Abt. Er heißt — er ist — Weiß es keiner von euch? — Seine Mutter war eine von — Oh! Sein Vater hatte nur ein Aug — und war Marschall.
Liebetraut. Von Wildenholz?
Abt. Recht — von Wildenholz.
Olearius. Den kenn ich wohl, ein junger Herr von vielen Fähigkeiten. Besonders rühmt man ihn wegen seiner Stärke im Disputieren.
Abt. Das hat er von seiner Mutter.
Liebetraut. Nur wollte sie ihr Mann niemals drum rühmen.
Bischof. Wie sagtet Ihr, daß der Kaiser hieß, der Euer» Corpus Juris «geschrieben hat?
Olearius. Justinianus.
Bischof. Ein trefflicher Herr! er soll leben!
Olearius. Sein Andenken!
(Sie trinken.)
Abt. Es mag ein schön Buch sein.
Olearius. Man möcht's wohl ein Buch aller Bücher nennen; eine Sammlung aller Gesetze; bei jedem Fall der Urteilsspruch bereit; und was ja noch abgängig oder dunkel wäre, ersetzen die Glossen, womit die gelehrtesten Männer das vortrefflichste Werk geschmückt haben.
Abt. Eine Sammlung aller Gesetze! Potz! Da müssen wohl auch die Zehn Gebote drin sein.
Olearius. Implicite wohl, nicht explicite.
Abt. Das mein ich auch, an und vor sich, ohne weitere Explikation.
Bischof. Und was das Schönste ist, so könnte, wie Ihr sagt, ein Reich in sicherster Ruhe und Frieden leben, wo es völlig eingeführt und recht gehandhabt würde.
Olearius. Ohne Frage.
Bischof. Alle Doctores Juris!
Olearius. Ich werd's zu rühmen wissen. (Sie trinken.) Wollte Gott, man spräche so in meinem Vaterlande!
Abt. Wo seid Ihr her, hochgelahrter Herr?
Olearius. Von Frankfurt am Main, Ihro Eminenz zu dienen.
Bischof. Steht ihr Herrn da nicht wohl angeschrieben? Wie kommt das?
Olearius. Sonderbar genug. Ich war da, meines Vaters Erbschaft abzuholen; der Pöbel hätte mich fast gesteinigt, wie er hörte, ich sei ein Jurist.
Abt. Behüte Gott!
Olearius. Aber das kommt daher: Der Schöppenstuhl, der in großem Ansehn weit umher steht, ist mit lauter Leuten besetzt, die der Römischen Rechte unkundig sind. Man glaubt, es sei genug, durch Alter und Erfahrung sich eine genaue Kenntnis des innern und äußern Zustandes der Stadt zu erwerben. So werden, nach altem Herkommen und wenigen Statuten, die Bürger und die Nachbarschaft gerichtet.
Abt. Das ist wohl gut.
Olearius. Aber lange nicht genug. Der Menschen Leben ist kurz, und in einer Generation kommen nicht alle Kasus vor. Eine Sammlung solcher Fälle von vielen Jahrhunderten ist unser Gesetzbuch. Und dann ist der Wille und die Meinung der Menschen schwankend; dem deucht heute das recht, was der andere morgen mißbilliget; und so ist Verwirrung und Ungerechtigkeit unvermeidlich. Das alles bestimmen die Gesetze; und die Gesetze sind unveränderlich.
Abt. Das ist freilich besser.
Olearius. Das erkennt der Pöbel nicht, der, so gierig er auf Neuigkeiten ist, das Neue höchst verabscheuet, das ihn aus seinem Gleise leiten will, und wenn er sich noch so sehr dadurch verbessert. Sie halten den Juristen so arg, als einen Verwirrer des Staats, einen Beutelschneider, und sind wie rasend, wenn einer dort sich niederzulassen gedenkt.
Liebetraut. Ihr seid von Frankfurt! Ich bin wohl da bekannt. Bei Kaiser Maximilians Krönung haben wir Euern Bräutigams was vorgeschmaust. Euer Name ist Olearius? Ich kenne so niemanden.
Olearius. Mein Vater hieß Öhlmann. Nur, den Mißstand auf dem Titel meiner lateinischen Schriften zu vermeiden, nenn ich mich, nach dem Beispiel und auf Anraten würdiger Rechtslehrer, Olearius.
Liebetraut. Ihr tatet wohl, daß Ihr Euch übersetztet. Ein Prophet gilt nichts in seinem Vaterlande, es hätt' Euch in Eurer Muttersprache auch so gehen können.
Olearius. Es war nicht darum.
Liebetraut. Alle Dinge haben ein paar Ursachen.
Abt. Ein Prophet gilt nichts in seinem Vaterlande!
Liebetraut. Wißt Ihr auch warum, hochwürdiger Herr?
Abt. Weil er da geboren und erzogen ist.
Liebetraut. Wohl! Das mag die eine Ursache sein. Die andere ist: Weil, bei einer näheren Bekanntschaft mit den Herrn, der Nimbus von Ehrwürdigkeit und Heiligkeit wegschwindet, den uns eine neblichte Ferne um sie herumlügt; und dann sind sie ganz kleine Stümpfchen Unschlitt.
Olearius. Es scheint, Ihr seid dazu bestellt, Wahrheiten. zu sagen.
Liebetraut. Weil ich 's Herz dazu hab, so fehlt mir's nicht am Maul.
Olearius. Aber doch an Geschicklichkeit, sie wohl anzubringen.
Liebetraut. Schröpfköpfe sind wohl angebracht, wo sie ziehen.
Olearius. Bader erkennt man an der Schürze und nimmt in ihrem Amte ihnen nichts übel. Zur Vorsorge tätet Ihr wohl, wenn Ihr eine Schellenkappe trügt.
Liebetraut. Wo habt Ihr promoviert? Es ist nur zur Nachfrage, wenn mir einmal der Einfall käme, daß ich gleich vor die rechte Schmiede ginge.
Olearius. Ihr seid verwegen.
Liebetraut. Und Ihr sehr breit.
(Bischof und Abt lachen.)
Bischof. Von was anders! — Nicht so hitzig, ihr Herrn. Bei Tisch geht alles drein — Einen andern Diskurs, Liebetraut!
Liebetraut. Gegen Frankfurt liegt ein Ding über, heißt Sachsenhausen —
Olearius (zum Bischof). Was spricht man vom Türkenzug, Ihro Fürstliche Gnaden?
Bischof. Der Kaiser hat nichts Angelegners, als vorerst das Reich zu beruhigen, die Fehden abzuschaffen und das Ansehn der Gerichte zu befestigen. Dann, sagt man, wird er persönlich gegen die Feinde des Reichs und der Christenheit ziehen. Jetzt machen ihm seine Privathändel noch zu tun, und das Reich ist, trotz ein vierzig Landfrieden, noch immer eine Mördergrube. Franken, Schwaben, der Oberrhein und die angrenzenden Länder werden von übermütigen und kühnen Rittern verheeret. Sickingen, Selbitz mit einem Fuß, Berlichingen mit der eisernen Hand spotten in diesen Gegenden des kaiserlichen Ansehens —
Abt. Ja, wenn Ihro Majestät nicht bald dazu tun, so stecken einen die Kerl am End in Sack.
Liebetraut. Das müßt ein Kerl sein, der das Weinfaß von Fuld in den Sack schieben wollte.
Bischof. Besonders ist der letzte seit vielen Jahren mein unversöhnlicher Feind, und molestiert mich unsäglich; aber es soll nicht lang mehr währen, hoff ich. Der Kaiser hält jetzt seinen Hof zu Augsburg. Wir haben unsere Maßregeln genommen, es kann uns nicht fehlen. — Herr Doktor, kennt Ihr Adelberten von Weislingen?
Olearius. Nein, Ihro Eminenz.
Bischof. Wenn Ihr die Ankunft dieses Mannes erwartet, werdet Ihr Euch freuen, den edelsten, verständigsten und angenehmsten Ritter in einer Person zu sehen.
Olearius. Es muß ein vortrefflicher Mann sein, der solche Lobeserhebungen aus solch einem Munde verdient.
Liebetraut. Er ist auf keiner Akademie gewesen.
Bischof. Das wissen wir. (Die Bedienten laufen ans Fenster.) Was gibt's?
Ein Bedienter. Eben reit Färber, Weislingens Knecht, zum Schloßtor herein.
Bischof. Seht, was er bringt, er wird ihn melden.
(Liebetraut geht. Sie stehn auf und trinken noch eins. -
Liebetraut kommt zurück.)
Bischof. Was für Nachrichten?
Liebetraut. Ich wollt, es müßt sie Euch ein andrer sagen. Weislingen ist gefangen.
Bischof. Oh!
Liebetraut. Berlichingen hat ihn und drei Knechte bei Haslach weggenommen. Einer ist entronnen, Euch's anzusagen.
Abt. Eine Hiobspost.
Olearius. Es tut mir von Herzen leid.
Bischof. Ich will den Knecht sehn, bringt ihn herauf — Ich will ihn selbst sprechen. Bringt ihn in mein Kabinett. (Ab.)