Götz. Und wenn Ihr der Kaiser wärt, Ihr müßtet mit dieser vorliebnehmen. Meine Rechte, obgleich im Kriege nicht unbrauchbar, ist gegen den Druck der Liebe unempfindlich: sie ist eins mit ihrem Handschuh; Ihr seht, er ist Eisen.
Martin. So seid Ihr Götz von Berlichingen! Ich danke dir, Gott, daß du mich ihn hast sehen lassen, diesen Mann, den die Fürsten hassen und zu dem die Bedrängten sich wenden! (Er nimmt ihm die rechte Hand.) Laßt mir diese Hand, laßt mich sie küssen!
Götz. Ihr sollt nicht.
Martin. Laßt mich! Du, mehr wert als Reliquienhand, durch die das heiligste Blut geflossen ist, totes Werkzeug, belebt durch des edelsten Geistes Vertrauen auf Gott!
Götz (setzt den Helm auf und nimmt die Lanze).
Martin. Es war ein Mönch bei uns vor Jahr und Tag, der Euch besuchte, wie sie Euch abgeschossen ward vor Landshut. Wie er uns erzählte, was Ihr littet, und wie sehr es Euch schmerzte, zu Eurem Beruf verstümmelt zu sein, und wie Euch einfiel, von einem gehört zu haben, der auch nur eine Hand hatte und als tapferer Reitersmann doch noch lange diente — ich werde das nie vergessen.
(Die zwei Knechte kommen.)
Götz (zu ihnen. Sie reden heimlich).
Martin (fährt inzwischen fort). Ich werde das nie vergessen, wie er im edelsten einfältigsten Vertrauen auf Gott sprach:»Und wenn ich zwölf Händ hätte und deine Gnad wollt mir nicht, was würden sie mir fruchten? So kann ich mit einer«—
Götz. In den Haslacher Wald also. (Kehrt sich zu Martin.) Lebt wohl, werter Bruder Martin. (Küßt ihn.)
Martin. Vergeßt mich nicht, wie ich Euer nicht vergesse.
(Götz ab.)
Martin. Wie mir's so eng ums Herz ward, da ich ihn sah. Er redete nichts, und mein Geist konnte doch den seinigen unterscheiden. Es ist eine Wollust, einen großen Mann zu sehn.
Georg. Ehrwürdiger Herr, Ihr schlaft doch bei uns?
Martin. Kann ich ein Bett haben?
Georg. Nein, Herr! ich kenne Betten nur vom Hörensagen, in unsrer Herberg ist nichts als Stroh.
Martin. Auch gut. Wie heißt du?
Georg. Georg, ehrwürdiger Herr!
Martin. Georg! da hast du einen tapfern Patron.
Georg. Sie sagen, er sei ein Reiter gewesen; das will ich auch sein.
Martin. Warte! (Zieht ein Gebetbuch hervor und gibt dem Buben einen Heiligen.) Da hast du ihn. Folge seinem Beispiel, sei brav und fürchte Gott! (Martin geht.)
Georg. Ach ein schöner Schimmel! wenn ich einmal so einen hätte! — und die goldene Rüstung! — Das ist ein garstiger Drach — Jetzt schieß ich nach Sperlingen — Heiliger Georg! mach mich groß und stark, gib mir so eine Lanze, Rüstung und Pferd, dann laß mir die Drachen kommen!
Jagsthausen. Götzens Burg
Elisabeth. Maria. Karl, sein Söhnchen.
Karl. Ich bitte dich, liebe Tante, erzähl mir das noch einmal vom frommen Kind, 's is gar zu schön.
Maria. Erzähl du mir's, kleiner Schelm, da will ich hören, ob du achtgibst.
Karl. Wart e bis, ich will mich bedenken. — Es war einmal — ja — es war einmal ein Kind, und sein Mutter war krank, da ging das Kind hin —
Maria. Nicht doch. Da sagte die Mutter:»Liebes Kind«—
Karl.»Ich bin krank«—
Maria.»Und kann nicht ausgehn«—
Karl. Und gab ihm Geld und sagte.»Geh hin, und hol dir ein Frühstück. «Da kam ein armer Mann —
Maria. Das Kind ging, da begegnet' ihm ein alter Mann, der war — nun Karl!
Karl. Der war — alt —
Maria. Freilich! der kaum mehr gehen konnte, und sagte.»Liebes Kind«—
Karl.»Schenk mir was, ich habe kein Brot gessen gestern und heut. «Da gab ihm 's Kind das Geld —
Maria. Das für sein Frühstück sein sollte.
Karl. Da sagte der alte Mann —
Maria. Da nahm der alte Mann das Kind —
Karl. Bei der Hand, und sagte — und ward ein schöner glänzender Heiliger, und sagte: —»Liebes Kind«—
Maria.»Für deine Wohltätigkeit belohnt dich die Mutter Gottes durch mich: welchen Kranken du an rührst«—
Karl.»Mit der Hand«— es war die rechte, glaub ich.
Maria. Ja.
Karl.»Der wird gleich gesund.»
Maria. Da lief das Kind nach Haus und konnt für Freuden nichts reden.
Karl. Und fiel seiner Mutter um den Hals und weinte für Freuden —
Maria. Da rief die Mutter:»Wie ist mir!«und war — nun Karl!
Karl. Und war — und war —
Maria. Du gibst schon nicht acht! — und war gesund. Und das Kind kurierte König und Kaiser, und wurde so reich, daß es ein großes Kloster bauete.
Elisabeth. Ich kann nicht begreifen, wo mein Herr bleibt. Schon fünf Tag und Nächte, daß er weg ist, und er hoffte so bald seinen Streich auszuführen.
Maria. Mich ängstigt's lang. Wenn ich so einen Mann haben sollte, der sich immer Gefahren aussetzte, ich stürbe im ersten Jahr.
Elisabeth. Dafür dank ich Gott, daß er mich härter zusammengesetzt hat.
Karl. Aber muß dann der Vater ausreiten, wenn's so gefährlich ist?
Maria. Es ist sein guter Wille so.
Elisabeth. Wohl muß er, lieber Karl.
Karl. Warum?
Elisabeth. Weißt du noch, wie er das letztemal ausritt, da er dir Weck mitbrachte?
Karl. Bringt er mir wieder mit?
Elisabeth. Ich glaub wohl. Siehst du, da war ein Schneider von Stuttgart, der war ein trefflicher Bogenschütz, und hatte zu Köln auf'm Schießen das Beste gewonnen.
Karl. War's viel?
Elisabeth. Hundert Taler. Und darnach wollten sie's ihm nicht geben.
Maria. Gelt, das ist garstig, Karl?
Karl. Garstige Leut!
Elisabeth. Da kam der Schneider zu deinem Vater und bat ihn, er möchte ihm zu seinem Geld verhelfen. Und da ritt er aus und nahm den Kölnern ein paar Kaufleute weg, und plagte sie so lang, bis sie das Geld herausgaben. Wärst du nicht auch ausgeritten?
Karl. Nein! da muß man durch einen dicken, dicken Wald, sind Zigeuner und Hexen drin.
Elisabeth. Ist ein rechter Bursch, fürcht sich vor Hexen!
Maria. Du tust besser, Karl! leb du einmal auf deinem Schloß als ein frommer christlicher Ritter. Auf seinen eigenen Gütern findet man zum Wohltun Gelegenheit genug. Die rechtschaffensten Ritter begehen mehr Ungerechtigkeit als Gerechtigkeit auf ihren Zügen.
Elisabeth. Schwester, du weißt nicht, was du redst. Gebe nur Gott, daß unser Junge mit der Zeit braver wird, und dem Weislingen nicht nachschlägt, der so treulos an meinem Mann handelt.
Maria. Wir wollen nicht richten, Elisabeth. Mein Bruder ist sehr erbittert, du auch. Ich bin bei der ganzen Sache mehr Zuschauer, und kann billiger sein.
Elisabeth. Er ist nicht zu entschuldigen.
Maria. Was ich von ihm gehört, hat mich eingenommen. Erzählte nicht selbst dein Mann so viel Liebes und Gutes von ihm! Wie glücklich war ihre Jugend, als sie zusammen Edelknaben des Markgrafen waren!
Elisabeth. Das mag sein. Nur sag, was kann der Mensch je Gutes gehabt haben, der seinem besten treusten Freunde nachstellt, seine Dienste den Feinden meines Mannes verkauft, und unsern trefflichen Kaiser der uns so gnädig ist, mit falschen widrigen Vorstellungen einzunehmen sucht.
Karl. Der Vater! der Vater! Der Türner bläst 's Liedel:»Heisa, mach 's Tor auf.»
Elisabeth. Da kommt er mit Beute.
(Ein Reiter kommt.)
Reiter. Wir haben, gejagt! wir haben gefangen! Gott grüß Euch, edle Frauen.
Elisabeth. Habt ihr den Weislingen?
Reiter. Ihn und drei Reiter.
Elisabeth. Wie ging's zu, daß ihr so lang ausbleibt?