Литмир - Электронная Библиотека
Содержание  
A
A

In dem russischen Reiche grassierte in diesem Jahr eine solche mächtige geschwinde Seüche der Pestilentz, daß gar viele Städte, Fleken und Dörffer gantz aussturben und wüst blieben. (4v) In der Hauptstadt Moskow allein sind über 700.000 Menschen von vornehmen Leüthen ohne des gemeinen Volks, derer viel unbegraben verfaulet, und der Nahmen unverzeichnet geblieben, weggestorben. Diese Plage hat in der Moskow, der Hauptstadt und den umbliegenden Städten, Fleken und Dörffer in dem Monat Martio angefangen und bis an den Januarium hinaus gewehret. Aber dieses mächtigen Schadens an ihren Unterthanen erholten sich die Russen in der Polen Länder, daraus viele tausend Menschen Manns- und Weibspersonen, adeliche und unadeliche in diesem Jahr gefänglich weggeführet und an derer verstorbenen Stelle zu Sclawen gemacht wurden. Also daß leyder, Gott sey es geklaget, die Menschen viel wohlfeiler denn das unvernünfftige Vieh in Moskow verkauffet wurden. Die aller regalsten Personen mänlichen Geschlechts galten zu 10 Fl[orin] pol., auffs höchst aber 4 Rthler. Die Weibsbilder, so etwas schön waren, wurden (weilen die russische Nation sehr zur Geilheit incliniret) theüer bezahlet und zur Schande und Unzucht verkauffet, mit denen auch viel liederlicher als den Bestien gehandelt ward. Der eine, nachdem er sie zu seiner Gnüge gebraucht hatte, verkauffte er sie dem andern vor einen geringen (5r) Preiß, nur ettliche Groschen zu gewinnen. Vornehmer Leüthe adelichen Standes Weiber und Töchter wurden den verzweiffelten Buben und Bößewichten, so bey ihnen Cholopen genand werden, nachdem sie von der Herrschafft zur Gnüge gebraucht waren, zur Ehe gegeben, ungeachtet, das viele Weiber ihre eheliche Männer noch beym Leben und bey andern Herren in der Sklawenschafft hatten, welche dan eben des gleichen an ihrer statt andere Sklawinnen zur Ehe zu nehmen von ihrer Herrschafft gezwungen wurden. In Summa, es waren die Russen so sehr auf die pol. Nation verbittert, daß sie auch viel lieber einem Hunde oder anderer losen Bestie, den einigen Menschen dieser Nation Gnade bewiesen und guttes gethan hätten. Insonderheit aber musten adeliche Personen, Frauen und Jungfern, am meisten herhalten, mit denen man gantz (ihnen ihren hohen Standt, adeliche Freyheit und Qualiteten, derer sie sich gerühmet hatten, vorwerfend) kein Mittleiden haben wolte, sondern sie wurden aufs ärgste, wie es nun zu verdenken stund, gedränget und gequählet. Zu dem so hatte denen Moskowitern ihr grosses Glük, welches sie in diesem Jahr wieder die Polen gehabt hatten, indem so viel mächtige Festungen in der Eil ohne allen Wiederstand von ihnen erobert, und ein groß Theil des Landes occupiert (5v) und eingenommen war, so auffgeblasen und stoltz gemacht, daß sie auch gantz vergessen hatten, selbst sterbliche Menschen zu seyn, sondern sich gäntzlich einbildeten, daß sie als die tapffersten, manhafftesten, klügste und vor allen die allergeschiklichste Leüthe auch in dem Himmel, welchen sie allen andern Nationen verschliessen und sich selbst allein zubringen, über die Polen, ja mehren andern Völkern zu herschen und ihre Meister zu seyn, wolten auch keinesweges dran gedenken, daß diese ihre Fortun sich endlich wenden und die Polen in Ewigkeit sich aus ihrer Gewalt erretten könten, also daß keiner daran zu reden Freyheit hatte. Wer aber unbedachtsahmer Weise, insonderheit von den pol. Gefangen Leüthen, davon zu discuriren begunte, daß nehmlich dem Gelüke nicht zu trauen wäre, der ward als ein Verrather und Feind Ihro Czar. Maytt. und dero Reiche auffs ärgste gepeiniget und zu Tode geplaget. Demnach ward mit den armen gefangenen Leüthen sehr umbarmhertzig gehandelt, daß auch die allerhärtesten Felsen, ja ein Diamanten Hertz über derer Jammer und Elend zum Mittleiden hätte mögen beweget werden. Aber bey dieser Nation, die sich dennoch gar hoch ihres Christenthumbs rühmet, und keinem mehr unter der Sonnen den christlichen Nahmen gönnet oder zuerkennen will, war nichts von Commiseration und Erbarmung zu hoffen.

(6r) Anno 1655

Den 4. Januarii ward der Abt aus einem Kloster, Leweczin genant, welcher eine Meile von Wolok lieget, zum Woywoden gebracht und angeklaget, daß er einem Müller das Weib zur Mutzen gemacht, und sie bey ihm im Kloster in seiner Kammer betroffen wäre. Weil aber der Woywode diese Sache nicht richten konnte, ward der Münch mit der Müllerin zum Patriarchen geschikt.

Den 5. Januarii ward ein anderer Münch aus dem Kloster Wosmischtze, welches vor dem Schloß gelegen, gefänglich eingebracht, welcher einen Knaben in der Kirchen sodomitischer Weise zur Tode gemartert hatte, ward auch nach der Hauptstadt Moskow zum Patriarchen geschikt. Aber alle diese Übelthaten werden bey selbiger Nation nicht am Leben gestrafft, wie auch diese beyde Münche eine Zeit lang unter der Disciplin in andern Klöstern gehalten, da sie zur Straffe Mehl sichten müssen, endlich aber loßgelassen worden sind.

Den 11. Martii sind Ihro Czar. Maytt. mit dero Räthen und gantzer Kriegsmacht aus ihrer Residentz Moskow auffgebrochen und von dem Patriarchen und der gantzen Clerisey mit Creützen und Bildern und grossen Geleite aller Gloken bis gantz vor der Vorstadt hinaus auff jenseit dem Revier Moskwa begleitet worden, und haben selbige Nacht zu Worobiowa Gora eine Meile von der Stadt ihr Lager geschlagen.

(6v) Den 1. September ist der Podiaczey oder Schreiber Jacob Ilgin Posdiszew und der Tolk Jürgen Buchholtz, die mit Ihro Czar. Maytt. Schreiben zu Ihro Fürst. Gnaden, dem Hertzogen in Churland, gesand gewesen, zurük nach Moskow kommen.

Den 13. September ist ein Lieffländer, Johan Gutth, allhir gefangen gebracht und nach Kasan geschiket worden.

Den 7. October sind die Römische Keyserlichen Gesandten Allegret de Allegretis und Johan Diedrich von Lohrbach bey 30 Personen stark allhir in Moskow ankommen, unnd mit dergleichen Ceremonien, wie folget, solenniter entfangen worden. Erstlich rükten bey 10.000 Mann allerhand Völker zu Pferde wohl mundiert eine ¼ Meile hinter der Twierschen Vorstatt ihnen entgegen, welche sich gegen der Legaten Ankunfft auff beyden Seiten des gebahnten Weges unter fliegenden Standaren gliedweiß in die Länge gestellet werden hatten. Endlich war ein Stahljunker mit czarischen gesattelten Pferden vor die beyden Gesandten, auch dero Hoffjunkern, ihnen entgegen geschiket. Selbiger, nachdem er sie erblikte, sandte er einen Tolk zu ihnen und ließ entbiethen, wie daß er mit Ihro Czar. Maytt. Pferden verhanden wäre, sie demnach aus der Carosse aussitzen und sich zu Pferde begeben solten. Er aber nach seiner Ordre saß nicht ehe vom Pferde ab, bis sie anfingen, aus der Carosse (7r) zu steigen. Als sie nun ausgestiegen waren, praesentirte er mit wenig Worten einem jeglichen ein wohlmundirtes Pferd und stund selbst so lange, bis sie sich zu Pferde gesetzet hatten. Hernach begab er sich auch zu Pferde und ritte nach der zu gemehlich vor ihnen her. Alß sie aber ein wenig von der Stelle fortgeritten waren, begegneten ihnen die verordnete Pristawen. Ehe sie aber zu ihnen gelanget waren, blieben sie auff einen Pistolen Schuß bestehen und schikten an die Legaten, ankündend, wie daß sie fertig wären, selbige zu entfangen, sie solten demnach von den Pferden absitzen, welches sie hernach auch thun und sie gegebener Ordre nach entfangen wolten. Die Gesandten aber liessen ihnen sagen, daß ihnen als Gästen erstlich abzusitzen nicht gebühren wolte, sondern sie, als welche ihnen zu begegnen und sie zu entfangen commandiret wären, solten solches erstlich verrichten, hernach würden auch sie sich ungesäumt finden lassen. Dieses wolten die Pristawen keines weges thun, vorgebend, daß es ihrem Grossen Herren, Ihro Czar. Maytt., keine Ehre seyn würde, wenn sie erst von den Pferden absitzen würden, dann von alters her in Rußland der Gebrauch wäre, daß frembder Potentanten Gesandte und Abgesandte Ihro Czar. Maytt. die Ehre thäten und ehe die Pristawen sich von den Pferden setzten. Dieser (7v) Disputat währete ziemlich lang, bis endlich beyden Parten zugleich abzusitzen begehret ward. Auch dieses wolten die Kayserliche nicht bewilligen, vorgebend, daß allewege einem Gast mit Ehrerbietigkeit zu begegnen gebührte, welches sie auch in ihrem Land, wann Ihro Czar. Maytt. Gesandten zu Ihro Kayserlichen Maytt. geschiket würden, thäten, und ihnen als Gästen gebührliche Ehre erwiesen. Weilen es aber schon ziemlich spat und ein regenhafftes Wetter war, möchte wegen dieser Sachen unter blossem Himmel nicht länger disputieret werden, bewiligten also auch die Legaten, vor diesmahl jedoch ohne einigen Praejuditz Ihro Kayserlichen Maytt. hohen Respectes, zugleich abzusetzen. Demnach hub der Pristaw an und sprach: Der Grosse H., Czaar und Großfürst Alexey Michaylowitz, des gantzen Grossen, Kleinen und Weissen Rußlandts Selbsthalter und vierler andern östlichen, westlichen und nordlichen Herrschafften und Länder vater- und vorväterlicher Successor, Erbeherr und Beherscher, Ihro Czar. Maytt., haben auch ihres Bruders, des Grossen Herren Ferdinandi 3., erwehlten Römischen Keysers, Gesandten begnadigen und lassen umb eüre Gesundheit fragen, wie es euch auff der Reise ergangen, haben auch, weilen sie anitzo nicht zur Stelle in der Regierstadt Moskow, sondern gegen ihren Feinden, dem Könige Casimiro in Polen, in Feldzug (8r) begriffen sind, durch ihren Sohn, den hochgebohrnen czarischen Printzen und Großfürsten Alexey Alexiewitz des gantzen Grossen, Kleinen und Weißen Rußlandes Anordnung gethan, daß wir, nehmlich Ihro Czar. Maytt. Stolnik Wasiley Semienowitz Wolinskij und ich, Diak N., euch, Ihro Kayserlichen Maytt. Gesandten, entpfangen, anitzo nach dem Gesandtenhoffe begleiten und euer Pristaven seyn solen. Hiermit bothen sie ihm die Hand und setzten sich wieder zu Pferde, da es denn wieder wegen der Oberstelle zur Controversie gerieth. Die Pristaven drungen sich ihrem gegebenen Befehl nach zur rechten, und die Legaten wolten auch nicht weichen. Endlich muste es dabey bleiben, daß die beyde Legaten zusammen in der Mitten, der Stolnik Wolinskij ihnen zur rechten und der Diak zur linken reiten, marchierten also nach der Twierischen Pforte zu, von der die Gasse auff beyden Seiten bis an den Gesandtenhoff mit Musquetierer besetzet war. Vor ihnen her ritten etzliche tausend Mann, von denen die vor der Stadt die Gesandten zu begegnen ausgerüket waren, unterschiedliche Standaren gliederweiß. Nach selbigen ritten die Pristaven mit den Gesandten und wurden also bis an den Gesandtenhoff begleitet. (8v) Die Pristaven aber ritten mit ihnen in den Hoff hinein und wiesen ihnen die Quartier, welche auff ihrer gantzen Suite verordnet waren.

60
{"b":"900227","o":1}