«Alle Mann an Deck! Klar zum Halsen!»
Wie alte müde Männer taumelten Matrosen und Seesoldaten an die Schoten und Brassen, zermürbt von der unbarmherzigen See und dem fauchenden Wind.
«Mr. Williams, Ihre besten Toppgasten nach oben! Ich möchte auf dem neuen Kurs sofort die Bramsegel setzen. «Poland sah Hull, den Master, fast drohend an.
Williams hob das Sprachrohr.»Klar auf dem Achterdeck!«Er wartete, schätzte den richtigen Augenblick ab.»Fall ab drei Strich nach Backbord.«Ärgerlich drohte er mit dem Sprachrohr, als eine See zwei Männer in die Netze fegte. Sie kletterten wasserspuckend zurück.
«Mr. Lancer! Noch vier Mann an die Leebrassen!«Poland nickte, das Kinn auf die Brust gesenkt.»Ruder nach Luv!»
Mit donnernden Segeln und quietschenden Blöcken ging die Truculent mit dem Heck durch den Wind. Einen Augenblick hielt er sie fast aufrecht, dann lag sie auf dem anderen Bug, und der Sturm preßte sie wieder ins Wasser.
Poland sah prüfend auf den Kompaß.»Halten Sie genau diesen Kurs, Mr. Hull!»
Grimmig meldete der Master:»West zu Nord liegt an, Sir.»
«An Deck!»
Poland sah mit seinen geröteten Augen genervt nach oben.»Was gibt's?»
«Segel an Steuerbord voraus!«brüllte der Ausguck herunter. Bolitho nickte vor sich hin.»Schicken Sie einen guten Mann mit einem Fernglas nach oben, Mr. Williams!«befahl Poland und fragte sich, woher Bolitho gewußt hatte, daß hier ein Segel auftauchen würde.
Hulls bester Gehilfe enterte auf. Und dann gellte seine Stimme durch den Lärm:»Kriegsschiff, Sir!«Eine lange Pause.»Kleines Schiff, Sir. Eine Korvette — ja, eine Korvette!»
Hull bestätigte:»Wenn er Korvette sagt, dann ist es eine.»
Poland näherte sich Bolitho, tippte grüßend an den Hut.»Ein Franzose, Sir Richard. Korvette. «Und nach kurzem Zögern:»Zu klein, um uns gefährlich zu werden.»
«Aber groß genug, um sich an uns zu hängen. Wir werden bald sehen, was passiert.»
Bolitho blickte erwartungsvoll nach Steuerbord. Natürlich hatte Poland recht, keine Korvette würde sich an eine Fregatte wagen, die sechsunddreißig Kanonen trug. Ihr Kommandant war also sicher, daß irgendwo hinter der Kimm Verstärkung wartete. Bolitho sagte:»Lassen Sie die Kombüse klar machen und das Herdfeuer wieder in Gang bringen. «Poland sah ihn verständnislos an; an die Kombüse hätte er bei diesem Wetter als letztes gedacht.»Ihre Männer sind jetzt zu erschöpft, um zu kämpfen. Aber eine heiße Mahlzeit und eine doppelte Portion Rum für jeden, Mr. Poland, und Sie haben wieder eine Besatzung, die im Gefecht nicht zaudern wird. «Poland nickte.»Ich gehe Sir Charles Inskip verständigen. Auf ihn wartet wieder eine unangenehme Überraschung.»
Allday hörte, wie ein Matrose in der Nähe seinem Nachbarn in die Rippen stieß und sagte:»Unser Dick macht sich keine Sorgen. Warum sollten wir?»
«Aha, unser Dick«, dachte Allday. Jetzt also waren sie wirklich Bolithos Männer. Er leckte sich die Lippen. Ein Schluck Rum war immer willkommen, vor allem, wenn es vielleicht der letzte im Leben sein würde.
Catherine verhielt am Fuß der Treppe und musterte die Straße mit ihren eleganten Häusern hinter den entlaubten Bäumen. Obwohl es erst später Nachmittag war, führten die Kutschen schon Laternen. Sie hatte in Begleitung Yovells einige Einkäufe gemacht. Nun winkte sie dem Kutscher.»Heute brauche ich Sie nicht mehr, danke!«Der Kutscher grüßte mit erhobener Peitsche. Er hatte sie von Falmouth nach London gebracht und war wie die Kutsche ein
Stück Heimat in der fremden Stadt. Heimat? Catherine lächelte. Falmouth und das große graue Steinhaus waren tatsächlich ihre Heimat geworden.
Eine von Lord Brownes Dienerinnen eilte die Treppe hinunter ihr entgegen, aber Catherine war schon in der Halle. Durch die offene Tür sah sie vor dem brennenden Kamin in der Bibliothek einen Mann in Uniform stehen.
Als ihr Puls sich wieder beruhigt hatte, erkannte sie: Es war nicht Bolitho. Der Mann drehte sich um. Ein Kapitän, groß, mit hellem Haar, blauäugig. Valentine Keen! Er beugte sich über ihre Hand.»Ich hatte in der Admiralität zu tun und wollte Sie besuchen.»
Sie hängte sich an seinen Arm, und zusammen traten sie vor das wärmende Feuer.»Sie sind immer willkommen, Val.»
Auch er kannte Richard schon viel länger als sie, hatte unter ihm als Midshipman und später als Leutnant gedient und war schließlich sein Flaggkapitän geworden.»Bitte nennen Sie mich Catherine, wir sind doch alte Freunde. «Sie setzte sich und wies auf einen anderen Stuhl.»Irgendetwas bedrückt Sie, Val. Wir haben uns Sorgen um Sie und Zenoria gemacht. Kann ich irgendwie helfen?»
Er schien ihre Frage überhört zu haben.»In der Admiralität sprach man von Sir Richard. «Er schaute sich um, als erwarte er ihn.»Ist er noch nicht zurück?»
Sie schüttelte den Kopf.»Es dauert viel länger als geplant. Heute vor vier Wochen hat er London verlassen.»
Was für eine schöne Frau, dachte Keen, als sie sich abwandte und ins Feuer starrte. Aber sie konnte nicht verbergen, daß sie sich um Richard große Sorgen machte.
«Einer von Lord Godschales Sekretären erklärte mir, daß Richard in wichtigem Auftrag unterwegs ist. Aber das Wetter spielt nicht mit. Vor allem in der Nordsee ist es winterlich rauh. Ich denke, sie wettern nur einen Sturm ab. «Keen spürte, daß seine Worte sie ein wenig beruhigten.
«Und was machen Ihre Heiratspläne?»
«Zenoria ist nach Cornwall gefahren, zu einem Onkel, dem sie seit ihrer Kindheit sehr vertraut. Er war lange in Westindien und ist erst kürzlich zurückgekehrt. Aber wo die beiden sich jetzt aufhalten, weiß ich nicht.»
Catherine fühlte seine Verzweiflung mit.»Sie lieben sie?»
Er nickte, verlegen wie ein Schuljunge.
«Und ich weiß, daß Zenoria Sie liebt. Sie haben ihr nicht nur das Leben gerettet, Sie haben sich auch um sie gekümmert, als andere sie verstießen. Machen Sie sich keine Sorgen, ich werde sie suchen und finden. Sie muß lernen, was es heißt, mit einem Seemann verheiratet zu sein. Und Sie, lieber Val, dürfen nicht vergessen, was Zenoria an Schwerem erlebt hat: das Urteil, das Sträflingsschiff, die Peitsche. Vielleicht braucht sie noch ein wenig Zeit, Val.»
Er nickte dankbar.»Ich war bei Godschale, um mich zurückzumelden. Richard hat mir geschrieben. Ich werde sein Flaggkapitän auf der Black Prince.»
Sie stand auf und legte ihm die Hand auf die Schulter, neben die einzelne Epaulette.»Das freut mich, Val. Jetzt geht es mir schon viel besser.»
Die Tür öffnete sich, von draußen wehte Kühle herein.»Was ist, Maisie?»
Das Mädchen starrte erst sie an, dann Keen.»Entschuldigung, Mylady, aber da ist ein Bote für den Herrn Kapitän.»
Keen erhob sich.»Ich habe in der Admiralität hinterlassen, daß man mich hier erreichen kann.»
Erschreckt sah sie ihn an.»Bestimmt ist etwas passiert!»
Keen ging hinaus, kam aber schon kurz darauf wieder. Als er Catherines Hände ergriff, fühlten sie sich an wie Eis.
«Es war tatsächlich ein Bote von der Admiralität«, sagte er und griff fester zu, als sie ihre Hände wegziehen wollte.»Bitte, hören Sie mir zu. Richard möchte sicher, daß Sie dies wissen. «Er sah eine Ader an ihrem schönen Hals aufgeregt klopfen.»Es gab ein Seegefecht, und Richards Schiff war hineinverwickelt, schon auf dem Weg zurück nach England. Mehr weiß man noch nicht. Ein Schoner brachte die Nachricht nach Dover.»
Sie sah sich in dem großen Zimmer um wie ein gefangenes Tier.»Ist er verletzt? Was kann ich tun? Ich kann doch nicht hier sitzen und warten!»
Er führte sie zu ihrem Stuhl zurück. Ihre Stärke und ihr Mut hatten sie nicht verlassen, sie brauchte nur eine Richtung für ihr Tun.
«Sie bleiben hier, Catherine. «Als sie widersprechen wollte, fuhr er fort:»Richard würde genau das von Ihnen erwarten. Und ich bleibe hier bei Ihnen, bis wir mehr wissen.»
«Wann wird das sein?«fragte sie leise.
«Bald. Morgen oder übermorgen.»