Fernando.
Gott! — Cäcilie, deine Tränen an meinen Wangen — das Zittern deines Herzens an dem meinigen! — Schone mich! schone mich! —
Cäcilie.
Ich will nichts, Fernando! — Nur diesen Augenblick! — Gönne meinem Herzen diese Ergießung, es wird frei werden, stark! Du sollst mich loswerden —
Fernando.
Eh soll mein Leben zerreißen, eh ich dich lasse!
Cäcilie.
Ich werde dich wiedersehn, aber nicht auf dieser Erde! Du gehörst einer andern, der ich dich nicht rauben kann — Öffne, öffne mir den Himmel! Einen Blick in jene selige Ferne, in jenes ewige Bleiben — Allein, allein ist's Trost in diesem fürchterlichen Augenblicke.
Fernando , sie bei der Hand fassend, ansehend, sie umarmend.
Nichts, nichts in der Welt soll mich von dir trennen. Ich habe dich wiedergefunden.
Cäcilie.
Gefunden, was du nicht suchtest!
Fernando.
Laß! laß! — Ja, ich habe dich gesucht; dich, meine Verlassene, meine Teure! Ich fand sogar in den Armen des Engels hier keine Ruhe, keine Freuden; alles erinnerte mich an dich, an deine Tochter, an meine Lucie. Gütiger Himmel! wieviel Freude! Sollte das liebenswürdige Geschöpf meine Tochter sein? — Ich habe dich aufgesucht überall. Drei Jahre zieh ich herum. An dem Ort unsers Aufenthalts fand ich, ach! unsere Wohnung verändert, in fremden Händen, und die traurige Geschichte des Verlusts deines Vermögens. Deine Entweichung zerriß mir das Herz; ich konnte keine Spur von dir finden, und meiner selbst und des Lebens überdrüssig, steckt ich mich in diese Kleider, in fremde Dienste, half die sterbende Freiheit der edeln Korsen unterdrücken; und nun siehst du mich hier, nach einer langen und wunderbaren Verirrung wieder an deinem Busen, mein teuerstes, mein bestes Weib!
Lucie tritt auf.
Fernando.
O meine Tochter!
Lucie.
Lieber, bester Vater! wenn Sie mein Vater wieder sind!
Fernando.
Immer und ewig!
Cäcilie.
Und Stella? —
Fernando.
Hier gilt's schnell sein. Die Unglückliche! Warum, Lucie, diesen Morgen, warum konnten wir uns nicht erkennen? — Mein Herz schlug mir; du weißt, wie gerührt ich dich verließ! Warum? Warum? — Wir hätte uns das alles erspart! Stella! wir hätten ihr diese Schmerzen erspart — Doch wir wollen fort. Ich will ihr sagen ihr beständet darauf, euch zu entfernen, wolltet sie mi eurem Abschied nicht beschweren, wolltet fort. Und du Lucie, geschwind hinüber; laß eine Chaise zu dreien anspannen. Meine Sachen soll der Bediente zu den eurigen packen. — Bleib noch hüben, beste, teuerste Frau! Und du, meine Tochter, wenn alles bestellt ist, komm herüber; und verweilt im Gartensaal, wartet auf mich. Ich will mich von ihr losmachen, sagen, ich wollte euch hinüber begleiten, sorgen, daß ihr wohl fortkämt, und das Postgeld für euch bezahlen. — Arme Seele, ich betrüge dich mit deiner Güte! — Wir wollen fort! —
Cäcilie.
Fort? — Nur ein vernünftig Wort!
Fernando.
Fort! Laß sein! — Ja, meine Lieben, wir wollen fort!
Cäcilie und Lucie ab.
Fernando allein.
Fort? — Wohin? Wohin? — Ein Dolchstich würde allen diesen Schmerzen den Weg öffnen, und mich in die dumpfe Fühllosigkeit stürzen, um die ich jetzt alles dahingäbe! — Bist du da, Elender? Erinnere dich der vollglücklichen Tage, da du in starker Genügsamkeit gegen den Armen standst, der des Lebens Bürde abwerfen wollte; wie du dich fühltest in jenen glücklichen Tagen, und nun! — Ja, die Glücklichen! die Glücklichen! — Eine Stunde früher diese Entdeckung, und ich war geborgen; ich hätte sie nicht wieder gesehn, sie mich nicht; ich hätte mich überreden können: sie hat dich diese vier Jahre her vergessen, verschmerzt ihr Leiden. Aber nun? Wie soll ich vor ihr erscheinen, was ihr sagen? — O meine Schuld, meine Schuld wird schwer in diesen Augenblicken über mir! — Verlassen, die beiden lieben Geschöpfe! Und ich, in dem Augenblick, da ich sie wieder finde, verlassen von mir selbst! elend! O meine Brust!