direktem Kontakt mit der Stationsluft schützen. Bis auf das Gerät zur Auffrischung der TLTU-Atmosphäre ist keiner dieser Gegenstände sperrig. Und ich bin mir sicher, daß der Teamleiter mit diesem Gerät umgehen kann, wenn ihm von einem Ihrer Wartungstechniker jeder Schritt einzeln erklärt wird. Sie könnten die Sachen durch die AUGL-Station in unsere Schleusenkammer bringen lassen. Dabei hätten Sie wahrscheinlich weniger Probleme als wir damals mit dem Transport der DBPK-Patientin.“

Skempton schüttelte den Kopf, und mit ebenso ruhiger und fester Stimme wie Conway entgegnete er: „Wir haben über diese Versorgungsmöglichkeit natürlich auch schon nachgedacht, Doktor. Aber wir haben leider feststellen müssen, daß die Schleusenkammer geöffnet geblieben ist, nachdem man die Patientin hindurchtransportiert hat. Deshalb ist sie der Kontaminierung schon genauso lange ausgesetzt wie die restliche Station. Wenn wir nun die Schleuse mit den benötigten Gegenständen beladen wollten, müßte sie vorher mit Wasser aus der AUGL-Station geflutet werden. Zum Entladen der Schleuse müßte das Wasser durch Ihre Leute notwendigerweise wieder abgepumpt werden. So würde das Wasser, das mit was auch immer infiziert ist, wieder in die AUGL-Station gelangen. Was das für Folgen hätte, können wir nicht einmal ahnen. Denn ich hab von einer ganzen Menge Ihrer Kollegen gehört, daß durch die Luft übertragene Bakterien häufig auch in Wasser überleben und sich dort sogar vermehren können.

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