«Immer mit der Ruhe, Mr. Herrick«, sagte Bolitho.»Sie können nichts tun.»
«Gesprochen wie ein wahrer Gentleman. «Onslow grinste.»Immer das Beste, wenn man einsieht, daß man geschlagen ist. «Dann rief er scharf:»Schließt sie unten ein, Jungs. Und den ersten Schweinehund, der was versucht, legt ihr um.»
Einige grollten unzufrieden, sie lechzten nach Blut. Doch sie waren alle verdammt. Bolitho erkannte klar, daß sie, vom Rum umnebelt, Onslows sorgfältigen Plan nur zur Hälfte begriffen.
«Sowie es auffrischt, segeln wir, Jungs«, sagte Onslow.»Überlaßt den Rest ruhig Harry Onslow.»
Herrick und Bolitho wurden über das Deck und in die finstere Enge eines kleinen Laderaums gestoßen. Gleich darauf wurden Fähnrich Neale und Steuermann Proby hineingeschoben. Dann schlug die Tür zu. Ziemlich hoch in der Bordwand befand sich ein kleines rundes Loch. Es diente zur Lüftung der normalerweise hier lagernden Vorräte, die, wie Bolitho annahm, die Meuterer für den eigenen Gebrauch woanders hingeschafft hatten.
«Es… Es tut mir leid, Sir«, schluchzte Neale.»Ich habe meine Pflicht schlecht erfüllt. Ich hatte die Wache, als es passierte.»
«Es war nicht Ihre Schuld, mein Junge«, sagte Bolitho.»Diesmal stand alles gegen Sie. Es ist die reine Ironie: Onslow blieb auf dem Schiff, weil man ihm an Land nicht traute.»
«Mr. Vibart war in seiner Kajüte«, sagte Neale gebrochen.»Sie hätten ihn beinahe umgebracht. Onslow hat es in letzter Sekunde verhindert.»
«Nur aufgeschoben«, sagte Herrick trübe, um dann voller Wut hinzuzusetzen:»Diese Narren! Die Franzosen und Spanier denken nicht daran, mit Onslow etwas auszuhandeln. Das haben sie auch gar nicht nötig. Sie entern einfach die Fregatte und nehmen die ganze Bande gefangen.»
«Mir ist das ebenso klar wie Ihnen, Mr. Herrick«, sagte Bolitho.»Aber wenn auch die Meuterer dahinterkommen, haben sie keinen Grund mehr, uns am Leben zu lassen.»
«Verstehe, Sir. «Herrick versuchte, Bolitho im Dunkel zu erkennen.»Und ich dachte. .»
«Sie dachten, ich hätte die Hoffnung aufgegeben?«Bolitho atmete langsam aus.»Noch nicht. Nicht kampflos. «Er stieg auf eine leere Kiste und spähte durch das kleine Lüftungsloch. Das Schiff war vor Anker ein wenig geschwelt, und er sah ein Stück Strand und dahinter einen niedrigen Hügel. Aber keinen Menschen. Er hatte es auch nicht erwartet.
«Zwei der Meuterer kenne ich gut«, stotterte Proby.»Tüchtige Leute, haben nicht den geringsten Grund, solchem Abschaum wie Onslow und Pook zu folgen. «Dann, gepreßt:»Wird ihnen aber nichts nützen. Man wird sie fangen und mit den übrigen aufknüpfen. »
Herrick rutschte aus und fluchte.»Verdammt!«Er tastete mit den Fingern herum.»Ranzige Butter, stinkt wie Bilgenwasser.»
Bolitho legte den Kopf nach hinten und lauschte auf das Stampfen der Füße und das gellende Gelächter.»Sie haben sich nicht nur Butter genommen, Mr. Herrick. Sie werden bald so betrunken sein, daß sie. . «Er dachte daran, wie das Messer an Neales Kehle gefunkelt hatte. Der zweite Akt würde gleich folgen. Bloß zu trinken, das würde die Meuterer bald langweilen. Sie würden sich beweisen wollen — durch Töten.
«Versuchen Sie doch mal, ob Sie zu mir heraufsteigen können, Neale. «Er merkte, wie der Fähnrich zu ihm auf die Kiste kletterte.»Was meinen Sie, kommen Sie durch das Lüftungsloch?»
Neale blinzelte in den Sonnenstrahl, der durch das Loch fiel.»Es ist sehr eng, Sir«, sagte er zweifelnd, setzte dann aber entschlossen hinzu:»Ich will es versuchen, Sir.»
«Was haben Sie vor, Sir?«fragte Proby.
Bolitho fuhr mit den Händen um die kreisrunde Öffnung. Ein Durchlaß von kaum zehn Zoll. Er drängte die aufkeimende Erregung zurück. Es mußte einfach versucht werden.
Er sagte:»Wenn Neale da durchkäme.. «Er unterbrach sich.»Die Butter. Schnell, Neale, raus aus Ihren Sachen!«Er stieß Herrick an.»Wir schmieren ihn mit Butter ein, Herrick, dann gleitet er hindurch wie ein Wischer durchs Kanonenrohr.»
Neale zog sich aus und stand ungelenk in der Mitte des Laderaums. Im schwachen Licht des Lüftungslochs schimmerte sein schlanker Körper wie eine Statue. Bolitho füllte sich die Hände mit ranziger Butter und schmierte Neales Schultern ein. Herrick beteiligte sich an der Arbeit.
«Wo stecken die loyalen Leute, Neale?«fragte Bolitho.
«Im Kabelgatt, Sir. «Neale klapperte laut mit den Zähnen.»Der Arzt und einige der Älteren auch.»
«Das habe ich mir gedacht. «Bolitho trat zurück und wischte sich die Hände an der Hose ab.»Hören Sie, Neale. Wenn wir Sie durch das Loch kriegen, können Sie dann am Bugstag entlangklettern?»
Neale nickte.»Ich werde es versuchen, Sir.»
«Die anderen sind im Kabelgatt eingesperrt. Während ich die Wachen ablenke, öffnen Sie die Tür und lassen sie heraus. «Er legte dem Jungen die Hand auf die Schulter.»Aber wenn Sie entdeckt werden, dann vergessen Sie, was ich gesagt habe. Springen Sie über Bord und schwimmen Sie um Ihr Leben an Land. So schnell holt Sie niemand ein. «Und zu den anderen:»So, und nun helfen Sie mir!»
Neale war so glitschig wie ein Fisch, und beim ersten Versuch hätten sie ihn fast fallengelassen. Herrick schlug vor:»Zuerst den einen Arm, Neale, dann den Kopf. «Sie versuchten es nochmals. Der Laderaum lag in totaler Finsternis, während sie den sich windenden Fähnrich durch das Lüftungsloch preßten. Er stöhnte vor Schmerzen, und Proby sagte:»Welch ein Glück, daß er nicht dicker ist.»
Noch ein letzter Ruck, dann war er hindurch. Sie warteten ein paar bange Sekunden auf einen Anruf von Deck. Dann erschienen Neales Augen in der Lüftungsluke. Sein Gesicht war hochrot, und seine aufgescheuerte Schulter blutete. Aber er wirkte seltsam entschlossen.
«Machen Sie alles in Ruhe, Neale. Und riskieren Sie nichts Unnötiges!«sagte Bolitho leise.
Neale verschwand, und Herrick sagte:»Nun ist er wenigstens aus dem Ganzen heraus, falls es zum Schlimmsten kommt.»
Bolitho blickte ihn scharf an. Es war beinahe, als habe Herrick seine Gedanken gelesen. Er erwiderte ruhig:»Eher schicke ich die Phalarope zur Hölle, als daß ich sie dem Feind in die Hände fallen lasse, Mr. Herrick. Darüber seien Sie sich klar.»
Danach setzte er sich hin und wartete stumm.
John Allday lehnte sich erschöpft gegen einen großen Felsbrocken und rang nach Atem. Ein paar Schritte entfernt lag Bryan Ferguson wie eine Leiche. Kopf und Schultern tauchten in den kleinen Teich, während er in tiefen Zügen trank und nur innehielt, um keuchend Luft zu holen. Alldays Blicke tasteten den Dschungel niedriger Bäume ab, durch den sie gekommen waren. Noch kein Zeichen irgendwelcher Verfolger, doch er zweifelte nicht daran, daß man bereits Alarm geschlagen hatte.
«Ich habe dir noch gar nicht gedankt, Bryan«, sagte er.»Was du getan hast, war unbesonnen.»
Ferguson rollte sich auf die Seite und sah ihn mit glasigen Augen an.»Ich mußte es tun. Ich mußte es einfach.»
«Jetzt geht's auch um deinen Kopf, Bryan. «Allday betrachtete ihn kummervoll.»Aber zumindest sind wir frei. Und solange man frei ist, kann man hoffen.»
Er hatte in seiner finsteren Zelle gelegen und auf die vertrauten Geräusche gelauscht: Boote füllten sich mit Männern und stießen vom Rumpf der Fregatte ab. Stille auf dem leeren Schiff. Dann plötzlich ein Schreckensschrei. Ein Körper schlug schwer gegen die Tür. Ferguson zerrte sie auf. Seine Hände zitterten, als er die Handschellen aufschloß, und sein Mund war schlaff vor Furcht, als er kaum verständlich von Flucht stammelte.
Kurz vor Anbruch der Dämmerung waren sie geräuschlos in das kühle Wasser geglitten. Wie so viele Seeleute, konnte Allday kaum schwimmen. Aber Ferguson, von verzweifelter Angst getrieben, half ihm. Hustend und keuchend erreichten sie endlich die Sicherheit des Ufers. Fast wortlos rannten sie los, krochen durch dichtes Gebüsch, kletterten über herabgestürzte Felsen, ohne auch nur einmal anzuhalten, um zurückzublicken oder zu lauschen. Jetzt befanden sie sich zwischen zwei niedrigen Hügeln, und die Erschöpfung hatte sie zu einem Halt gezwungen.