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«Ich freue mich, an diesem stolzen Tag hier an Bord zu sein, Kapitän Keen«, sagte Bolitho lächelnd. Es amüsierte ihn wahrscheinlich, wie formell sie beide vor all den hohen Gästen miteinander umgehen mußten.

Keen dankte. Er musterte sein neues Schiff und fand nichts daran auszusetzen. Seine Offiziere und Decksoffiziere hatten wie er bis zum letzten Tag geschuftet. Es hatte immer wieder Stunden gegeben, in denen er glaubte, die Arbeit würde nie enden. Der Rumpf war voller Zimmerleute und Tischler gewesen, an Deck arbeiteten die Segelmacher, überall sah man Maler; zwischen ihnen turnten die Midshipmen herum, gescheucht von Cazalet, dem Ersten Offizier. Von ihm wußte Keen wenig, nur daß er schon Erfahrung auf einem anderen Dreidecker gesammelt hatte. Er schien niemals zu ermüden und fand für jedes Problem eine Lösung. Tag für Tag hatte Keen ihn bewundernd beobachtet, wie er über die Berge von Tauwerk stieg, an den Ankern vorbei und zwischen all der Ausrüstung hindurch, die ununterbrochen auf dem Schiff abgeliefert wurde. Nichts mehr war davon zu sehen, das Tauwerk war längst da, wo es hingehörte, zu Fußpferden, Brassen, Taljen, Webleinen und Schoten verarbeitet. Das stehende Gut glänzte frisch geteert wie schwarzes Glas.

Auf dem Vorschiff standen die Seesoldaten in einem roten Quadrat, auf dem Achterdeck in einer Linie. Die Offiziere in ihren blau-weißen Uniformen waren nach Dienstalter angetreten, und hinter ihnen warteten die Midshipmen neben den Decksoffizieren. Einige der jungen Herren sahen in diesem Schiff sicherlich die Chance ihres Lebens. Andere, vor allem die kleinen, die wohl besser bei ihren Müttern geblieben wären, blickten bedrückt um sich. Zwölf Meilen stehendes und laufendes Gut mußten sie nicht nur benennen, sondern nachts im Dunkeln, bei Regen oder in einem heulenden Sturm auch sicher erklettern und bedienen können.

Und schließlich die Seeleute: Erfahrene und Anfänger, Gepreßte und Vagabunden. Sie wußten, daß ihr Leben in Keens Händen lag, daß sein Können im Gefecht über Sieg oder Untergang des Schiffes entschied. Er räusperte sich und hob die Pergamentrolle mit der runden, erhabenen Schrift und dem Siegel der Admiralität. Ihm war, als lese die Worte jemand anderer:

«. Und nach Prüfung werden Sie an Bord gehen und als ihr Kapitän das Kommando übernehmen.»

Hinter ihm räusperte sich eine Dame. Er erinnerte sich, wie neugierig sie alle Bolitho beobachtet hatten und wie enttäuscht sie schienen, weil er ohne Catherine gekommen war. Also nichts, über das man zu Hause tratschen konnte. Keen hatte noch keine Gelegenheit gefunden, Bolitho nach Catherine zu fragen.». Alle Offiziere und Mannschaften auf diesem Schiff werden Ihnen gehorchen und folgen, wenn Seine Britannische Majestät König Georg entschieden hat, das Schiff Black Prince in seine Dienste zu nehmen.»

Mit einem kurzen Blick über die Rolle sah Keen seinen Bootsteurer Tojohns neben dem vierschrötigen Allday stehen. Ihre vertrauten Gesichter gaben ihm Kraft und Zuversicht, und er fuhr fort:». Weder Sie noch einer aus Ihrem Schiff wird anderes tun, als ihm die Kriegsartikel vorschreiben. Gott schütze den König!»

Es war geschafft. Keen setzte seinen Hut wieder auf und verstaute die Rolle in seinem Rock. Der Erste Offizier trat vor und rief:»Drei Hurras auf Seine Majestät!«Etwas lauter hätten die Hochrufe ausfallen können, fand Keen, doch als er sich umdrehte, lächelte der Hafenadmiral. Man beglückwünschte einander, schüttelte Hände und war zufrieden — mit dem Schiff und mit dem Profit.

«Lassen Sie die Besatzung wegtreten, Mr. Cazalet, und kommen Sie dann bitte in meine Kajüte!»

Cazalet hob eine Augenbraue. Es war doch wohl an der Zeit, die Gäste zu bewirten. Einige sahen aus, als würde man sie nur schwer wieder loswerden.

Jenour grüßte mit der Hand am Hut.»Verzeihung, Sir. Sir Richard geht jetzt von Bord.»

«Schade. Ich hatte gehofft, er bleibt länger. «Keen sah Bolitho sich abseits von den Besuchern halten, die jetzt am glänzenden neuen Ruderrad vorbei auf das Achterdeck strömten.

«Übermitteln Sie den Gästen meine Grüße, Val. Ich muß leider gehen. Catherine wollte nicht kommen und sich anstarren lassen. «Bolitho blieb ungerührt, als eine Dame ihn mit offenem Mund betrachtete, bis ihr Begleiter sie weiterschob.»Ich danke Ihnen, daß Sie sich um sie gekümmert haben, als ich auf See war. Und sie wird auch Zenoria finden, ganz bestimmt!»

Keen hörte von achtern Gelächter, das Klappern von Tellern und das Klingen der Gläser.»Ich bringe Sie von Bord, Sir Richard.»

Sie gingen zur Seitenpforte. Keen hatte die Posten verdoppeln lassen. Ihre Musketen trugen Bajonette, ihre gekreuzten Brustriemen glänzten fleckenlos weiß gekalkt. Sie waren wachsam, denn viele Gepreßte sahen jetzt die letzte Chance zu fliehen, ehe das Schiff in See ging und der Drill begann. Keen hatte mehr Verständnis für sie als andere Kommandanten, doch er wußte auch, daß ihm an der Sollstärke noch immer fünfzig Mann fehlten. Bewaffnete Doppelposten würden jeden abhalten, sein Heil in der Flucht zu suchen.

«Wache an die Pforte!«Die neue glänzende Admiralsbarkasse dümpelte leicht im geschützten Wasser des Hafens. Allday saß im Heck, seine Männer trugen neue karierte Hemden und geteerte Hüte.

Bolitho verhielt für einen letzten Rundblick. Ein Schiff ohne Vergangenheit, ohne Erinnerungen. Ein ganz neuer Anfang. Seltsam, das alles.

«In den nächsten Tagen erhalten Sie neue Befehle«, sagte er zu seinem Flaggkapitän.»Bitte nutzen Sie die Zeit, um aus den Leuten eine Besatzung zu machen, auf die wir beide stolz sein können.»

Keen lächelte, obwohl er Bolitho nicht gern gehen sah.»Ich hatte ja den besten Lehrer.»

Bolitho drehte sich um — und merkte, daß er schwankte. Keen packte seinen Arm und hielt ihn fest. Einem Seesoldaten fiel vor Schreck die Muskete aus der Hand, sie krachte aufs Deck. Der Leutnant der Wache fuhr ihn heftig an, das gab Bolitho Zeit, sich zu fangen.

«Ihr Auge, Sir Richard?«Keen war entsetzt über Bolithos hoffnungslose Miene.

«Catherine weiß nichts davon. Aber mir kann niemand mehr helfen.»

Keen stand zwischen ihm und der Ehrenwache, die ihre Pfeifen bereits zum Signal angesetzt hatten.»Ich wette, sie weiß es längst. «Vergeblich suchte er nach tröstenden, helfenden Worten.

«Vielleicht. «Bolitho grüßte die Wache und kletterte vorsichtig die Jakobsleiter hinunter, bis Allday ihm unten in die Barkasse half.

Keen folgte ihnen mit Blicken, bis sie hinter einem ankernden Truppentransporter verschwunden waren. Die Black Prince war ein sauer verdientes Kommando für ihn, dienstältere Kapitäne hätten wer weiß was gegeben, es zu bekommen. Ein neues Schiff zu kommandieren, über dem bald die Flagge eines Vizeadmirals wehen würde, brachte jedem Ehre. Warum also fühlte er sich so niedergeschlagen? Ihn störte das Gelächter achtern. Den Gästen an Bord waren die Menschen, die hier dienten, herzlich gleichgültig.

Ein Leutnant stellte sich ihm in den Weg.»Verzeihung, Sir, aber ein Leichter mit Vorräten für uns legt gerade drüben ab!»

«Sind Sie der wachhabende Offizier, Mr. Flemyng? Dann machen Sie Ihre Arbeit auch richtig, Sir, oder ich suche mir jemand anderen!»

Der junge Leutnant schien vor Scham zu versinken, und Keen bereute seinen Ausbruch sofort.

«Tut mir leid, Mr. Flemyng. Mein Rang hat Privilegien, aber sein Mißbrauch ist unverzeihlich. «Erstaunt sah ihn der Offizier an.»Fragen Sie mich ruhig, sonst verstehen wir uns nicht, wenn es darauf ankommt. Aber in dem Fall informieren Sie bitte den Bootsmann und die Wache, daß Vorräte an Bord kommen.»

Der Leutnant verschwand, und Keen sah nach oben. Die Mastspitzen zeichneten winzige Kreise in den Himmel. Möwen ließen sich im Landwind treiben, spähten hungrig nach Abfallen aus.

Das also war sein Schiff!

Die leichte Kutsche, bis hoch an die Fenster mit Schlamm bespritzt, hielt auf dem Hügel an. Die beiden Pferde dampften in der Kälte.

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