Die Fachleute für Erstkontakte stellten die Elite des Monitorkorps dar, eine kleine Gruppe von Spezialisten für extraterrestrische Kommunikation, Philosophie und Psychologie. Obwohl diese Gruppe nur relativ klein war, war sie bedauerlicherweise nicht gerade mit Arbeit überlastet… „…im Verlauf der letzten zwanzig Jahre“, fuhr O'Mara fort, „hat sie in nur drei Fällen das Erstkontaktverfahren eingeleitet, und jedesmal trat die betreffende Spezies der Föderation bei. Ich will Sie jetzt nicht mit Einzelheiten langweilen, was die Anzahl der dazu erforderlichen Erkundungsflüge angeht oder wie viele Schiffe und Personen daran beteiligt waren und wieviel Material benötigt wurde. Erst recht werde ich Sie nicht mit den Gesamtkosten für diese Unternehmungen schockieren. Ich erwähne die drei Erfolge der Kontaktgruppe nur, um zu verdeutlichen, daß dieses Hospital im selben Zeitraum nicht nur voll einsatzfähig gemacht wurde, sondern auch Erstkontakte eingeleitet hat, die zum Eintritt von sieben neuen Spezies in die Föderation geführt haben. Und das wurde nicht etwa durch einen allmählichen, beharrlichen Aufbau und eine Ausweitung der Kommunikation bewirkt, bis ein Austausch komplexer philosophischer und soziologischer Auffassungen möglich geworden wäre, sondern indem einem kranken Alien medizinische Hilfe geleistet wurde.“
Der Chefpsychologe musterte sie alle der Reihe nach, und Prilicla brauchte ihm nicht extra zu sagen, daß er ihre ungeteilte Aufmerksamkeit besaß, denn das war an ihren Mienen abzulesen. „Natürlich stelle ich alles bewußt sehr vereinfacht dar“, fuhr er fort. „Nun gut, Sie mußten sich jedenfalls in solchen Fällen jeweils mit den medizinischen und/oder chirurgischen Problemen auseinandersetzen, die auftreten, wenn man eine bislang unbekannte Lebensform zu behandeln hat. Dabei standen Ihnen sowohl der Übersetzungscomputer des Hospitals, der zweitgrößte in der Galaxis überhaupt, als auch Kommunikationsspezialisten des Monitorkorps zur Verfügung, wobei das Korps auch für die Bergung vieler extraterrestrischer Opfer verantwortlich war. Aber die Tatsache bleibt bestehen, daß Sie, indem Sie medizinische Hilfe geleistet haben, den guten Willen der Föderation fremden Spezies gegenüber viel einfacher und direkter demonstriert haben, als es jeder langatmige Gedankenaustausch hätte tun können.
Als Folge davon hat es eine deutliche Verschiebung des Schwerpunkts der Erstkontaktpolitik gegeben…“
So, wie man nur eine Methode kannte, durch den Hyperraum zu reisen, gab es auch nur ein Verfahren, ein Notsignal zu senden, wenn ein Unfall oder eine Fehlfunktion auftrat und ein Schiff im Normalraum zwischen den Sternen gestrandet war. Der mit festem Leitstrahl arbeitende Subraumfunk war keine zuverlässige interstellare Kommunikationsmethode, da er durch dazwischenliegende Sternkörper Störungen und Verzerrungen ausgesetzt war und überdies Unmengen von Schiffsenergie benötigte — Energie, die ein in Not geratenes Schiff zumeist gar nicht mehr aufbringen konnte. Doch eine relativ simple ›Notsignalbake‹ brauchte keine Nachrichten zu übermitteln — sie war einfach ein nuklearbetriebenes Gerät, das ein Peilsignal sendete, einen Hilferuf im Subraum, der immer wieder sämtliche verwendbaren Funkfrequenzen durchlief, bis er einige Minuten oder Stunden später verstummte.
Da sämtliche Schiffe der Föderation vor dem Abflug Einzelheiten über Kurs und Passagiere einreichen mußten, war die Position des Notsignals normalerweise ein guter Hinweis auf die physiologische Klassifikation einer Spezies, die in Schwierigkeiten geraten war. Dann wurde ein Ambulanzschiff mit der entsprechenden Mannschaft und Ausrüstung zur Lebenserhaltung an Bord vom Orbit Hospital oder von seinem Heimatplaneten geschickt. Aber es gab Fälle, und zwar viel mehr als allgemein angenommen, in denen für die Föderation unbekannte Wesen in ein Unglück verwickelt waren und dringend Hilfe benötigten — Hilfe, die die Ambulanzschiffe mitsamt ihren Besatzungen kaum zu leisten vermochten.
Nur wenn beim betreffenden Bergungsschiff die Hyperraumantriebshülle zu vergrößern war, um das verunglückte Schiff darin einzuschließen, oder aber die Wesen unversehrt befreit werden und in eine für sie passende Umweltbedingung auf dem Föderationsschiff geschafft werden konnten, transportierte man sie ins Orbit Hospital im galaktischen Sektor zwölf.
Folge davon war, daß viele bislang unbekannte Lebensformen, die über eine hohe Intelligenz und eine fortgeschrittene Technologie verfügten, starben und allenfalls noch als interessante Studienobjekte für die Pathologie dienten. Doch hatte man bereits seit langem nach einer Lösung dieses Problems gesucht und die Antwort darauf vielleicht sogar gefunden.
Man hatte entschieden, ein ganz spezielles Ambulanzschiff auszurüsten, das nur auf diejenigen Notsignale reagieren sollte, deren Positionen sich nicht mit den von den Föderationsschiffen eingereichten Flugplänen deckten.
„… wann immer es möglich ist“, fuhr O'Mara fort, „ziehen wir es vor, mit raumreisenden Lebensformen in Kontakt zu treten. Spezies, die zwar intelligent, aber keine Raumreisenden sind, werfen zumeist nur Probleme auf. Wir können bei denen nie sicher sein, ob wir ihre natürliche Entwicklung fördern oder nur behindern, ob wir ihnen technologisch unter die Arme greifen oder einen vernichtenden Minderwertigkeitskomplex bereiten, wenn wir von ihrem Himmel herabfallen…“
„Und wenn das Raumschiff keine Notsignalbake besitzt, was dann?“
unterbrach ihn Naydrad.
„Wenn eine Spezies technologisch so weit fortgeschritten ist, daß sie über Raumschiffe verfügt, und dann eine solche Sicherheitsvorkehrung für die Insassen nicht trifft“, antwortete O'Mara, „dann möchte ich sie lieber erst gar nicht kennenlernen.“
„Ich verstehe“, sagte die Kelgianerin.
Der Chefpsychologe nickte und fuhr dann rasch fort: „Nun verstehen Sie wohl auch, warum vier ranghöhere oder spezialisierte Mitglieder des medizinischen und chirurgischen Mitarbeiterstabs unseres Hospitals zu Ambulanzschiffbegleitern degradiert werden…“ — O'Mara drückte einige Knöpfe auf seinem Schreibtisch, und die Sternkarte der Föderation wurde durch eine große und detaillierte grafische Darstellung eines Schiffs ersetzt —, „… und zwar zu Begleitern eines ganz besonderen Ambulanzschiffs, wie Sie sehen können. Captain Fletcher, fahren Sie bitte fort.“
Wie Conway auffiel, hatte O'Mara gerade zum erstenmal Fletchers Titel als Schiffskommandant benutzt und nicht seinen Monitorkorpsrang als Major. Wahrscheinlich war das die Methode des Chefpsychologen, alle daran zu erinnern, daß Fletcher auf dem Ambulanzschiff das Sagen haben würde, egal, ob es ihnen nun paßte oder nicht.
Conway hörte dem Captain nur halb zu, als sich Fletcher in überschwenglichem Ton über die Ausmaße, Leistungsfähigkeit und Suchmöglichkeiten seines neuen Schiffs ausließ, wobei er an einen stolzen Vater erinnerte, der die Vorzüge seines Lieblingssprößlings anpreist.
Das Bild auf dem Instruktionsschirm war Conway durchaus vertraut, denn er hatte das Schiff bereits zuvor in den Dockanlagen des Monitorkorps hängen sehen, wo es auf ihn wie ein riesiger, weißer Dartpfeil gewirkt hatte. Seine Umrisse wurden durch ein schier undurchdringliches Dickicht ausgestreckter Sensoren und geöffneter Inspektionsluken verwischt, und es war von einem Schwarm kleinerer Schiffe in der gelbbraunen Dienstfarbe des Monitorkorps umgeben. Das Schiff hatte Form und Größe eines leichten Föderationskreuzers, des größten Korpsschiffstyps, der in der Lage war, innerhalb einer Planetenatmosphäre Luftmanöver durchzuführen. Conway stellte sich die strahlend weiße Schiffshülle und die deltaförmigen Flügel mit dem roten Kreuz, der orangefarbenen Sonne, dem gelben Blatt und den vielfältigen anderen Symbolen vor, die den Grundgedanken der überall in der Föderation uneingeschränkt gewährten Hilfe repräsentierten.
„… die Besatzung wird fast ausschließlich aus Mitgliedern der physiologischen Klassifikation DBDG bestehen“, sagte Captain Fletcher gerade, „und das bedeutet, sie wird sich genauso wie die Mehrheit des Monitorkorpspersonals aus Terrestriern oder Bewohnern von der Erde besiedelter Planeten zusammensetzen.