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4.

— Und warum sollte ich nicht bis ans Ende gehn? Ich liebe es, reinen Tisch zu machen. Es gehört selbst zu meinem Ehrgeiz, als Verächter der Deutschen par excellence zu gelten. Mein Misstrauen gegen den deutschen Charakter habe ich schon mit sechsundzwanzig Jahren ausgedrückt (dritte Unzeitgemässe S. 71) — die Deutschen sind für mich unmöglich. Wenn ich mir eine Art Mensch ausdenke, die allen meinen Instinkten zuwiderläuft, so wird immer ein Deutscher daraus. Das Erste, worauf hin ich mir einen Menschen »nierenprüfe«, ist, ob er ein Gefühl für Distanz im Leibe hat, ob er überall Rang, Grad, Ordnung zwischen Mensch und Mensch sieht, ob er distinguirt damit ist man gentilhomme; in jedem andren Fall gehört man rettungslos unter den weitherzigen, ach! so gutmüthigen Begriff der canaille. Aber die Deutschen sind canaille — ach! sie sind so gutmüthig ... Man erniedrigt sich durch den Verkehr mit Deutschen: der Deutsche stellt gleich ... Rechne ich meinen Verkehr mit einigen Künstlern, vor Allem mit Richard Wagner ab, so habe ich keine gute Stunde mit Deutschen verlebt ... Gesetzt, dass der tiefste Geist aller Jahrtausende unter Deutschen erschiene, irgend eine Retterin des Capitols würde wähnen, ihre sehr unschöne Seele käme zum Mindesten ebenso in Betracht ... Ich halte diese Rasse nicht aus, mit der man immer in schlechter Gesellschaft ist, die keine Finger für nuances hat — wehe mir! ich bin eine nuance —, die keinen esprit in den Füssen hat und nicht einmal gehen kann ... Die Deutschen haben zuletzt gar keine Füsse, sie haben bloss Beine ... Den Deutschen geht jeder Begriff davon ab, wie gemein sie sind, aber das ist der Superlativ der Gemeinheit, — sie schämen sich nicht einmal, bloss Deutsche zu sein ... Sie reden über Alles mit, sie halten sich selbst für entscheidend, ich fürchte, sie haben selbst über mich entschieden ... — Mein ganzes Leben ist der Beweis de rigueur für diese Sätze. Umsonst, dass ich in ihm nach einem Zeichen von Takt, von délicatesse gegen mich suche. Von Juden ja, noch nie von Deutschen. Meine Art will es, dass ich gegen Jedermann mild und wohlwollend bin ich habe ein Recht dazu, keine Unterschiede zu machen dies hindert nicht, dass ich die Augen offen habe. Ich nehme Niemanden aus, am wenigsten meine Freunde, — ich hoffe zuletzt, dass dies meiner Humanität gegen sie keinen Abbruch gethan hat! Es giebt fünf, sechs Dinge, aus denen ich mir immer eine Ehrensache gemacht habe. — Trotzdem bleibt wahr, dass ich fast jeden Brief, der mich seit Jahren erreicht, als einen Cynismus empfinde: es liegt mehr Cynismus im Wohlwollen gegen mich als in irgend welchem Hass ... Ich sage es jedem meiner Freunde ins Gesicht, dass er es nie der Mühe für werth genug hielt, irgend eine meiner Schriften zu studieren; ich errathe aus den kleinsten Zeichen, dass sie nicht einmal wissen, was drin steht. Was gar meinen Zarathustra anbetrifft, wer von meinen Freunden hätte mehr darin gesehn als eine unerlaubte, zum Glück vollkommen gleichgültige Anmaassung? ... Zehn Jahre: und Niemand in Deutschland hat sich eine Gewissensschuld daraus gemacht, meinen Namen gegen das absurde Stillschweigen zu vertheidigen, unter dem er vergraben lag: ein Ausländer, ein Däne war es, der zuerst dazu genug Feinheit des Instinkts und Muth hatte, der sich über meine angeblichen Freunde empörte ... An welcher deutschen Universität wären heute Vorlesungen über meine Philosophie möglich, wie sie letztes Frühjahr der damit noch einmal mehr bewiesene Psycholog Dr. Georg Brandes in Kopenhagen gehalten hat? — Ich selber habe nie an Alledem gelitten; das Nothwendige verletzt mich nicht; amor fati ist meine innerste Natur. Dies schliesst aber nicht aus, dass ich die Ironie liebe, sogar die welthistorische Ironie. Und so habe ich, zwei Jahre ungefähr vor dem zerschmetternden Blitzschlag der Umwerthung, der die Erde in Convulsionen versetzen wird, den »Fall Wagner« in die Welt geschickt: die Deutschen sollten sich noch einmal unsterblich an mir vergreifen und verewigen! es ist gerade noch Zeit dazu! — Ist das erreicht? — Zum Entzücken, meine Herrn Germanen! Ich mache Ihnen mein Compliment ... Soeben schreibt mir noch, damit auch die Freunde nicht fehlen, eine alte Freundin, sie lache jetzt über mich ... Und dies in einem Augenblicke, wo eine unsägliche Verantwortlichkeit auf mir liegt, — wo kein Wort zu zart, kein Blick ehrfurchtsvoll genug gegen' mich sein kann. Denn ich trage das Schicksal der Menschheit auf der Schulter. —

Warum ich ein Schicksal bin.

1.

Ich kenne mein Loos. Es wird sich einmal an meinen Namen die Erinnerung an etwas Ungeheures anknüpfen, — an eine Krisis, wie es keine auf Erden gab, an die tiefste GewissensCollision, an eine Entscheidung heraufbeschworen gegen Alles, was bis dahin geglaubt, gefordert, geheiligt worden war. Ich bin kein Mensch, ich bin Dynamit. — Und mit Alledem ist Nichts in mir von einem Religionsstifter — Religionen sind Pöbel-Affairen, ich habe nöthig, mir die Hände nach der Berührung mit religiösen Menschen zu waschen ... Ich will keine »Gläubigen«, ich denke, ich bin zu boshaft dazu, um an mich selbst zu glauben, ich rede niemals zu Massen ... Ich habe eine erschreckliche Angst davor, dass man mich eines Tags heilig spricht: man wird errathen, weshalb ich dies Buch vorher herausgebe, es soll verhüten, dass man Unfug mit mir treibt ... Ich will kein Heiliger sein, lieber noch ein Hanswurst ... Vielleicht bin ich ein Hanswurst ... Und trotzdem oder vielmehr nicht trotzdem denn es gab nichts Verlogneres bisher als Heilige — redet aus mir die Wahrheit. — Aber meine Wahrheit ist furchtbar: denn man hiess bisher die Lüge Wahrheit. — Umwerthung aller Werthe: das ist meine Formel für einen Akt höchster Selbstbesinnung der Menschheit, der in mir Fleisch und Genie geworden ist. Mein Loos will, dass ich der erste anständige Mensch sein muss, dass ich mich gegen die Verlogenheit von Jahrtausenden im Gegensatz weiss... Ich erst habe die Wahrheit entdeckt, dadurch dass ich zuerst die Lüge als Lüge empfand — roch ... Mein Genie ist in meinen Nüstern ... Ich widerspreche, wie nie widersprochen worden ist und bin trotzdem der Gegensatz eines neinsagenden Geistes. Ich bin ein froher Botschafter, wie es keinen gab ich kenne Aufgaben von einer Höhe, dass der Begriff dafür bisher gefehlt hat; erst von mir an giebt es wieder Hoffnungen. Mit Alledem bin ich nothwendig auch der Mensch des Verhängnisses. Denn wenn die Wahrheit mit der Lüge von Jahrtausenden in Kampf tritt, werden wir Erschütterungen haben, einen Krampf von Erdbeben, eine Versetzung von Berg und Thal, wie dergleichen nie geträumt worden ist. Der Begriff Politik ist dann gänzlich in einen Geisterkrieg aufgegangen, alle Machtgebilde der alten Gesellschaft sind in die Luft gesprengt — sie ruhen allesamt auf der Lüge: es wird Kriege geben, wie es noch keine auf Erden gegeben hat. Erst von mir an giebt es auf Erden grosse Politik.

2.

Will man eine Formel für ein solches Schicksal, das Mensch wird? — Sie steht in meinem Zarathustra.

— und wer ein Schöpfer sein will im Guten und Bösen, der muss ein Vernichter erst sein und Werthe zerbrechen.

Also gehört das höchste Böse zur höchsten Güte: diese aber ist die schöpferische.

Ich bin bei weitem der furchtbarste Mensch, den es bisher gegeben hat; dies schliesst nicht aus, dass ich der wohlthätigste sein werde. Ich kenne die Lust am Vernichten in einem Grade, die meiner Kraft zum Vernichten gemäss ist, — in Beidem gehorche ich meiner dionysischen Natur, welche das Neinthun nicht vom Jasagen zu trennen weiss. Ich bin der erste Immoralist: damit bin ich der Vernichter par excellence. —

3.

Man hat mich nicht gefragt, man hätte mich fragen sollen, was gerade in meinem Munde, im Munde des ersten Immoralisten, der Name Zarathustra bedeutet: denn was die ungeheure Einzigkeit jenes Persers in der Geschichte ausmacht, ist gerade dazu das Gegentheil. Zarathustra hat zuerst im Kampf des Guten und des Bösen das eigentliche Rad im Getriebe der Dinge gesehn, — die Übersetzung der Moral in's Metaphysische, als Kraft, Ursache, Zweck an sich, ist sein Werk. Aber diese Frage wäre im Grunde bereits die Antwort. Zarathustra, schuf diesen verhängnissvollsten Irrthum, die Moral: folglich muss er auch der Erste sein, der ihn erkennt. Nicht nur, dass er hier länger und mehr Erfahrung hat als sonst ein Denker — die ganze Geschichte ist ja die Experimental-Widerlegung vom Satz der sogenannten »sittlichen Weltordnung« —: das Wichtigere ist, Zarathustra ist wahrhaftiger als sonst ein Denker. Seine Lehre und sie allein hat die Wahrhaftigkeit als oberste Tugend — das heisst den Gegensatz zur Feigheit des »Idealisten«, der vor der Realität die Flucht ergreift, Zarathustra hat mehr Tapferkeit im Leibe als alle Denker zusammengenommen. Wahrheit reden und gut mit Pfeilen schiessen, das ist die persische Tugend. — Versteht man mich? ... Die Selbstüberwindung der Moral aus Wahrhaftigkeit, die Selbstüberwindung des Moralisten in seinen Gegensatz — in mich — das bedeutet in meinem Munde der Name Zarathustra.

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