Vielleicht würde ihm seine Frau den Seitensprung verzeihen, aber wahrscheinlich würde sie ihn nie mehr in Ruhe lassen. Er bekäme garantiert Vorwürfe zu hören und würde ständig überwacht. Wenn seine gescheite Frau auch nur den kleinsten Anlass zu einem Verdacht fände, würde sie sicher noch interessante Dinge entdecken. Er war nun einmal nicht der frömmste und treuste Ehemann.
Natalja hatte wohl ein bisschen Mitleid mit ihm, aber er ließ ihr keine Wahl. Sie musste sie den Langweiler unter Druck setzen und beschenkte ihn mit den verschiedensten Sachen – mit Schweizer Schokolade, Käse, fruchtigen Likören, allerlei Delikatessen, die sie von den Ausländern erhielt. Außerdem lutschte sie sein schlaffes Glied einmal in der Woche, nach Stundenplan, wie sie es auch in den vergangenen Jahren immer getan hatte.
„Meiner Meinung nach ist das mehr als ein guter Preis für ein Diplom! Ich habe den alten Langweiler viel zu sehr verwöhnt!“
Saweli beschwerte sich im Prinzip auch nicht, er hatte nur Angst, seine Stelle zu verlieren, bevor er in den Ruhestand ging.
Endlich hatten die Mädchen genug Geld zusammengespart, um sich Autos leisten zu können!
Was für eine Freude! Und stolz waren sie ebenfalls! Die beiden parkten jetzt ganz souverän ihre gleich aussehenden schwarzen Lexus-Offroader vor der Uni. Das Leben auf den eigenen vier Rädern war noch cooler als vorher! Für sie schien es geradezu Geld zu regnen. Mit solchen Schlitten konnten sie überall und mit allen Kontakte knüpfen. Sie schlossen Verträge mit Hotels, Restaurants, Shops, machten überall Gewinn, waren von vielen Ausländern umgeben. Sie hatten Spaß und amüsierten sich.
„Das nenne ich einen Job!“, sagte Nata. „Das reinste Kinderspiel!“
Die Freundinnen kauften für das Geld der Kunden verschiedene Waren ein und gaben sie am nächsten Tag zurück. Auf diese Weise wanderten Hunderte von Dollar in ihre Taschen.
Stella war eine leidenschaftliche Person mit einer besonderen Vorliebe für Spielbanken. Sie spielte manchmal betrunken, setzte das ganze Geld auf Rouge und Noir und verlor ständig.
Natalja legte jeden Groschen auf die Seite. Sie hatte gemischte Gefühle hinsichtlich der Verluste ihrer Freundin und Rivalin. Es war ihr selbst nicht klar, ob sie ihr Freude bereiteten oder doch eher Missfallen erregten. Aber nach einem verlorenen Spiel endete Stellas Abend gewöhnlich mit einer angenehmen Bekanntschaft. Das schmeichelte ihr und ärgerte ihre Freundin.
Ihre Beziehung mit Sergej ging letzten Endes in die Brüche. Als er erfuhr, dass sie Männer ausnahm, stellte er eine Bedingung:
„Entweder ich oder dein Job.“
Damit verurteilte er sich selbst zum Leiden. Stella trauerte einige Monate, aber dann wurden ihre Gefühle von der Vernunft besiegt. Es war noch zu früh, eine Familie zu gründen. Außerdem war der wichtigste Grund ihrer Gefühle für Sergej die Tatsache, dass er die Schlampe an den Heizkörper gefesselt hatte. Als Mann passte er kaum zu ihr. Er war ein eifersüchtiger Typ, der davon träumte, sie zu Hause bei Kindern und Eintopf einzusperren.
„Nein! Das lasse ich nicht zu! Ich werde ein bisschen leiden, und danach wird alles gut.“
Sie mochte Männer von höherem Niveau, die reich, beredt und weit gereist waren. Gewöhnlich traf sie solche Männer im Kasino. Stella hielt sich für wohlhabend, aber sie wusste von ihrem Hang, mit Geld leichtsinnig umzugehen. „Geld heckt Geld“, war ihr Motto. Das war eine Tatsache des Lebens, so oder so.
Natalja dagegen würde ohne einen Sponsor nicht einmal bei McDonalds essen gehen. Deshalb gingen sie normalerweise getrennt aus und trafen sich nur zu dem einen Zweck, mit neuer Beute zu prahlen – sei es ein Banker, ein ausländischer Tycoon oder ein ähnliches Opfer. Dabei liebten es die beiden Mädchen, ihre Eroberungen auszuschmücken. Nicht selten war ein junger Erdöl-Tycoon in Wirklichkeit nur der betagte Inhaber von einem Dutzend Ständen auf dem Markt, die allerlei Kram verkauften, oder ein Biergartenbesitzer. Lustig war es trotzdem!
Natalja überlegte, was sie machen würde, nachdem sie ihr langersehntes Diplom bekommen hätte. Sie wollte ihrem Beruf nachgehen und die erworbenen Kenntnisse in der Praxis einsetzen. Dabei war sie sich hundertprozentig sicher, dass sie im Vergleich zu den anderen die Beste wäre. Sie behauptete, dass sie ihre Diplomarbeit ohne jede Hilfe von Saweli selbst verfasst hätte. Als dieser das hörte, staunte er mächtig. Aber er wusste ja, dass alle dummen und ungebildeten Menschen sich für großartig halten. Wirklich kluge Köpfe dagegen waren bescheiden.
Stella wiederum war der Meinung, dass Frechheit und Selbstvertrauen die Schlüssel zum Erfolg seien. Wer diese Eigenschaften hatte, konnte ein schwarzes Viereck auf ein weißes Blatt Papier malen und mit größter Selbstverständlichkeit für Millionen Rubel verkaufen, während die Bilder, an denen andere tage-, wochen-, monate-, gar jahrelang mühevoll gearbeitet hatten, für ganze tausend Hrywnja an der U-Bahn-Station verscherbelt wurden. Darum bestand die Genialität eines genialen Menschen zweifellos in seiner listigen Natur und im Selbstvertrauen. Denn das Leben ist ungerecht. Im Unterschied zu Saweli glaubte Stella, Natalja hätte die erforderlichen Fähigkeiten, nicht nur bei einer Bank zu arbeiten, sondern eine leitende Position zu bekleiden. Zu dieser Überzeugung kam sie aufgrund ihrer persönlichen Lebenseinstellung.
Natalja wurde tatsächlich einmal zu einem Vorstellungsgespräch für eine Anstellung als Bankkassiererin eingeladen und seltsamerweise auch sofort eingestellt. Aber es gab eine Unannehmlichkeit. Der Lohn betrug mickrige hundert Dollar, berechnet in US-Währung.
Natalja war geschockt. Sie erzählte ihrer Freundin fast unter Tränen, diesen Betrag hätte sie problemlos verdienen können, auch ohne an einem Schalter neben fetten alten Kassiererinnen zu sitzen.
„Hahaha!“ Stella bekam feuchte Augen vor Lachen. „Du vergeudest deine Zeit, Natalja! So eine Stelle kannst du annehmen, wenn deine persönliche Bank zwischen deinen Beinen keinen Gewinn mehr bringt. Wozu brauchst du das jetzt?“
„Ich will aufhören, Stella! Ich habe Angst!“
„Wovor?“
„Vor der Strafe Gottes.“
„Das fällt dir ja rechtzeitig ein, Mädchen.“
„Spotte bitte nicht.“
„Also gut, Spott beiseite. Geh ruhig für einen Hunderter malochen, ich hab nichts dagegen.“
„Stella, versteh doch. Den Leuten geht allmählich auf, dass unsere Agentur reine Betrügerei ist. Sie schreiben böse Kommentare auf unserer Webseite. Ich fürchte, dass die Bullen uns bald schnappen. Dann sind wir sind erledigt! Tschüss, Mama! Schick mir Briefe ins Gefängnis!“
„Jetzt erschreck mich nicht! Ich habe keine Lust auf Knast.“
„Du weißt doch selber, vor dem Gefängnis ist niemand sicher.“
„Das weiß ich, aber sitzen würde ich nicht. Lieber sterben.“
„Jetzt erschreckst du mich.“
Stella wurde nachdenklich. Sie wog das Für und Wider ab und sagte:
„Du hast recht. Wir haben jetzt weniger Leute und der Ruf der Firma ist alles andere als erfreulich, da lässt sich nicht leugnen. Wir nehmen alle um uns herum aus, bezahlen unser Studium, trinken, spielen in Kasino und geben Geld aus.“
„Bitte nicht verallgemeinern. Ich spare.“
„Also gut, ich gebe mein Geld aus. Aber was du dir zusammengespart hast, würde dir bei deinen Ansprüchen auch nicht zum Leben reichen, oder?“
„Natürlich nicht.“
„Das bedeutet, dass wir eine andere Einnahmequelle brauchen.“
„Ja, ja! Wir müssen die Firma dichtmachen, Stella! Mein Herz sagt mir, dass etwas nicht stimmt.“
„Gut, lass mich überlegen, was wir unternehmen könnten.“
Stella verließ ihre Freundin etwas verwirrt und missgelaunt. Die Gedanken drehten sich in ihrem Kopf auf der Suche nach einer Idee. Sie wollte nicht ohne Natalja weitermachen, die beiden arbeiteten ja trotz aller Meinungsverschiedenheiten ganz gut zusammen, verstanden einander auf Anhieb. Natalja könnte mit einer normalen Arbeit problemlos Geld verdienen und dazu noch ihr altes Gewerbe am Wochenende betreiben. Aber Stella hätte damit Schwierigkeiten. Sie ging nur mit Männern ins Bett, die sie wirklich mochte. Das einzige, womit sie gut verdienen konnte, waren Gaunereien, ihre Theateraufführungen, wo sie ihre Kunst, Tränen zu vergießen, wann immer sie es brauchte, geschickt einsetzte. Nicht damit, ihren Körper zu verkaufen. Das war nicht ihr Ding. Das Bett, Küsse, intime Beziehungen endeten für sie nicht mit Phrasen wie: „Ihre Zeit ist abgelaufen. Möchten Sie verlängern?“ – „Nein, zieh dich an und hau ab, du Schlampe!“