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Selbst jetzt mochte es zu spät sein. Die Andiron war größer, ihr tiefer Kiel eignete sich besser für solche Manöver. Sie schnitt bereits das Heck der Phalarope und versuchte, so schnell wie möglich in Luvposition zu kommen, um den schon einmal errungenen Vorteil zurückzugewinnen. In einer Viertelstunde würde sie das Manöver wiederholen oder sich damit zufriedengeben, den Abstand von Backbord aus zu verringern. Da der Wind für sie günstiger stand, konnte ein Kampf nicht vermieden werden.

Bolitho trat zur Heckreling und blickte zu dem anderen Schiff zurück. Die Andiron hatte das Doppelspiel aufgegeben. Er sah die kauernden Kanoniere und die Offiziere auf dem schräg liegenden Achterdeck. Was war Masterman zugestoßen? Besser, er war tot, als daß er wußte, was aus seiner stolzen Andiron geworden war.

Er drehte dem dunklen Rumpf den Rücken und ließ die Blicke über sein eigenes Schiff gleiten. Kein Chaos mehr. Für unerfahrene Augen sah die Phalarope kampfbereit und kampftüchtig aus.

Beiderseits waren die Kanonen ausgefahren. Die Stückmeister prüften die Abzugsleinen und erteilten ihren Leuten heiser Befehle. Schiffsjungen rannten über das Deck und streuten Sand, damit die Füße der Kanoniere Halt fanden, wenn es soweit war. Andere eilten mit Eimern von Geschütz zu Geschütz. Sie schleppten Wasser heran, um die Kanonenwischer feucht zu halten und möglicherweise ausbrechende Brände zu löschen.

Vibart stand unterhalb des Achterdecks.»Alles klar zum Gefecht, Sir«, rief er.»Alle Kanonen mit Kettenkugeln oder Kartätschen geladen.»

«Gut, Mr. Vibart. «Bolitho ging zur Reling und ließ seine Blicke über die Backbordgeschütze wandern. Sie würden zuerst in Aktion treten müssen. Nicht alles war mustergültig. Besorgt bemerkte er manche Mängel.

An einem Geschütz mußte der Stückmeister einem seiner Männer sogar die Seiltalje in die Hand geben, da der arme Kerl vergessen hatte, was er tun sollte. Doch der Mann fürchtete sich zu sehr, und die heraufkommende Fregatte mit ihrer Reihe drohender Kanonen hypnotisierte ihn zu stark, als daß er darauf achtete, was der Maat ihm sagte. An jedem Geschütz gab es solche Männer. Bei so vielen neuen Leuten, von friedlicher Arbeit an Land gewaltsam weggeholt, war das unvermeidlich.

Hätte er nur genügend Zeit gehabt, dann hätte jeder einzelne besser ausgebildet werden können. Bolitho schlug mit der Faust langsam auf die Reling. Nun, jetzt mußte es so gehen. Die Andiron war nicht nur zahlenmäßig stärker bestückt. Ihre Kanonen waren Achtzehnpfünder, die der Phalarope aber nur Zwölfpfünder. Die Mehrzahl der Andiron-Besatzung bestand zweifellos aus englischen Deserteuren und kampferfahrenen Matrosen, denen eine Seeschlacht nicht fremd war. Eine Mannschaft, die Kapitän Masterman die Andiron genommen hatte, war eine Macht, die man fürchten mußte.

Hauptmann Rennie stand gelassen neben den Schutznetzen. Sein Degen hing mit einer goldenen Kordel an seinem Handgelenk. Er beobachtete, wie Sergeant Garwood seine Leute zu ordentlichen roten Reihen formierte. Die Marinesoldaten gaben zusätzliche Sicherheit, dachte Bolitho grimmig, aber gegen Achtzehnpfünder würden ihre Gewehre nicht viel nützen.

Die Zerknirschung und Verzweiflung, die er spürte, seit die Andiron das verräterische Signal gesetzt hatte, schlug auf einmal in wilde Wut um. Er hatte sein Schiff und seine Männer in diese Lage gebracht. Er allein trug die Verantwortung. Er hatte die Falle der Amerikaner gerade noch rechtzeitig genug erkannt, um die Phalarope vor dem ersten Schlag zu bewahren. Aber er hätte sie früher durchschauen müssen.

Er trat an die Querreling und rief:»Leute, in wenigen Augenblicken wird es zum Kampf kommen. «Er sah, daß ihn alle anblickten, doch die Gesichter hatten bereits jede Eigenbedeutung und Individualität verloren. Sie waren zu einer Mannschaft verschmolzen, zu einer guten oder schlechten, würde die Zeit erweisen. Aber es war wichtig, daß ihm alle vertrauten.

«Laßt euch nicht aus der Ruhe bringen, Leute, und gehorcht den Befehlen, ganz gleich, was um euch herum geschieht. Jede Kanone ist mit dem neuen Steinschloß ausgerüstet, aber haltet die Lunte bereit, falls es versagt.»

Er bemerkte, wie Okes von der Steuerbordbatterie zu Herrick hinüberblickte, der neben seinen Geschützen stand. Ein schneller Austausch von Blicken, der alles beinhalten konnte.

Bolitho spürte, daß Stockdale ihm den Rock über die Schultern streifte und den Degengurt umschnallte. Er beobachtete, wie die machtvolle Fregatte auf das Backbordlogis zuhielt, und schätzte Schnelligkeit und Entfernung ab.

«Noch etwas, Leute. «Er beugte sich vor, als wollte er sie zwingen, ihm zuzuhören.»Die Phalarope ist ein Schiff des Königs. Die Flagge streicht sie nicht.»

Er verschränkte die Hände unter den Rockschößen und ging langsam zur Luvreling. Es würde nicht mehr lange dauern. Zu Proby, der neben dem Rad stand, sagte er:»Wir luven gleich an, Mr. Proby. «Er hörte ihn murmeln und fragte sich, was der Steuermann von dem angekündigten Befehl denken mochte.

Der amerikanische Kapitän würde wahrscheinlich annehmen, daß die kleinere Phalarope versuchen wollte, wieder mit dem Wind abzulaufen. Doch sobald sie abdrehte, würde er ihr Heck mit der vollen Backbordbreitseite überschütten, wie er es von Anfang an beabsichtigt hatte. Doch Bolithos Manöver würde die Phalarope auf die Andiron zudrehen lassen, und mit etwas Glück mußte Herrick in der Lage sein, die erste Salve abzufeuern.

Auf dem Achterdeck der Andiron funkelte ein Fernrohr in der Sonne auf, und Bolitho wußte, daß der andere Kapitän ihn beobachtete.

«Achtung, Mr. Proby!«Bolitho schwenkte den Hut und rief über das Hauptdeck:»Jetzt, Jungs! Eine Breitseite für Old England!»

Knarrend schwangen die Rahen herum. Die Segel donnerten. Bolitho wurde der Mund trocken, sein Gesicht erstarrte zu einer Maske.

Das war der entscheidende Augenblick.

John Allday kauerte neben der zweiten Kanone der Steuerbordbatterie und starrte gebannt durch die offene Stückpforte. Trotz der kühlen Morgenbrise schwitzte er, und sein Herz schlug wie eine Trommel.

Er fühlte sich als das hilflose Opfer eines Alptraums. Jede Einzelheit war deutlich und klar, schon bevor sie sich ereignete. Irgendwie bildete er sich ein, diesmal würde es anders sein, aber es war dasselbe. Er hätte genausogut zum erstenmal in die Schlacht segeln können, neu und unerfahren, von quälender Spannung fast in Stücke gerissen.

Er löste die Augen von dem Wasserviereck, das er durch die Stückpforte sehen konnte, und blickte über die Schulter zurück. Die gleichen Männer, die Ferguson verspottet oder Evans in drohendem Schweigen umringt hatten, standen oder kauerten jetzt nicht anders als er, Sklaven ihrer Kanonen, die Gesichter nackt und voller Furcht. Ein Stück entfernt von der Batterie, den Rücken am Vormast, stand Leutnant Herrick. Er sah zum Achterdeck hinauf, die Finger umschlossen den Degengriff. Seine blauen Augen, die nicht eine Sekunde blinzelten, verrieten nichts.

Allday folgte den Blicken des Offiziers und bemerkte den Kapitän an der Achterdeckreling. Die Hände auf dem glatten Holz, beobachtete er mit leicht vorgerecktem Kopf die andere

Fregatte. Das hohe Schanzkleid, die Gangway und die anderen Kanonen versperrten Allday den Blick auf die Andiron. Immerhin sah er ihre Masttopps und geblähten Segel, als sie auf das Achterdeck zuhielt, bis sie wie eine Klippe über der Phalarope zu hängen schien.

Pryce, der Stückmeister, band sich das Pulverhorn um die Hüfte und hockte sich neben die Lafette, die Abzugsleine in Händen.»Hört zu, Jungs«, sagte er mit einer Stimme, die fremd und gepreßt klang.»Wir feuern zuerst eine Breitseite ab. «Er blickte von einem zum anderen, ohne die Kanoniere an der nächsten Stückpforte zu beachten.»Danach hängt alles davon ab, wie schnell wir nachladen und wieder ausrennen. Also muß jeder Handgriff sitzen. Und wie der Kapitän gesagt hat, achtet nicht darauf, was um euch vorgeht, verstanden?»

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