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Bolitho blickte ihn fest an.»Dann wird sie in Sydney bleiben, bis…»

«Möchten Sie das wirklich?«Sayer wandte sich ab.»Mit welchem hämischen Vergnügen wird man sie hier demütigen. Skandale sind bei uns gefragt, die kleinen und neidischen Geister hier leben vom Klatsch. «Bolitho wollte es nicht glauben, aber er wußte dennoch, daß Raymond für einen Skandal sorgen würde. Wenn er sie schon nicht auseinanderbringen konnte, würde er dafür sorgen, daß sie in Bedrängnis gerieten.»Aber in der Südsee, Sir?«gab Bolitho zu bedenken.»Wie lange kann eine Frau das aushallen? Hier ist es schon schlimm genug, aber Sydney ist geradezu luxuriös im Vergleich zu den abgelegenen Inseln. Viola hat das alles schon einmal durchgemacht. Kein Mann, kein anständiger Mann, könnte so viel von einer Frau verlangen, und schon gar nicht von ihr.»

«Ich weiß. «Sayer sah ihn bedrückt an.»Aber Raymond steht unter Erfolgszwang. Er wird auch Deportierte mitnehmen und den Anschein einer ordnungsgemäßen Besiedlung bieten.»

Bolitho lehnte sich zurück. Seine Augen nahmen nichts mehr wahr.

An jenem dritten Abend an Bord der Eurotas war er zu ihr in die große Kajüte gegangen. Sie teilte sie nur mit dem jungen Mädchen, das sie unter ihre Fittiche genommen hatte. Das bedauernswerte Geschöpf sprach kaum ein Wort, stand noch unter Schockeinwirkung und wurde von Entsetzen gepackt, wenn ein Mann nur in seine Nähe kam.

Aber für Vi ola tat sie alles.

Auch Raymond war eine eigene Kajüte zugeteilt worden, genau wie damals, als er auf Bolithos Schiff Passagier gewesen war. Doch diesmal bestand ein Unterschied. Verzweiflung, Sehnsucht und die überwältigende Erlösung, sich wiedergefunden zu haben, ließ sie beide alle Vorsicht vergessen.

Er konnte wieder Violas Stimme hören, als ob er mit ihr zusammen sei und nicht mit Sayer.

«Wir sind auf einem Geisterschiff, mein Geliebter. Ganz allein. Ich sehne mich so sehr nach dir, daß ich mich schäme. Und ich brauche dich so sehr, daß du dich vielleicht meiner schämst.»

Er kehrte in die Wirklichkeit zurück, als Sayer sagte:»Sie erhalten Befehl, die Eurotas zur Levu-Gruppe zu begleiten. «Sayer sah das Erschrecken in Bolithos Augen, versuchte, sich vorzustellen, was er unter ähnlichen Umständen empfunden hätte: gezwungen, die Frau, die er liebte, zu beobachten, aber unfähig, sich ihr zu nähern.»Dem Gouverneur stehen keine anderen Streitkräfte zur Verfügung, und Tuke könnte einen weiteren Überfall planen.»

«Ich werde ihn umbringen«, sagte Bolitho leise.

Sayer blickte zur Seite. Wen meinte er — Tuke oder

Raymond?

Als Bolitho wieder sprach, klang seine Stimme gefaßt. Zu gefaßt.»Wieviel Zeit haben wir, Sir?«»Einige Tage. Da die Jahreszeit stürmischer wird und die Verzögerung bereits beträchtlich ist, muß alles nur noch schneller gehen. «Er versuchte, nüchtern zu sprechen.»Noch eines, Richard: Sie werden hier in Sydney nicht mit ihr zusammenkommen. «Er sah, wie Bolitho auffuhr.»Und als persönlichen Gefallen für mich möchte ich Sie bitten, an Bord zu bleiben, bis Sie Anker lichten. Außer in dienstlichen Angelegenheiten und Dingen, die Ihr Schiff betreffen, sollten Sie nicht an Land gehen. «Bolitho stand auf.»Verstehe.»

«Gut. Ich habe zu viel Respekt vor Ihnen, um Ihnen eine Predigt zu halten. Aber die Zeit vergeht, altes Leid wird vergessen. Sie werden Ihren ganzen Elan brauchen, Tuke ist ein bösartiger Pirat und kein Held, wie manche Legenden von ihm behaupten. Ich glaube, daß er seine speziellen Dienste hier irgend jemandem verkaufen will. Darum rüstet er sich auf unsere Kosten aus. Vielleicht sucht er durch einen Kaperbrief den Anschein der Legalität zu erwerben, als Söldner zu gelten, statt als gejagter Pirat. Das ist durchaus üblich. «Er senkte die Stimme.»Und dann haben Sie noch Raymond gegen sich, der Sie belauert und nur darauf wartet, daß Sie einen Fehler machen.«»Die Franzosen und Spanier sind schon lange an diesen Gewässern interessiert, wenn auch bisher ohne nennenswerten Erfolg«, sagte Bolitho. Er empfand nichts. Die Aussicht auf eine neue Mission, die Möglichkeit, Tuke zu stellen und zu vernichten, versetzte ihn nicht in Erregung. Sayer nickte.»In den letzten Depeschen war von Hungersnot und Aufruhr in Frankreich die Rede, sogar in Paris. Der König ist also zu beschäftigt, um sich mit uns zu befassen. Aber Spanien?«Er hob die Schultern.»Doch gleichgültig, welche Flagge dieser Teufel zeigt, ich wünsche, daß er gefangen und gehängt wird, ehe sich der Brand ausweitet. Eine gute Nachricht gibt es allerdings: Die Bounty ist verschwunden, vermutlich untergegangen. Es würde mich nicht wundern. Eine Sorge weniger.«»Sir?«Bolitho sah ihn verständnislos an. Sayer kam durch die Kajüte und packte ihn am Arm.»Lassen Sie nur, Sie waren eben meilenweit entfernt. Aber fassen Sie Mut und tun Sie Ihre Pflicht. Alles andere wird sich von selbst lösen. «Bolitho erwiderte:»Jawohl, Sir.»

Er hatte an Cornwall gedacht, an das große graue Haus in Falmouth. Ihr würde es dort gefallen, und alle würden sie lieben, wie sie seine Mutter geliebt hatten und die anderen Kapitänsfrauen, die auf der Bastion über der Steilküste spazierengingen und Ausschau nach den Schiffen ihrer Männer hielten; manche vergeblich. Doch weil er die gebotene Vorsicht außer acht gelassen hatte, hatte er die einzige Person verraten, die er wirklich liebte. Dadurch hatte er den Haß und den Neid Raymonds geschürt, der jetzt alles aufs Spiel setzen würde, selbst das Leben von Viola.

«Ich würde gern auf mein Schiff zurückkehren, Sir. «Sayer musterte ihn.»Ja. Ich gebe Ihnen Nachricht, wenn ich etwas erfahre. Man sucht noch nach Leuten für die Eurotas, und Sie werden einen Offizier stellen müssen, der das Kommando übernimmt. «Nachdrücklich wiederholte er:»Einen Offizier, Richard. Sie müssen auf Ihrem Schiff bleiben. Sobald auf den Levu-Inseln alles eingerichtet ist, wird die Eurotas als Versorgungsschiff dienen. Sie kann ruhig einem jüngeren Offizier überlassen werden, bis ich weiteren Ersatz schicken kann. Doch Sie werden tun, was Sie für richtig halten, sobald der Handelsplatz gesichert ist. «Bolitho streckte die Hand aus.»Danke, Sir, für etwas, das Sie gewiß ungern getan haben. Ich kenne viele, die es knapp und schroff erledigt hätten.»

Sayer lächelte.»Das ist wohl wahr. Aber merken Sie sich, was ich gesagt habe. Ich kann Sie nicht retten, wenn Sie Raymond herausfordern. Er ist der Typ, der schon nach einem Sündenbock sucht, noch ehe er etwas unternimmt. Ich habe nicht die Absicht, mir diese Rolle zuschanzen zu lassen, und wünsche auch nicht, Sie in ihr zu sehen. «Bolitho ging an Deck und salutierte vor der Flagge und dem Kommandanten der Hebrus.

Ein Kanonenschuß dröhnte dumpf in der Ferne, und der andere Kapitän sagte:»Das war für Ihre beiden Gefangenen. Hier draußen vergeudet man nicht viel Zeit an Prozesse. «Noch hallte das Echo des Kanonenschusses über den Hafen, als Bolitho in die Gig hinunterkletterte, wo Allday ihn mit erwartungsvollem Gesicht empfing. Bolitho sah an ihm vorbei zu der sich drängenden Menschenmenge, die gekommen war, um zwei Männer hängen zu sehen. Irgendwo dort war sie.»Zur Pier, Captain?«»Nein, Allday. An Bord.»

«Ablegen«, bellte Allday. Etwas mußte schiefgegangen sein.»Riemen bei! Rudert an!»

Er schützte die Augen mit der Hand und sah zu dem vor

Anker liegenden Handelsschiff hinüber, dachte an das wilde Geschrei des Handgemenges und das hemmungslose Töten. Dann blickte er auf Bolithos Schultern hinab, bemerkte, wie er den Griff seines alten Degens umklammerte. Allday hatte es einmal dankbar begrüßt, als Viola Raymond und Bolitho voneinander getrennt wurden. Er hatte geahnt, daß Böses geschehen konnte. Doch Allday glaubte auch daran, daß man eine einmal begonnene Sache bis zum Ende durchstehen mußte. Er wollte darüber nachdenken, hier und dort ein gutes Wort einlegen, wenn er die Chance bekam. Bolitho beobachtete das Heben und Senken der Riemen, die starren, nichtssagenden Gesichter der bezopften Matrosen. Sie alle schienen Bescheid zu wissen. Manche würden hämisch reagieren, andere mitfühlend. Alle aber würde interessieren, was als nächstes geschah. Er hörte das Knarren der Pinne, als Allday hinter dem Heck eines holländischen Handelsschoners vorbeisteuerte. Vor allem er, dachte er. Er konnte Alldays Verstand beinahe arbeiten hören. Seine ganze Anhänglichkeit, sein Mut und seine Unverfrorenheit, konnten ihm diesmal nicht helfen. Er sah das Begrüßungskommando bei der Einstiegspforte der Tempest antreten: das Blau und Weiß der Offiziere, das Scharlach der Seesoldaten Prudeauxs, angetreten zum Empfang des Kommandanten.

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