Götz (besieht seine Hand). Oh! das deutete der Traum, den ich hatte, als ich tags darauf Marien an Weislingen versprach. Er sagte mir Treu zu, und hielt meine rechte Hand so fest, daß sie aus den Armschienen ging, wie abgebrochen. Ach! Ich bin in diesem Augenblick wehrloser, als ich war, da sie mir abgeschossen wurde. Weislingen! Weislingen!
Sickingen. Vergiß einen Verräter. Wir wollen seine Anschläge vernichten, sein Ansehn untergraben, und Gewissen und Schande sollen ihn zu Tode fressen. Ich seh, ich seh im Geist meine Feinde, deine Feinde niedergestürzt. Götz, nur noch ein halb Jahr!
Götz. Deine Seele fliegt hoch. Ich weiß nicht; seit einiger Zeit wollen sich in der meinigen keine fröhlichen Aussichten eröffnen. — Ich war schon mehr im Unglück, schon einmal gefangen, und so, wie mir's jetzt ist, war mir's niemals.
Sickingen. Glück macht Mut. Kommt zu den Perücken! Sie haben lang genug den Vortrag gehabt, laß uns einmal die Müh übernehmen. (Ab.)
Adelheidens Schloß
Adelheid. Weislingen.
Adelheid. Das ist verhaßt!
Weislingen. Ich hab die Zähne zusammengebissen. Ein so schöner Anschlag, so glücklich vollführt, und am Ende ihn auf sein Schloß zu lassen! Der verdammte Sickingen!
Adelheid. Sie hätten's nicht tun sollen.
Weislingen. Sie saßen fest. Was konnten sie machen? Sickingen drohte mit Feuer und Schwert, der hochmütige jähzornige Mann! Ich haß ihn. Sein Ansehn nimmt zu wie ein Strom, der nur einmal ein paar Bäche gefressen hat, die übrigen folgen von selbst.
Adelheid. Hatten sie keinen Kaiser?
Weislingen. Liebe Frau! Er ist nur der Schatten davon, er wird alt und mißmutig. Wie er hörte, was geschehen war, und ich nebst den übrigen Regimentsräten eiferte, sagte er:»Laßt ihnen Ruh! Ich kann dem alten Götz wohl das Plätzchen gönnen, und wenn er da still ist, was habt ihr über ihn zu klagen?«Wir redeten vom Wohl des Staats.»Oh!«sagt' er,»hätt' ich von jeher Räte gehabt, die meinen unruhigen Geist mehr auf das Glück einzelner Menschen gewiesen hätten!»
Adelheid. Er verliert den Geist eines Regenten.
Weislingen. Wir zogen auf Sickingen los. — »Er ist mein treuer Diener«, sagt' er;»hat er's nicht auf meinen Befehl getan, so tat er doch besser meinen Willen als meine Bevollmächtigten, und ich kann's gutheißen, vor oder nach.»
Adelheid. Man möchte sich zerreißen.
Weislingen. Ich habe deswegen noch nicht alle Hoffnung aufgegeben. Er ist auf sein ritterlich Wort auf sein Schloß gelassen, sich da still zu halten. Das ist ihm unmöglich; wir wollen bald eine Ursach wider ihn haben.
Adelheid. Und desto eher, da wir hoffen können, der Kaiser werde bald aus der Welt gehn, und Karl, sein trefflicher Nachfolger, majestätischere Gesinnungen verspricht.
Weislingen. Karl? Er ist noch weder gewählt noch gekrönt.
Adelheid. Wer wünscht und hofft es nicht?
Weislingen. Du hast einen großen Begriff von seinen Eigenschaften; fast sollte man denken, du sähest sie mit andern Augen.
Adelheid. Du beleidigst mich, Weislingen. Kennst du mich für das?
Weislingen. Ich sagte nichts dich zu beleidigen. Aber schweigen kann ich nicht dazu. Karls ungewöhnliche Aufmerksamkeit für dich beunruhigt mich.
Adelheid. Und mein Betragen?
Weislingen. Du bist ein Weib. Ihr haßt keinen, der euch hofiert.
Adelheid. Aber ihr?
Weislingen. Er frißt mir am Herzen, der fürchterliche Gedanke! Adelheid!
Adelheid. Kann ich deine Torheit kurieren?
Weislingen. Wenn du wolltest! Du könntest dich vom Hof entfernen.
Adelheid. Sage Mittel und Art. Bist du nicht bei Hofe? Soll ich dich lassen und meine Freunde, um auf meinem Schloß mich mit den Uhus zu unterhalten? Nein, Weislingen, daraus wird nichts. Beruhige dich, du weißt, wie ich dich liebe.
Weislingen. Der heilige Anker in diesem Sturm, solang der Strick nicht reißt. (Ab.)
Adelheid. Fängst du's so an! Das fehlte noch. Die Unternehmungen meines Busens sind zu groß, als daß du ihnen im Wege stehen solltest. Karl! Großer trefflicher Mann, und Kaiser dereinst! und sollte er der einzige sein unter den Männern, dem der Besitz meiner Gunst nicht schmeichelte? Weislingen, denke nicht mich zu hindern, sonst mußt du in den Boden, mein Weg geht über dich hin.
(Franz kommt mit einem Brief.)
Franz. Hier, gnädige Frau.
Adelheid. Gab dir Karl ihn selbst?
Franz. Ja.
Adelheid. Was hast du? Du siehst so kummervoll.
Franz. Es ist Euer Wille, daß ich mich totschmachten soll; in den Jahren der Hoffnung macht Ihr mich verzweifeln.
Adelheid. Er dauert mich — und wie wenig kostet's mich, ihn glücklich zu machen! Sei gutes Muts, Junge. Ich fühle deine Lieb und Treu, und werde nie unerkenntlich sein.
Franz (beklemmt). Wenn Ihr das fähig wärt, ich müßte vergehn. Mein Gott, ich habe keinen Blutstropfen in mir, der nicht Euer wäre, keinen Sinn, als Euch zu lieben und zu tun, was Euch gefällt!
Adelheid. Lieber Junge!
Franz. Ihr schmeichelt mir. (In Tränen ausbrechend.) Wenn diese Ergebenheit nichts mehr verdient, als andere sich vorgezogen zu sehn, als Eure Gedanken alle nach dem Karl gerichtet zu sehn —
Adelheid. Du weißt nicht, was du willst, noch weniger, was du redst.
Franz (vor Verdruß und Zorn mit dem Fuß stampfend). Ich will auch nicht mehr. Will nicht mehr den Unterhändler abgeben.
Adelheid. Franz! Du vergißt dich.
Franz. Mich aufzuopfern! Meinen lieben Herrn!
Adelheid. Geh mir aus dem Gesicht.
Franz. Gnädige Frau!
Adelheid. Geh, entdecke deinem lieben Herrn mein Geheimnis. Ich war die Närrin, dich für was zu halten, das du nicht bist.
Franz. Liebe gnädige Frau, Ihr wißt, daß ich Euch liebe.
Adelheid. Und du warst mein Freund, meinem Herzen so nahe. Geh, verrat mich.
Franz. Eher wollt ich mir das Herz aus dem Leibe reißen! Verzeiht mir, gnädige Frau. Mein Herz ist zu voll, meine Sinnen halten's nicht aus.
Adelheid. Lieber warmer Junge! (Faßt ihn bei den Händen, zieht ihn zu sich, und ihre Küsse begegnen einander; er fällt ihr weinend um den Hals.)
Adelheid. Laß mich!
Franz (erstickend in Tränen an ihrem Hals). Gott! Gott!
Adelheid. Laß mich, die Mauern sind Verräter. Laß mich. (Macht sich los.) Wanke nicht von deiner Lieb und Treu, und der schönste Lohn soll dir werden. (Ab.)
Franz. Der schönste Lohn! Nur bis dahin laß mich leben! Ich wollte meinen Vater ermorden, der mir diesen Platz streitig machte.