Viele Menschen wollen sich um ihre alten Eltern kümmern und sie in der Familie pflegen. In Deutschland werden immerhin 70 Prozent der pflegebedürftigen Senioren zu Hause betreut. Aber wer übernimmt diese Aufgabe? Meistens sind es die Frauen. Eine Untersuchung im Auftrag der Bundesregierung hat gezeigt, dass Frauen jeden Tag 87 Minuten mehr Haus- und Pflegearbeit leisten als Männer.
Auch die soziale Schicht beeinflusst, wie viel Zeit sie mit der Pflege von Angehörigen verbringen. Arme Familien haben zu wenig Geld, um eine Pflegekraft zu bezahlen. In einigen Ländern, zum Beispiel in Kenia und Indien, sind diese Unterschiede sehr deutlich. Dort leisten weniger wohlhabende Frauen in ihrem Leben durchschnittlich ein Jahr mehr Pflegearbeit als Frauen aus reichen Familien.
Wenn man alle Frauen weltweit mit dem Mindestlohn ihres Landes bezahlen würde, müssten sie pro Jahr elf Billionen Dollar erhalten. Aber stattdessen zahlen sie selbst einen hohen Preis. Denn Mädchen und Frauen, die Angehörige pflegen, haben weniger Bildungs- und Arbeitsmöglichkeiten. Weltweit können 42 Prozent der Frauen nicht arbeiten gehen, weil sie sich um Haushalt und Familie kümmern. Bei den Männern sind es dagegen nur 6 Prozent.
Weil sie weniger Geld in die Rentenversicherung einzahlen, ist auch ihre Rente im Alter niedriger. Deshalb fordert Ellen Ehmke von der Nichtregierungsorganisation Oxfam: „Der Punkt ist nicht, den Pflegenden diese elf Billionen zu bezahlen. Aber sie müssen (…) materiell abgesichert werden, etwa über die Rente. Das sollten wir als Gesellschaft anerkennen und finanzieren.“
Vokabular
Familiäre Pflege: meistens Frauensache
immerhin – wenigstens; zumindest
pflegebedürftig – so, dass eine Person gepflegt werden muss
Senior, -en/Seniorin, -nen – der ältere Mensch; der Rentner
Pflegekraft, -kräfte (f.) – jemand, der sich beruflich um kranke oder alte Menschen kümmert
wohlhabend – mit viel Geld; reich
Mindestlohn, -löhne (m.) – der Lohn, den jemand laut Gesetz mindestens für seine Arbeit bekommen muss
stattdessen – statt etwas
einen hohen Preis zahlen – hier: unter schlimmen, negativen Folgen leiden
Geld ein|zahlen – einer Bank oder Versicherung Geld geben, um später Geld zu bekommen
Nichtregierungsorganisation, -en (f.) – eine Organisation, die unabhängig vom Staat ist und für ein bestimmtes Ziel arbeitet
Oxfam – der Name einer Organisation, die gegen die Armut in der Welt kämpft
materiell – hier: finanziell
jemanden ab|sichern – hier: dafür sorgen, dass jemand genug Geld zum Leben hat
etwas an|erkennen – verstehen, dass etwas einen Wert hat, und positiv reagieren
etwas finanzieren – hier: Geld für etwas geben
Rentenversicherung, -en (f.) – eine Versicherung, von der man Geld bekommt, wenn man im Alter nicht mehr arbeiten geht
Die Grünen – eine Erfolgsgeschichte
Als die Grünen vor 40 Jahren gegründet wurden, nahm sie kaum jemand ernst – besonders die großen Parteien nicht. Im Jahr 2020 regieren sie in elf Bundesländern mit und erreichen bei Umfragen regelmäßig gute Ergebnisse.
Mehrere Jahrzehnte lang wurde die deutsche Politik von wenigen Parteien bestimmt: der konservativen CDU/CSU, der sozialdemokratischen SPD und der liberalen FDP. Im Jahr 1980 wurde eine neue Partei gegründet: die Grünen. Nur drei Jahre später saßen ihre Abgeordneten zum ersten Mal im deutschen Parlament. Sie setzten sich für die Rechte der Bürger, den Frieden und den Umweltschutz ein. Besonders der Atomausstieg war ein wichtiges Thema der grünen Politiker.
Am Anfang wurden die Grünen, die oft in Latzhosen und selbst gestrickten Pullovern im Parlament saßen, von den großen Parteien nicht richtig ernst genommen. Führende Mitglieder der neuen Partei waren in der Studentenbewegung von 1968 aktiv gewesen. Zu ihnen gehörte auch Joschka Fischer, der 1985 der erste grüne Umweltminister im Bundesland Hessen wurde.
Als die Grünen von 1998 bis 2005 zusammen mit der SPD die Bundesregierung bildeten, wurde Joschka Fischer Außenminister. Seine Unterstützung für den Bundeswehreinsatz in Jugoslawien sorgte 1999 für viel Kritik – auch innerhalb seiner eigenen Partei. Die Grünen erreichten aber auch eines ihrer wichtigsten Ziele: Der Atomausstieg wurde beschlossen.
Obwohl der Zeitplan von der späteren CDU/CSU-FDP-Regierung noch einmal geändert wurde, war der Atomausstieg nach Meinung von Annalena Baerbock, der aktuellen Parteichefin der Grünen, ein wichtiger Schritt. Sie sagt: „Deutlich machen, dass Politik verändern kann, auch wenn die Widerstände sehr groß sind: Für mich war das der rot-grüne Atomausstieg.“ Inzwischen hatte die Partei weitere Erfolge: Im Jahr 2019 bekam sie bei der Europawahl mehr als 20 Prozent der Stimmen. Bei Umfragen erreicht sie immer wieder ähnliche Ergebnisse. 40 Jahre nach ihrer Gründung haben die Grünen also viele Gründe zu feiern.
Vokabular
Die Grünen – eine Erfolgsgeschichte
jemanden ernst nehmen – jemanden akzeptieren und respektieren; nicht über jemanden lachen
Umfrage, -n (f.) – die Befragung von Personen zu einem bestimmten Thema
sozialdemokratisch – politisch: so, dass man für eine soziale Gesellschaft ist
liberal – hier: so, dass es bestimmte Freiheitsrechte für den Einzelnen gibt
Abgeordnete, -n (m./f.) – der gewählte Politiker/die gewählte Politikerin in einem Parlament
sich für etwas ein|setzen – an einem bestimmten Ziel arbeiten
Atomausstieg (m., nur Singular) – die Tatsache, dass ein Land keinen Atomstrom mehr herstellt
Latzhose, -n (f.) – eine Hose mit einem Stück Stoff vor dem Bauch und der Brust, die von Trägern über den Schultern und dem Rücken gehalten wird
etwas stricken – mit Nadeln Kleidungsstücke aus z. B. Wolle herstellen
Studentenbewegung (f., hier nur Singular) – der Kampf von Studenten für politische Veränderungen in den 1960er-Jahren
die Bundesregierung bilden – gemeinsam als Regierung zusammenarbeiten
Außenminister, -/Außenministerin, -nen – ein politisches Amt, bei dem man sich um die Beziehung seines Landes zu anderen Ländern kümmert
Bundeswehreinsatz, -einsätze (m.) – hier: die Tatsache, dass deutsche Soldaten in ein Kriegsgebiet geschickt werden
Jugoslawien – ein Staat in Südosteuropa, der seit 2003 nicht mehr existiert
Widerstand (m., nur Singular) – die Handlungen, mit denen man etwas verhindern will
rot-grün – hier: von den deutschen Parteien SPD und Grüne
Prozent, -e (n.) – ein Teil von Hundert
Christkind oder Weihnachtsmann?
Für viele Kinder und Erwachsene ist klar: Am Abend des 24. Dezember bringt das Christkind die Geschenke. Aber das war nicht immer so. Und auch heute noch gibt es in Deutschland unterschiedliche Traditionen.
Die Frage, wer die Weihnachtsgeschenke bringt, spaltet Deutschland: „Natürlich der Weihnachtsmann!“ sagen die einen. „Selbstverständlich das Christkind!“ sagen die anderen. Manche behaupten sogar, dass der Weihnachtsmann von einer US-amerikanischen Getränkefirma erfunden wurde und gar nichts mit dem Christentum zu tun hat.